# taz.de -- Scheuers Formfehler in der StVO: Vollspeed zurück?
       
       > Der Bundesverkehrsminister will umstrittene Fahrverbote für Raser
       > rückgängigmachen. Mithilfe eines selbstverursachten Formfehlers.
       
 (IMG) Bild: Achtung, Formfehler: Andreas Scheuer
       
       Freiburg taz | [1][Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)] will einen
       formellen Fehler nutzen, um härtere Sanktionen für Raser wieder
       abzumildern. Dabei hat sein Ministerium den Fehler selbst verursacht.
       
       Konkret geht es um eine [2][Neuregelung der Straßenverkehrsordnung (StVO)]
       im Frühjahr diesen Jahres. Hauptziel von Minister Scheuer war es, den
       Straßenverkehr fahrradfreundlicher zu machen. So ist zum Beispiel nicht
       mehr erlaubt, dass Autos auf dem Fahrradweg anhalten. Außerdem müssen
       Autos, die ein Fahrrad überholen, jetzt innerorts 1,5 Meter Abstand halten
       (außerorts sogar zwei Meter).
       
       Diese Änderungen erforderten kein Gesetz. Der Bundestag musste also nicht
       beteiligt werden. Andreas Scheuer konnte sie per Rechtsverordnung erlassen.
       Er brauchte allerdings die Zustimmung des Bundesrats. Diese Zustimmung
       bekam er Mitte Februar nur unter der Bedingung, dass auch Bußgelder und
       Sanktionen gegen Raser erhöht werden. So sollte ein Fahrverbot von einem
       Monat verhängt werden, wenn ein Autofahrer innerorts 21 Stundenkilometer zu
       schnell fährt (außerorts 26 km/h). Vorher gab es solche Fahrverbote erst ab
       31 km/h Überschreitung (außerorts 41 km/h).
       
       Scheuer akzeptierte die Bedingung und protestierte nicht einmal. Ihm war es
       damals vor allem wichtig, sich ein Image als Fahrradminister zu schaffen.
       Damit wollte er auch von der juristischen Niederlage bei der PKW-Maut
       ablenken, die der Europäische Gerichtshof beanstandet hatte. Deshalb trat
       die StVO-Novelle Ende April in der vom Bundesrat gewünschten Form in Kraft.
       
       ## Raser fühlen sich drangsaliert
       
       Nun regte sich allerdings Protest. Der kleine Autoclub „mobil in
       Deutschland“ startete eine [3][Petition] gegen die „Führerschein-Falle“,
       die inzwischen 160.000 Mal unterzeichnet wurde. Die Neuregelung „könnte
       zukünftig im Jahr in Deutschland bis zu zwei Millionen Führerscheine
       kosten“, wurde dort behauptet. Die StVO-Novelle „drangsaliere“ die
       Autofahrer. Auch AfD und FDP protestierten. Viele betroffene Autofahrer
       behaupten, sie seien keine absichtlichen Raser, sondern hätten nur das
       maßgebliche Schild übersehen.
       
       Minister Scheuer griff den Protest auf und bezeichnete Mitte Mai die
       einmonatigen Fahrverbote plötzlich als „unverhältnismäßig“. Sie verletzten
       das „Gerechtigkeitsempfinden“ der Bürger. Für eine erneute Änderung hätte
       er allerdings wieder die Zustimmung des Bundesrats benötigt. Und die
       Grünen, die in zehn Bundesländern mitregieren, signalisierten schnell, dass
       sie Scheuers Rücksicht auf die Zu-Schnell-Fahrer nicht unterstützen würden.
       
       Ende Juni verbesserte sich Scheuers Position aber schlagartig. Der ADAC und
       Verkehrsanwälte fanden heraus, dass das Verkehrsministerium bei der
       [4][StVO-Novelle] einen kleinen Formfehler gemacht hatte. Für die Regelung
       der Fahrverbote war nicht auf die gesetzliche Grundlage im
       Straßenverkehrsgesetz verwiesen worden. Der Fehler war schon in Scheuers
       Entwurf enthalten und wurde nicht erst durch die Verschärfungen des
       Bundesrats ausgelöst. Dies spricht gegen die Annahme, dass Scheuer mit dem
       Formfehler gezielt den Bundesrat austricksen wollte.
       
       ## 6 Buchstaben und Zahlen
       
       Nun wäre der Fehler leicht zu beheben. Die Novelle müsste nur mit sechs
       zusätzlichen Buchstaben und Zahlen neu beschlossen werden. Aber Minister
       Scheuer nutzt nun den Fehler des eigenen Hauses, um von den Ländern eine
       Abmilderung der Fahrverbots-Regeln zu fordern. Dazu sind die Länder nach
       wie vor mehrheitlich nicht bereit.
       
       Wer hier am längeren Hebel sitzt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
       Noch ist zum Beispiel nicht geklärt, ob der Formfehler nur die neuen
       Fahrverbotsregeln betrifft oder ob sogar die ganze Novelle nichtig ist,
       einschließlich der neuen Regeln zum Fahrradverkehr.
       
       Viele Bundesländer haben bereits angekündigt, dass sie bis auf weiteres zu
       den alten Bußgelds- und Fahrverbotsregeln zurückkehren. Das hatte auch
       Verkehrsminister Scheuer empfohlen. Thüringen will aber am neuen Katalog
       festhalten und Baden-Württemberg wartet noch ab.
       
       Offen ist auch noch, was mit Bußgeld-Bescheiden und Fahrverboten passiert,
       die in den vergangenen zwei Monaten verhängt wurden. Der ADAC geht von rund
       100.000 Fahrverboten aus, die nun rechtswidrig seien.
       
       5 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Vorwuerfe-gegen-Verkehrsminister-Scheuer/!5689722
 (DIR) [2] /Neue-Verkehrsregeln-fuer-Autofahrer/!5678581
 (DIR) [3] https://www.mobil.org/petition-fuehrerschein-falle-der-stvo-novelle-rueckgaengig-machen/
 (DIR) [4] https://www.adac.de/news/kritik-stvo-novelle/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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