# taz.de -- Popjournalismus der 1980er: An der Oberfläche kratzen
       
       > Ein Faksimile-Band erinnert an das Magazin „Elaste“, das 1980 in Hannover
       > entstand. Thema ist es auch in Erika Thomallas Oral History zum
       > Popjournalismus.
       
 (IMG) Bild: Vielleicht war die Vergangenheit ein bisschen flexibler. Nur die Mauer, die war’s nicht
       
       Ausgabe Nummer 3 des Pop-Magazins Elaste, erschienen im Jahr 1981. Auf dem
       Cover: Andy Warhol, wie er sich gerade einen Löffel mit chinesischem Essen
       in den Mund schiebt. 1981, als Andy Warhol für seine erste große
       Retrospektive in Deutschland in die [1][Kestner Gesellschaft] nach Hannover
       reiste, war die erste Ausgabe von Elaste gerade draußen, die zweite befand
       sich im Druck. Und weil Michael Reinboth, Thomas Elsner und Christian
       Wegner ihr Magazin ausgerechnet dort und nicht etwa in Hamburg, München
       oder Westberlin gegründet hatten und noch dazu große Fans des „King of Pop
       Art“ waren, ließen sie sich etwas einfallen, denn natürlich sollte dieser
       für Elaste interviewt werden.
       
       Wie sie es anstellten, ihr Idol tatsächlich zu treffen, ist in einer
       Veröffentlichung über die sechsjährige Publikationsgeschichte von Elaste
       nachzulesen, die Reinboth und Elsner kürzlich herausbrachten. Ein 560
       Seiten schweres Buch, in dem begleitende Texte, Fotos und viele
       Originalseiten abgedruckt sind.
       
       Am Tag bevor Warhol anreisen sollte, hatten sie ihren Plan ausgeheckt:
       Begleitet von „Sidekick Andreas Bolle“, der offenbar noch unerschrockener
       war als die drei Magazingründer selbst, wollten sie den Künstler am
       Flughafen abfangen.
       
       ## Familienpackung Erdnüsse
       
       Möglich war das, weil es eben Hannover war. Nur ein Flugzeug aus Frankfurt
       stand an jenem Datum auf dem Flugplan. Sie lauerten Warhol mit Geschenken
       auf, um ihn nicht gleich zu verschrecken: Eine Familienpackung
       Ültje-Erdnüsse hatten sie besorgt und natürlich eine Ausgabe von Elaste.
       Der Plan ging auf. Die Geschenke wurden überreicht, freundliche Worte
       ausgetauscht, Warhol fand Gefallen am Heft, später traf er sich mit den
       Machern wieder, erst im Hotel, dann beim Chinesen.
       
       „Wahrscheinlich wäre das in einer Großstadt so nicht möglich gewesen“, gibt
       Michael Reinboth zu, der heute in München das [2][Label Compost Records]
       betreibt, im Gespräch mit der taz. Vorteil Hannover. Wenn sie es wollten,
       hätten sie es immer geschafft, backstage zu kommen, ergänzt Thomas Elsner,
       der heute noch, ebenfalls in München, als Artdirector arbeitet.
       
       Es lag eben auch an ihnen selbst, an Elsner, Reinboth und den anderen
       Beteiligten von Elaste. An der Haltung, mit der sie durchzogen, worauf sie
       Lust hatten, ohne groß nachzudenken oder irgendwo anzufragen, ohne Scheu
       und oft auch ohne Konzept.
       
       Was bei Warhol gelang, klappte auch bei den [3][Rolling Stones] und
       ungezählten anderen Musiker:innen und Künstler:innen. Auch weil sie,
       wie sie behaupten, so cool aussahen, als wären sie selbst eine Band. Schaut
       man die Bilder im Buch an, kann man es sich vorstellen.
       
       ## Kunst, Design, Headshop
       
       Elaste war ein Magazin, wie es in Westdeutschland damals noch keines gab.
       Entwickelt, geschrieben, gestaltet von drei Typen, die sich aus dem
       Nachtleben von Hannover kannten. Elsner studierte gerade noch an der
       Hochschule für Kunst und Design in Hannover. Christian Wegner wollte
       Fotograf werden, Reinboth betrieb einen Headshop namens „Dr. Luxus“ und
       verfasste – wie es Elsner im Vorwort beschreibt – „dadaistisch-lyrische
       Texte“.
       
       Elaste zu gründen, war keine Schnaps-, sondern eine Gin-Tonic-Idee. Die
       drei trieben über Anzeigen etwas Geld zusammen und legten los, machten ein
       Magazin, das primär sie selbst interessierte. Keines dieser zweifarbigen
       Punk-Fanzines aus dem Copyshop, Elaste war zwar DIY, sollte aber glamourös
       wirken, mit shiny Oberfläche, und an ebenjener kratzen, ein Heft über
       Musik, New Wave vor allem, Mode, Kunst, Gesellschaft und Gossip. Einen
       Verlag im Hintergrund gab es nie, so etwas wie einen Businessplan erst
       recht nicht.
       
       In London gab es schon Magazine wie i-D, dann The Face. Im
       deutschsprachigen Raum waren vergleichbare Publikationen zunächst weniger
       wie Elaste auf den Rundumschlag, den Zeitgeist an sich aus. Eher
       konzentrierten sie sich auf Mode oder auf Popmusik, waren politischer oder
       auch intellektueller.
       
