# taz.de -- EU-Gipfel sichert Geld zu: Ukraine bekommt 90 Milliarden – Moskau spottet
       
       > Die EU hat die Finanzierung der Ukraine gesichert – wenn auch nicht nach
       > dem „Modell Merz“. Eine andere wichtige Entscheidung steht noch aus.
       
 (IMG) Bild: Bundeskanzler Friedrich Merz bei einer Pressekonferenz nach dem EU-Gipfel, 19.12.2025
       
       Brüssel dpa | Die EU-Länder haben sich nach monatelangem Streit auf einen
       Kompromiss zur Finanzierung der Ukraine für die nächsten zwei Jahre
       verständigt. Wie Bundeskanzler Friedrich Merz nach dem EU-Gipfel in Brüssel
       ankündigte, erhält das von Russland angegriffene Land von der EU einen
       zinslosen Kredit über 90 Milliarden Euro. Falls Russland für Kriegsschäden
       keine Entschädigung leistet, sollen in der EU eingefrorene russische
       Vermögenswerte für die Rückzahlung herangezogen werden.
       
       Merz wertete die Lösung als „großen Erfolg“, obwohl sie nicht seinem
       ursprünglichen Vorschlag entspricht. Er wollte eigentlich die vor allem in
       Belgien festgesetzten Gelder der russischen Zentralbank direkt für Darlehen
       in Höhe von bis zu 210 Milliarden Euro einsetzen. Dieser Plan scheiterte am
       Ende am Widerstand von Ländern wie Frankreich und Italien, nachdem zuvor
       vor allem Belgien zu große rechtliche und politische Risiken gesehen hatte.
       
       ## Kanzler sieht Demonstration europäischer Souveränität
       
       Merz zeigte sich aber auch mit dem Alternativmodell zufrieden. „Europa hat
       verstanden, was die Stunde geschlagen hat und Europa hat eine Demonstration
       seiner Souveränität abgeliefert“, sagte er [1][nach rund 18-stündigen
       Beratungen im Brüsseler Europagebäude]. „Wir stellen uns entschlossen der
       größten sicherheitspolitischen Bedrohung Europas entgegen. Das ist die
       Aggression Russlands, die längst den Angriffskrieg gegen die Ukraine
       übersteigt.“
       
       Die 90 Milliarden Euro reichen Merz zufolge aus, um den militärischen
       Bedarf und den Bedarf beim Haushalt der Ukraine für die nächsten zwei Jahre
       zu decken. Die Auszahlung kann seinen Angaben zufolge schon im Januar
       beginnen.
       
       ## Putins Chefunterhändler verspottet Merz
       
       Der russische Chefunterhändler Kirill Dmitrijew bezeichnete den Brüsseler
       Kompromiss als gewaltigen Schlag für Merz und EU-Kommissionspräsidentin
       Ursula von der Leyen, die er beide „Kriegstreiber“ nannte. „Gesetz und
       gesunder Menschenverstand haben vorerst gesiegt“, schrieb er auf der
       Plattform Telegram.
       
       [2][Russland hatte stets vor einem „Diebstahl“ seines Staatsvermögens
       gewarnt] und damit gedroht, im Gegenzug auch westliches Geld – vor allem
       von Privatinvestoren und Unternehmen – für seine Zwecke zu verwenden. Nun
       seien Merz, von der Leyen und der britische Premierminister Keir Starmer
       gescheitert: „Die ganze Welt hat gerade zugesehen, wie ihr daran
       gescheitert seid, andere zum Rechtsbruch zu zwingen“, schrieb er auf der
       Plattform X.
       
       ## Paris und Rom verhinderten „Merz Modell“
       
       Das ursprüngliche Finanzierungsmodell des Kanzlers kam nach Angaben von
       Diplomaten nicht durch, weil unter anderem die Regierungen in Paris und Rom
       sich weigerten, die notwendigen Mittel [3][für den von Belgiens
       Regierungschef Bart De Wever geforderten Schutzmechanismus]
       bereitzustellen. Er wollte garantiert bekommen, dass alle Risiken, die sich
       aus der Nutzung russischen Geldes ergeben könnten, vollständig
       gemeinschaftlich abgesichert werden.
       
