# taz.de -- Unbekannte Drohnen über Europa: Was ist da los am Himmel?
       
       > Seit über einem Monat sind Drohnen unbekannter Herkunft über europäischen
       > Ländern zu beobachten. Was bedeutet das? Fragen und Antworten.
       
 (IMG) Bild: Da! Guck mal! Die Bundeswehr übt wie man Drohnen vertreiben kann
       
       Was genau war da über Dänemark, Norwegen und Deutschland zu sehen? 
       
       Drohnen für den Hausgebrauch waren es sicher nicht. Es handelte sich um
       nichtidentifizierte, unbemannte Luftfahrzeuge, heißt es vonseiten der
       offiziellen Stellen etwas kryptisch. Gezielt überflogen sie Flughäfen und
       Militärstützpunkte. Die meisten Sichtungen gab es in Dänemark, aber auch in
       Deutschland wurden Drohnen bemerkt – über [1][Schleswig-Holstein] und
       zuletzt [2][über München]. Flughäfen wurden zeitweise geschlossen, die
       Behörden verstärkten ihre Sicherheitsmaßnahmen.
       
       Dass es sich um verirrte Drohnen beziehungsweise ein Versehen handelt,
       schließen alle betroffenen Länder aus. Sie vermuten einen staatlichen
       Akteur. Der dänische Geheimdienst wurde am Freitag konkreter und sprach von
       einem „hybriden Krieg“, den Russland gegen Dänemark und den Westen führt.
       
       Was heißt das, „hybrider Krieg“? 
       
       Krieg wird nicht nur militärisch geführt. Sabotage, Desinformation,
       Cyberattacken, Verunsicherungskampagnen in der Bevölkerung – all das sind
       Elemente, die zur hybriden Kriegsführung zählen. Spätestens seit Beginn der
       russischen Vollinvasion in der Ukraine 2022 hat auch die Bundesregierung
       das Thema erkannt und macht zumindest darauf aufmerksam, dass in „modernen“
       Konflikten mit hybride Attacken zu rechnen ist. Auch die Drohnenvorfälle
       laufen in dieser Kategorie. Allerdings wirken die internationalen
       Reaktionen auf die Sichtungen nach wie vor hilflos – und sind vor allem
       langsam.
       
       Was macht die Nato in dieser Situation? 
       
       Als Anfang September [3][etliche Drohnen im polnischen Luftraum gesichtet]
       wurden, berief sich die Regierung Polens auf Artikel 4 des
       Nordatlantikvertrags. Dort heißt es: „Die Parteien werden einander
       konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des
       Gebietes, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der
       Parteien bedroht sind.“ Im Fall Polens trat also der Nordatlantikrat
       zusammen. Deutschland und Großbritannien boten Polen Unterstützung bei der
       Luftabwehr an. Nato-Generalsekretär Mark Rutte bekräftigte die Solidarität
       des Bündnisses, das „ironclad“, also „eisern“, an der Seite der Ukraine
       stehe. Die Nato-Ostflanke solle weiter gestärkt werden.
       
       Seit der Gründung der Nato wurde Artikel 4 nur sieben Mal angerufen,
       zuletzt im Februar 2022, mit Beginn der russischen Vollinvasion in der
       Ukraine. Ob es in naher Zukunft zu einer Ausrufung von Artikel 5 kommt,
       hängt von den Ereignissen ab. [4][Die Beistandsklausel 5] greift bei dem
       Eindruck, dass ein Angriff auf ein Mitgliedsland ein Angriff auf die
       gesamte Nato ist.
       
       Aber auch eine solche Lage bedeutet vor allem, dass der betroffene
       Nato-Staat militärisch Unterstützung bekommt – sie bedeutet nicht zwingend
       einen Kriegsausbruch.
       
       Und was macht die EU jetzt? 
       
       Bei einem [5][Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs] in
       dieser Woche in Kopenhagen – Dänemark hat derzeit die
       EU-Ratspräsidentschaft inne – waren die Drohnenflüge das Topthema auf der
       Agenda. Die neueste Idee: ein Drohnenwall, also ein weitreichender
       Schutzschirm für den gesamten Kontinent etwa aus Drohnenabwehrwaffen.
       Dieses Vorhaben wird Milliarden verschlingen.
       
       Prompt murrten einige westeuropäische Staaten, die das Geld auch in die
       individuelle Sicherheit ihrer Länder investiert sehen wollen. Für Know-how
       blickt die EU nun aber auch Richtung Ukraine, die sich mit effektiven und
       schnell produzierten Drohnen bestens auskennt – und auch der Abwehr solcher
       Fluggeräte.
       
       Was würde es bedeuten, wenn Russland hinter den Drohnen steckt? 
       
       Zunächst einmal, dass die Nadelstiche hybrider Kriegsführung sich vonseiten
       Russlands häufen. Und, dass Russland den Westen testet: Was passiert, wenn
       die kritische Infrastruktur gleichzeitig in etlichen Ländern verletzt oder
       zumindest gestört wird? Manche Russland-Kenner:innen sprechen gar von einer
       Vorbereitung auf ein mögliches Kriegsszenario, also zum Beispiel den
       Einmarsch von Truppen in einen Nato-Staat oder Luftangriffe.
       
       Gesichert ist auf jeden Fall, dass die Vorfälle die Verbündeten der Ukraine
       beschäftigt halten mit Krisensitzungen und hitzigen Debatten. Und mit der
       Aufgabe, in der westlichen Bevölkerung endlich das Bewusstsein für den
       Ernst der Lage entstehen zu lassen, ohne Panik zu schüren.
       
