# taz.de -- Kontroverser Pulli von Jette Nietzard: Hausverbot für Klöckner!
       
       > Die Bundestagspräsidentin möchte der Grüne-Jugend-Chefin den Hausausweis
       > entziehen. „Die Würde des Amtes“ möchte Klöckner selbst ausschließen –
       > und schreibt diesen Brief.
       
 (IMG) Bild: Julia Klöckner mit Glocke im Bundestag
       
       Sehr geehrte Damen und Herren,
       
       trotz begründeter Skepsis habe ich mich zu Beginn der Legislaturperiode auf
       das Personalexperiment eingelassen. Julia Klöckner hatte nach ihrem
       Amtsantritt als Bundestagspräsidentin immerhin beteuert, verbindend und
       verbindlich wirken zu wollen. Die Chance, mir tatsächlich gerecht zu
       werden, habe ich ihr eingeräumt.
       
       Zwei Monate später wende ich mich heute aber desillusioniert an Sie. Anlass
       ist das vom 30. Mai 2025 datierte Schreiben, das Frau Klöckner an Partei
       und Fraktion der Grünen senden ließ und das seinen Weg auf wundersame Weise
       in die Bild-Zeitung vom Montag gefunden hat. Darin droht sie, Jette
       Nietzard, Chefin der Grünen Jugend, [1][wegen ihres umstrittenen
       „ACAB“-Pullovers] den Zugangsausweis für den Bundestag zu entziehen.
       
       Schon zuvor hatte mich die Diskussion um das Kleidungsstück peinlich
       berührt. Die sogenannte Debatte läuft nun schon seit zehn Tagen, hat aber
       noch immer keine einzige Erkenntnis produziert. Als nicht direkt Betroffene
       konnte ich zunächst darüber hinwegsehen: Innergrüne Kulturkämpfe zwischen
       Jugendgruppen und baden-württembergischen Provinzpolitikern sind nicht
       meine Angelegenheit.
       
       Jetzt aber kann ich nicht mehr schweigen: Indem Frau Klöckner als
       zweithöchste Repräsentantin des Staates in die Empörungsspirale
       eingestiegen ist, hat sie mich verletzt. Ihr Drohschreiben ist unter mir.
       Ich fordere Sie dringend auf, der Bundestagspräsidentin ihrerseits
       unverzüglich den Hausausweis zu entziehen. Den unbegrenzten und
       unkontrollierten Zugang könnte Frau Klöckner andernfalls dafür ausnutzen,
       weiteren Unfug in die Parlamentsgebäude einzuführen und mich damit
       dauerhaft zu beschädigen.
       
       Es ist ja nicht nur der eine Brief. Frau Klöckners Vor-Vorgänger
       [2][Norbert Lammert wurde in der Süddeutschen Zeitung einmal damit
       zitiert], das Amt des Bundestagspräsidenten sei ein „dauernder
       Intelligenztest“. Er sei einerseits mitten in der operativen Politik
       verankert, stehe andererseits aber auch außerhalb des Parteienstreits. Oft
       sei ein „kunstvoller Spagat“ nötig. Leider ist die jetzige Amtsinhaberin
       innerhalb weniger Wochen gleich mehrmals an der Übung gescheitert. Mehrfach
       ließ sie intellektuellen Tiefgang, Überparteilichkeit, Debattenkultur oder
       alles zusammen vermissen:
       
       Ihr Antrittsinterview, ebenfalls in der Bild-Zeitung, nutzte Klöckner für
       einen autoritären Aufruf an die Kirchen in Deutschland: Sie sollten mehr
       über die „grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod“ sprechen und weniger
       „Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen“ abgeben „wie eine NGO“.
       Erkennbar wirkte darin der Ärger darüber nach, dass die Kirchen im
       Wahlkampf die unchristliche Flüchtlingspolitik der Union kritisiert hatten.
       
       [3][Mitte Mai rügte Klöckner nach der Regierungserklärung des
       Bundeskanzlers einen Zwischenruf aus der Linksfraktion, demzufolge es sich
       beim Krieg in Gaza um einen „Genozid“ handle.] Der Wertung der Linken
       möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich nicht anschließen, allerdings
       wird die Einstufung als Völkermord inzwischen auch in wissenschaftlichen
       Fachkreisen zunehmend geteilt. Die Würde des Parlaments ist mir persönlich
       bekannt und aus eigener Anschauung kann ich sagen: Der Zwischenruf hat sie
       keinesfalls verletzt.
       
       Erst an diesem Wochenende führte sich Frau Klöckner auf Instagram auf wie
       sonst nur Onkel Dieter in seinem Whatsapp-Status: Sie teilte einen
       polemischen Beitrag gegen das ZDF, das es gewagt hatte, den Kanzler in
       einem Interview kritisch zu Abschiebungen zu befragen. Die Aufschrift auf
       dem Post: „Merz macht Dunja Hayali [die ZDF-Moderatorin im Interview, Anm.
       d. W. d. A.] fertig“.
       
       Zugute halten möchte ich Frau Klöckner ein weiteres aktuelles Schreiben, in
       dem sie die Bundesregierung auffordert, die Debatten im Bundestag häufiger
       zu verfolgen und durchgehend eine Mindestzahl von Kabinettsmitgliedern ins
       Plenum zu entsenden. Immerhin damit kommt die Bundestagspräsidentin ihrer
       Aufgabe nach, für eine starke Position des Parlaments gegenüber der
       Exekutive zu sorgen. Entsprechende Schreiben lassen sich aber auch im
       Homeoffice verfassen, eine begrenzte Menge an Briefpapier ist Frau Klöckner
       zu diesem Zweck gegen Aushändigung ihres Hausausweises zu überlassen. Für
       ihr übriges Wirken kann sie sich einfach am Reichstagsufer auf eine Kiste
       stellen.
       
       Mit freundlichen Grüßen
       
       Die Würde des Amtes
       
       3 Jun 2025
       
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 (DIR) [1] /Jette-Nietzard-in-ACAB-Pullover/!6087109
 (DIR) [2] https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagspraesident-lammert-der-ehrliche-makler-zwischen-den-fronten-1.134288
 (DIR) [3] https://www.spiegel.de/politik/julia-kloeckner-bundestagspraesidentin-ruegt-linke-fuer-genozid-zwischenruf-a-5437d0fe-d283-4ca4-8e45-14af9a9e1e62
       
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