# taz.de -- EU-Kompromiss zur Ukraine-Unterstützung: Ein Erfolg, aber ein blasser
       
       > Die EU ist doch noch in der Lage, der Ukraine beizustehen – mit einem
       > Plan B, den Merz ausgeschlossen hatte. Die Glaubwürdigkeit des Kanzlers
       > hat gelitten.
       
 (IMG) Bild: Plan B: Friedrich Merz bei der Pressekonferenz nach dem EU-Gipfel am frühen Freitag
       
       Geht doch: Die Ukraine bekommt die nötigen Mittel, um sich weiterhin gegen
       den russischen Angriff zu verteidigen, und Russland kann in absehbarer Zeit
       nicht auf seine in Europa gebunkerten Geldreserven zugreifen. Das ist knapp
       zusammengefasst [1][das Ergebnis nächtlichen Ringens auf dem EU-Gipfel],
       der am frühen Freitagmorgen zu Ende ging.
       
       Die 27 EU-Staaten sind also doch noch in der Lage, dem überfallenen Land an
       ihrer Ostgrenze beizustehen und damit die eigenen Sicherheitsinteressen zu
       wahren. Sie sind [2][trotz aller Querelen] handlungsfähig und die Ukraine
       bleibt bis auf Weiteres zahlungsfähig. Dennoch sieht dieser Erfolg bei
       Lichte betrachtet blass aus.
       
       Das liegt zum einen an den hohen Erwartungen, [3][die vor allem der
       deutsche Bundeskanzler vor dem Gipfel geweckt hatte]. Friedrich Merz hatte
       vorgeschlagen, die 210 Milliarden Euro russisches Staatsvermögen in Europa
       sofort anzuzapfen.
       
       Es gebe nur diese Lösung oder Europas Glaubwürdigkeit sei dahin, hatte Merz
       suggeriert. Und das gleich auch noch mit einem anderen Wunsch verknüpft –
       nämlich dem Abschluss des [4][Freihandelsabkommens mit den
       südamerikanischen Mercosur-Ländern]. Letzteres [5][wurde erneut verschoben]
       und zur Unterstützung der Ukraine nimmt Europa nun selbst Schulden auf. Ein
       Plan B also, den Merz' Mannschaft kurz zuvor noch kategorisch
       ausgeschlossen hatte.
       
       Gelitten hat vor allem die Glaubwürdigkeit des Kanzlers, der erneut All-in
       gegangen ist. Wie schon zu Beginn des Jahres, als er im Bundestag [6][alles
       auf eine Karte setzte], um eine Abstimmung über seine Migrationspolitik zu
       erzwingen und [7][am Ende mit der feixenden Zustimmung der AfD belohnt]
       wurde.
       
       ## Sach- und Machtgeschichten mit dem Merz
       
       Das Muster ist das gleiche: Merz neigt dazu, aus Sachfragen Machtfragen zu
       machen, stößt potenzielle Verbündete vor den Kopf und zieht am Ende den
       Kürzeren.
       
       Nach sieben Monaten im Amt sollte Merz gelernt haben, dass sich die Welt
       nicht als Wille und Vorstellung formt. Auch im Falle der eingefrorenen
       russischen Vermögen wäre es klüger gewesen, erst klandestin zu verhandeln,
       um dann ein Ergebnis zu präsentieren, als forsch ein Ziel vorzugeben,
       welches in aller Öffentlichkeit wegverhandelt wird.
       
       Dass es der EU trotz der Absolutheit Deutschlands und der Blockade von drei
       Višegrad-Staaten gelungen ist, einen Weg zu finden, der das Überleben der
       Ukraine in den kommenden Monaten sichert, ist erstmal gut. Es ist eine
       notwendiger, aber kein hinreichender Faktor auf dem Weg zum
       Waffenstillstand. Die EU hat sich und der Ukraine nun Zeit verschafft.
       
       Die 90 Milliarden, die die Ukraine erhalten soll, werden nicht, wie
       Kritiker meinen, gebraucht, um den Krieg zu verlängern, sondern um Russland
       zu einem einigermaßen fairen Frieden zu zwingen. Aber es reicht nicht, der
       Ukraine Geld und Waffen zuzuschieben und darauf zu hoffen, dass sich das
       Blatt auf dem Schlachtfeld wendet oder Putin die Puste ausgeht. Es braucht
       mehr wirtschaftlichen, diplomatischen und finanziellen Druck, damit der
       russische Präsident [8][seine Ambitionen auf die in seinen Augen
       „historischen Gebiete“] aufgibt.
       
