# taz.de -- Verschlüsselung von Daten: „Sie wollen das letzte Geheimnis“
       
       > Geheimdienste stören sich an verschlüsselter Kommunikation. Dabei ist die
       > Überwachung weit mehr als nur eine Antiterrormaßnahme.
       
 (IMG) Bild: Polizeibehörden finden ja immer Wege, wenn sie irgendwo reinwollen.
       
       Nun also auch Deutschland. Die Terrorangriffe in Paris haben in ganz Europa
       einen neuen Sicherheitsdiskurs erzeugt und äußerst fragwürdige
       Gesetzesvorhaben auf die Tagesordnung gesetzt. Nach dem deutschen
       Innenminister Thomas de Maizière dringt jetzt auch Verfassungsschutzchef
       [1][Hans-Georg Maaßen in der taz] darauf, die Verschlüsselung von
       Internetkommunikation zu attackieren. Es geht um das letzte Geheimnis, die
       letzte Möglichkeit, unüberwachbar zu kommunizieren – Kryptografie.
       
       Zunächst ein Blick nach Frankreich: Im November 2014 hatten der
       französische Premierminister Manuel Valls sowie Frankreichs Innenminister
       Bernard Cazeneuve mit neuen Antiterrormaßnahmen ermöglicht, dass etwa
       Internetseiten zensiert werden dürfen, wenn das französische
       Innenministerium zu der Einschätzung gelangt ist, dass durch diese
       Maßnahmen der Terrorismus bekämpft werden könne.
       
       Das Gesetz unterwandert den prozeduralen Schutz, den die französischen
       Gesetze zum Schutz von Presse- und Meinungsfreiheit bislang vorgesehen
       hatten. Die Entschuldigung dafür: der Terrorismus. Es ermöglicht es der
       politischen Verwaltung außerdem, soziale Bewegungen zu attackieren und
       vermeintlich verdächtige Individuen zu bestrafen, die ihrer Meinung nach im
       Verdacht stehen, künftig zu Terroristen zu werden.
       
       Selbst die regierungsnahe französische Menschenrechtskommission stellte
       fest, dass das Gesetz gegen fundamentale Rechte verstoße. Doch nachdem es
       im Eilverfahren durchgewinkt wurde, gilt es, weil bislang keine politische
       Gruppe riskieren wollte, dagegen zu klagen und deshalb als
       terroristenfreundlich zu gelten.
       
       ## Kaum Kontrolle
       
       Ein Jahr zuvor hatte das französische Militär bereits weitreichende
       Ermächtigungen erhalten. Damit wurde etwa die massenhafte Überwachung
       vieler Arten von Quellen und Daten ermöglicht, und zwar für eine Fülle
       staatlicher Anliegen. Wir dürfen davon ausgehen, dass damit nur erlaubt
       werden sollte, was bereits zuvor durch staatliche Behörden praktiziert
       wurde.
       
       Diesen Maßnahmen ist in der Regel eines gemeinsam: Die Exekutive wird
       gestärkt – und die Kontrollmöglichkeiten der Justiz, des Wächters über
       Rechte und Grundrechte, werden weiter reduziert. Das Internet hat in diesem
       Spiel um unsere Freiheitsrechte die Rolle des Sündenbocks zugewiesen
       bekommen.
       
       Inzwischen wird also die Angst, die mit den Pariser Anschlägen Anfang
       Januar entstanden ist, europaweit instrumentalisiert, um im Kontext einer
       hysterisierten öffentlichen Debatte rasch neue Sicherheitsgesetze auf den
       Weg zu bringen. In den nächsten Wochen will die französische Regierung etwa
       neue Geheimdienstregelungen vorschlagen. Und der britische Premier David
       Cameron – oberster Dienstherr des wohl aggressivsten Geheimdienstapparats
       in Europa – benutzte die Situation nach dem Terror, um der EU-Kommission
       vorzuschlagen, sie möge dafür sorgen, dass europäische
       Telekommunikationsanbieter Zugang zu den Kommunikationsinhalten
       ermöglichen, die sie besitzen. Er fragte: Wollen wir wirklich eine
       Kommunikation zulassen, die wir im Zweifel nicht mitlesen können?
       
       ## Vertrauen auf offene Software
       
       Bislang scheitern die Dienste offenbar noch immer daran, bestimmte Formen
       verschlüsselter Kommunikation zu attackieren, weil zwar viele, aber noch
       nicht alle Produkte eine technische Hintertür eingebaut haben. Der
       US-Nachrichtendienst NSA rühmt sich damit, dass er jede Technologie
       beherrschen und durchdringen könne, die aus einem US-Unternehmen stamme.
       Doch noch immer gibt es einen letzten Freiraum, den die Regierungen noch
       nicht erobert haben. Diese einzige vertrauenswürdige Technologie, die uns
       noch übrig geblieben ist, ist offene Software.
       
       Das sind Programme, die von einem Kollektiv programmiert werden und deren
       Code von jedem überprüfbar ist, sodass es keine Hintertüren gibt. Das ist
       auch der Grund, weshalb ausgerechnet diese Software ganz besonders im Blick
       der Sicherheitsbehörden steht. Denn die Behörden können mit einem
       öffentlichen System keine Absprachen treffen, und sie können in etwas
       völlig Öffentliches nicht unbemerkt etwas einbauen. Diese Räume kann der
       Staat noch nicht durchdringen. Der Schlüssel für das letzte Geheimnis –
       noch liegt er nicht beim Staat.
       
       Wer diesen letzten Schlüssel hat, dem gehört auch die letzte Kontrolle. Die
       Frage nach einem gesetzlichen Angriff auf Verschlüsselungstechniken ist
       deshalb grundsätzlich: Soll der Staat die letzte Kontrolle über seine
       Bürger haben? Oder muss es nicht der Bürger sein, der Schutz vor seinem
       Staat genießt? Dann müsste es in einem freiheitlichen Europa gerade
       umgekehrt das Anliegen einer liberalen Sicherheitspolitik sein, die
       Entwicklung dieser Räume zu fördern: mit finanziellen Impulsen, staatlichen
       Förderprogrammen, gesetzlichen Schutzräumen.
       
       Aber wenn es möglich ist, eine Hausdurchsuchung zu beantragen – warum soll
       es dann illegitim sein, die Verschlüsselung zu knacken? Darum:
       Staatsanwälte, Geheimdienste und Polizeibehörden verfügen bereits heute
       über eine große Anzahl von Möglichkeiten, Kommunikationsinhalte zu
       erfahren.
       
       Sie überfallen die Computer ihrer Opfer: Sie kidnappen die Kameras und
       Mikrofone, sie infiltrieren Netzwerke und vieles mehr. Diese Art der „guten
       alten Überwachung“, die unter der Obhut unabhängiger Gerichte stattzufinden
       hat, gibt Ermittlern längst schon zahlreiche Möglichkeiten,
       Kommunikationsinhalte abzuschöpfen. Andere Techniken wie die massenhafte
       Überwachung ermöglichen neben der totalitären Kontrolle zugleich auch eine
       ungezügelte Polit- und Wirtschaftsspionage. Wenn wir diesen letzten Raum,
       den Raum des privaten Gesprächs also, nicht verteidigen, bekommen wir
       erstens: autoritäre Zustände; zweitens: noch mehr Angst.
       
       Übersetzung: Martin Kaul
       
       12 Feb 2015
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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