       Es lag etwas in der Luft. „Ein neuer Sound war Ende der 1970er Jahre
       aufgekommen“, so schreibt es Erika Thomalla, im Vorwort ihres
       Interviewbandes „Gegenwart machen. Eine Oral History des Popjournalismus“,
       in dem sie ebenden zum Untersuchungsgegenstand macht.
       
       Für ihr Werk lässt sie die Magazinmacher:innen von damals zu Wort
       kommen. Collagiert Eindrücke, Erinnerungen, Anekdoten aus an die 100
       Interviews zusammen. Elsner und Reinboth von Elaste mit unter anderem
       Thomas Meinecke und Michaela Melián von Mode und Verzweiflung. Aber auch um
       Tempo und Wiener geht es, um Sounds und Spex, um Titanic, SZ- und
       Jetzt-Magazin und weitere Medien, die mit „der Brille des Pop, also mit
       einem Fokus auf Ästhetik und Oberfläche“, auf die Dinge blickten. Schade
       nur, dass die Nabelschau den kritischen Blick auf die Formate verhindert,
       die sich in der Mainstreamversion zunehmend in banalen Konsumthemen und
       Eitelkeiten verloren.
       
       Bei Elaste war der Name, für den ein Transparent auf der Transitstrecke
       nach Berlin Pate stand, Programm. Elastisch, immer anders sollte das
       Magazin sein – „Die ELASTE von heute ist nicht die ELASTE von morgen“. Das
       blieb auch so, als sie 1982 nach München zogen. Neue Mitarbeiter:innen
       kamen hinzu. Ian Moorse und Christopher Roth wurden Chefredakteure.
       Giovanni di Lorenzo schrieb für Elaste, Maxim Biller, [4][Thomas Meinecke],
       [5][Kid P.], Steffen Seibert, Diedrich Diederichsen.
       
       Im Elaste-Buch kann man deren Texte nachlesen. Oder sich eine frühe
       Fotostrecke von Ellen von Unwerth ansehen. Ein gewisser [6][Juergen Teller]
       hätte sich auch noch in der Redaktion vorstellen sollen, so erzählt es
       Reinboth. Dazu kam es nicht mehr, Elaste wurde vorher schon eingestellt. Im
       Sommer 1986 erschien die 16. und letzte Ausgabe.
       
       Das ist das Buch eben vor allem: ein Zeitdokument. Ein ausschnitthafter
       Blick ins szenige Westdeutschland der frühen 1980er. Eines, zu dem offenbar
       und nicht nur bei Elaste vor allem Männer etwas zu sagen hatten. Dass
       insbesondere der damalige Musikjournalismus eine Männerdomäne war,
       bestreiten Elsner und Reinboth nicht. Und eines, bei dem zumindest im Fall
       von Elaste Professionalität ein bisschen egal oder gar nicht erst erwünscht
       war. Die Hefte erschienen mit Verspätung. Elaste warf nie Gewinn ab. Am
       Schluss ging es nicht auf. Vielleicht musste Elaste früher oder später
       scheitern.
       
       ## Schnell erwachsen
       
       Elsner schreibt im Vorwort, im Nachhinein sei es völlig klar, warum sie
       nach sechs Jahren und 13 Ausgaben aufgehört hatten: „Wir hatten uns
       verändert. Und das Heft hatte sich verändert, weil es sich nicht mehr
       veränderte: Die Experimente fehlten, wir erfanden uns nicht mehr mit jeder
       Ausgabe neu, ELASTE war seltsam konstant, verlässlich und professionell
       geworden. ‚Erwachsen‘. Ein richtiges Magazin.“ Gruner & Jahr hatte ihnen
       damals ein Angebot gemacht. Auch andere Verlage hatten Interesse gezeigt.
       Am Ende lehnten sie ab. Einfach zu cool seien sie gewesen, ihr Machwerk aus
       der Hand zu geben.
       
       Müßig ist es, sich heute, fast vier Jahrzehnte später, zu überlegen, was
       passiert wäre, hätten sie sich darauf eingelassen. Womöglich, so mutmaßen
       die beiden, hätte es dann [7][Tempo] nie gegeben. Und dann? Auch Tempo
       überlebte nur ein paar Jahre.
       
       Wo erscheinen heute noch solche Texte? Interviews wie das aus der ersten
       Ausgabe über einen Besuch in der mit Notizzetteln, Zeitschriften,
       Kunstobjekten vollgestopften Büroetagen-Wohnung des Totalkünstlers [8][Timm
       Ulrichs]. Fragen, so behaupten Elsner und Reinboth es heute, hatten sie
       dafür nie vorbereitet. Das funktioniert oft, manchmal auch nicht, ist da
       dann aber auch ein bisschen egal. Viel Gelaber ist dabei, das heute zu
       lesen ein wenig wehmütig stimmt, Szeneklatsch über irgendwelche Leute,
       Songtexte, Gaga-Fragebögen. Der Platz dafür fehlt heute. Vielleicht auch,
       weil sich kaum noch jemand hinsetzt und ein Magazin durchblättert. Für das
       Buch aber zumindest sollte man sich die Zeit nehmen.
       
       17 Dec 2025
       
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