       Europa muss die Atempause nutzen, um eine eigene Strategie zu entwickeln,
       einen europäischen 28-Punkte-Plan. Die USA sind wichtig als Verbündete,
       aber keine verlässlichen Partner mehr. Wären die Europäer aus diesem Gipfel
       zerstritten herausgegangen, hätten Donald Trump und seine Maga-Leute sich
       vermutlich abgeklatscht. Die Zerstörung der EU ist schließlich ihr Ziel.
       
       Es gilt also andere Partner zu gewinnen, vor allem im Globalen Süden:
       Indien, Brasilien, Südafrika und China. Dabei ist deutsche Initiative
       gefragt, gepaart mit Fingerspitzengefühl.
       
       Im Januar besucht Friedrich Merz den indischen Premierminister Narendra
       Modi. Der zeigt sich immer häufiger an der Seite Putins und [9][hat zuletzt
       die Beziehungen seines Landes zu Russland vertieft]. Gleichzeitig verbindet
       Deutschland und Indien eine strategische Partnerschaft.
       
       Über den Jahreswechsel kann Merz sich überlegen, wie er Modi wieder auf
       seine Seite zieht. Der politische Preis wird hoch sein, eine nette
       Bemerkung über [10][Vadnagar, Modis Geburtsstadt], reicht wohl nicht aus.
       Klar ist jedoch: Mit Druck und Ultimaten kommt Merz nicht weiter. Weder
       außen- noch innenpolitisch.
       
       19 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /EU-Gipfel/!6139898
 (DIR) [2] /EU-Gipfel-in-Bruessel/!6139539
 (DIR) [3] /Bundeskanzler-vor-EU-Gipfel/!6139321
 (DIR) [4] /EU-Gipfel-vor-Weihnachten/!6138844
 (DIR) [5] /Wirtschaftsbeziehungen-mit-Suedamerika/!6139897
 (DIR) [6] /Merz-und-die-AfD/!6062183
 (DIR) [7] /Bundestag-stimmt-gegen-Unionsantrag/!6066473
 (DIR) [8] /Krieg-in-der-Ostukraine/!6125299
 (DIR) [9] /Geopolitik-und-Waffendeals/!6135673
 (DIR) [10] /Hindu-Nationalist-Narendra-Modi/!5042611/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Europäische Union
 (DIR) Kanzler Merz
 (DIR) Friedrich Merz
 (DIR) GNS
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) EU-Gipfel
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Vermögen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Zerstörte Infrastruktur in der Ukraine: Das elektrische Herz
       
       Russische Drohnen haben in Odessa ein Umspannwerk zerstört, 130.000 waren
       ohne Strom. Was es bedeutet, im Krieg die Infrastruktur am Laufen zu
       halten.
       
 (DIR) Ukraine-Gespräche in Florida: Europa ist egal
       
       Die Gipfeltreffen in Europa in der vergangenen Woche sind schon Geschichte.
       Jetzt kann Russland wieder mit ahnungslosen US-Amerikanern „verhandeln“.
       
 (DIR) Infrastruktur in der Ukraine: Zehn Stunden Strom am Tag
       
       Der Ukraine steht ein schwieriger Winter bevor. Russland versucht, die
       Stromversorgung des Landes in zwei Teile zu spalten.
       
 (DIR) EU-Gipfel sichert Geld zu: Ukraine bekommt 90 Milliarden – Moskau spottet
       
       Die EU hat die Finanzierung der Ukraine gesichert – wenn auch nicht nach
       dem „Modell Merz“. Eine andere wichtige Entscheidung steht noch aus.
       
 (DIR) EU-Gipfel in Brüssel: Rubel und Skrupel
       
       Beim EU-Gipfel soll entschieden werden, ob russisches Geld für die Ukraine
       genutzt werden kann. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
       
 (DIR) Russische Vermögen und Ukrainekrieg: Beim EU-Gipfel könnte es knallen
       
       Die einen wollen russisches Geld der Ukraine zur Verfügung stellen, andere
       Länder wie Belgien oder Malta stellen sich quer. Was die Gegner befürchten.