       Die belgische Regierung sah unter anderem die Gefahr, dass Russland
       Vergeltung gegen europäische Privatpersonen und Unternehmen übt und es in
       Russland zu Enteignungen kommt. Vor allem aber fürchtet sie auch um die
       Existenz des Finanzinstituts Euroclear, das den Großteil der in der EU
       festgesetzten russischen Vermögenswerte verwaltet.
       
       Nach dem Gipfel zeigte sich aber auch De Wever zufrieden. „Die Ukraine hat
       gewonnen, Europa hat gewonnen, die finanzielle Stabilität hat gewonnen“,
       sagte er. „Hätten wir Brüssel heute gespalten verlassen, hätte Europa seine
       geopolitische Bedeutung eingebüßt. Das wäre eine totale Katastrophe
       gewesen.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die nun
       gefundene Lösung als „die realistischste und praktikabelste“.
       
       ## Orban spricht von „verlorenem Kriegskredit“
       
       Seit fast vier Jahren beteuern die führenden Staats- und Regierungschefs
       der Europäischen Union, dass die Ukraine so lange unterstützt werde, wie es
       nötig sei. Bei einem Scheitern der weiteren Finanzierung wäre diese Zusage
       hinfällig gewesen.
       
       Es wäre auch ein Scheitern von Kanzler Merz gewesen, der sich schon im
       September überraschend an die Spitze der Befürworter der Nutzung des
       russischen Vermögens gesetzt hatte. Nun hat er zwar seinen ursprünglichen
       Plan nicht durchgebracht, die Finanzierung der Ukraine aber trotzdem
       gesichert.
       
       Es gab aber auch Kritik aus den Reihen der Staats- und Regierungschefs.
       Ungarns Regierungschef Viktor Orban, der für kremlfreundliche Positionen
       bekannt ist, sprach von einem „verlorenen Kriegskredit“. EU-Ratspräsident
       António Costa sagte dagegen, Ziel sei es nicht, den Krieg zu verlängern,
       sondern einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine zu
       erreichen.
       
       ## Mercosur-Deal auf Januar verschoben
       
       Noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung kam die EU beim zweiten
       wichtigen Gipfelthema: Die eigentlich für diesen Samstag geplante
       Unterzeichnung des EU-Freihandelsabkommens mit vier Mitgliedsländern des
       südamerikanischen Staatenbunds Mercosur muss verschoben werden. Einen neuen
       Termin soll es nun in der ersten Januarhälfte geben.
       
       Zuvor hatte die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni mitgeteilt,
       sie sei noch nicht bereit, dem geplanten Abkommen mit den vier Staaten
       Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay zuzustimmen. Damit war klar,
       dass die für eine Unterzeichnung erforderliche Mehrheit nicht zustande
       kommt. Für diese wollten heute eigentlich Kommissionspräsidentin von der
       Leyen und EU-Ratspräsident Costa nach Brasilien reisen.
       
       ## Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern
       
       Für Merz ist die Verschiebung ein Dämpfer. Er hatte zu Gipfelbeginn gesagt,
       wenn die Europäische Union in der Handelspolitik glaubwürdig bleiben wolle,
       dann müssten jetzt Entscheidungen getroffen werden. „Und die Entscheidung
       kann nur lauten, dass Europa zustimmt und dass die Kommissionspräsidentin
       und der Ratspräsident morgen nach Südamerika reisen und dieses Abkommen
       unterzeichnen“, fügte er hinzu.
       
       Die neue Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern wäre nach
       Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art und soll auch ein
       Zeichen gegen die protektionistische Zollpolitik von US-Präsident Donald
       Trump setzen. Geplant ist, Zölle und Handelsbarrieren zwischen der EU und
       den Mercosur-Staaten weitestgehend abzubauen. Die Verhandlungen für den
       Deal starteten bereits 1999.
       
       19 Dec 2025
       
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