       Soll man die Drohnen abschießen oder nicht? Wie läuft die Debatte in
       Deutschland? 
       
       Wenn es um Recht, Ordnung und Abschießen geht, ist natürlich der bayerische
       Ministerpräsident Markus Söder von der CSU nicht weit: Der sah im
       Drohnen-Thema Populismus-Potenzial und kündigte umgehend an, die
       Polizeibefugnisse erweitern zu wollen und die Dinger einfach abschießen zu
       lassen – natürlich in enger Abstimmung mit CSU-Buddy Alexander Dobrindt,
       seines Zeichens Bundesinnenminister. Aber auch die niedersächsische
       SPD-Innenministerin Daniela Behrens sieht dringenden Handlungsbedarf und
       will ins Landespolizeigesetz die Detektion und Abwehr von Drohnen
       aufnehmen.
       
       Das mit dem Abschießen ist nach Ansicht von Expert*innen allerdings
       nicht ganz so einfach: Wenn man danebenballert, kommt ein Projektil schnell
       mal ein paar Kilometer weiter runter und bleibt potenziell tödlich. Ebenso
       verböten sich Abschüsse in der Nähe von Wohngebieten.
       
       Eine andere Option [6][wäre Manuel Atug von der Expertenvereinigung AG
       Kritis zufolge], Drohnen mit sogenannten GPS-Jammern beizukommen, also
       Geräten, welche die Funkverbindungen der Fluggeräte stören oder
       manipulieren können, sodass diese im Idealfall sicher landen und geborgen
       werden können. Der Vorteil: Man könnte die Drohne untersuchen. Der
       Nachteil: Es gibt derzeit kaum Jammer bei den Sicherheitsbehörden.
       
       Alexander Dobrindt, der seine bisherige Amtszeit vor allem mit sinnlosen
       Maßnahmen zur Abschottung verplemperte, sieht nun plötzlich sehr akuten
       Handlungsbedarf und will ein Drohnenabwehrzentrum einrichten – und das
       Luftsicherheitsgesetz überarbeiten.
       
       Wer ist in Deutschland eigentlich zuständig für Drohnen? 
       
       Die Bundespolizei ist zuständig für Drohnen über Flughäfen und Bahnhöfen,
       die Landespolizeien für die Bereiche, die ihnen die Landesregierungen
       zuweisen. Bei den Energieunternehmen oder den Wasserbetrieben sind vor
       allem die Betreiber selbst für den Schutz zuständig.
       
       Bundesinnenminister Dobrindt und Bundesverteidigungsminister Boris
       Pistorius (SPD) sind nun ganz dringend damit beschäftigt, für Klarheiten
       bei den Zuständigkeiten zu sorgen und jegliches Kompetenzgerangel innerhalb
       der einzelnen Gremien zu vermeiden. Die Polizei verfügt über keine
       Kampfjets oder Flugabwehrsysteme. Solche hat nur die Bundeswehr. Einen
       Abschuss mit Luft-Luft-Raketen oder Boden-Luft-Raketen kann die Polizei
       also gar nicht allein durchführen.
       
       Muss also jetzt die Bundeswehr ran? 
       
       Das hätte CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter auf jeden Fall
       gerne. Der forderte kürzlich, Deutschland solle den sogenannten
       [7][Spannungsfall auszurufen, quasi eine Art Vorstufe zum
       Verteidigungsfall]. In der Geschichte der Bundesrepublik kam es noch nie zu
       so einer Situation. Der Spannungsfall würde bedeuten, dass die Bundeswehr
       sofort mehr Kompetenzen bekommt und die Wehrpflicht sofort reaktiviert
       wird.
       
       Solche Forderungen sollen offenbar Druck machen, sind aber derzeit wenig
       hilfreich. Es ist auch ziemlich unwahrscheinlich, dass man dafür die
       notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag zusammenbekommen würde.
       
       Flughäfen, Bahnhöfe, Energieversorger: Wie kann kritische Infrastruktur
       besser geschützt werden? 
       
       Jedenfalls nicht wirklich mit dem Kritis-Dachgesetz, das die
       Bundesregierung derzeit plant. Dort taucht nämlich bislang nicht einmal das
       Wort Drohnen auf. Zudem hält es für private Betreiber von kritischer
       Infrastruktur sehr niedrige Bußgelder bereit, wenn diese sich nicht an
       entsprechende Vorgaben halten. Insgesamt bleibt das Gesetz angesichts der
       derzeitigen Bedrohungen sehr unkonkret: Erst bis zum Jahr 2030 sollen
       Resilienzpläne entwickelt werden. Absurd mutet auch an, dass
       Bundesverwaltung, Landesverwaltungen und Kommunen im Kritis-Gesetz nicht
       als kritische Infrastruktur betrachtet werden. Dabei gibt es immer wieder
       Cyberangriffe auf die behördliche IT-Infrastrukturen. So im vergangenen
       Jahr zum Beispiel auf die Kommunalwebseiten von Gemeinden in Sachsen-Anhalt
       und Thüringen.
       
       Gegen Bedrohungen aus der Luft fordern Sicherheitsexperten jetzt auf jeden
       Fall Gelder für die Drohnenabwehrforschung. Die Luft- und
       Raumfahrtindustrie fordert eine Nationale Taskforce zur Drohnenabwehr.
       
       3 Oct 2025
       
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