# taz.de -- BSW-Bundesparteitag in Magdeburg: Bündnis Sahras Wutbürger
       
       > Auf dem Bundesparteitag der Wagenknecht-Partei wird ständig von Aufbruch
       > gesprochen. Über Strecken wirkt es eher, als stünden die Zeichen auf
       > Abbruch.
       
 (IMG) Bild: Als Nachfolger von Sahra Wagenknecht steht nun Fabio De Masi an der Seite von Amira Mohamed Ali dem BSW vor
       
       Krieg und Aufrüstung, Sanktionen gegen Russland und CO₂-Abgaben, Zoll- und
       Sozialpolitik: Für den neuen BSW-Vorsitzenden Fabio De Masi ist alles
       Irrsinn. Oder Wahnsinn. Oder verrückt. Gefühlt in jedem dritten Satz seiner
       Antrittsrede auf dem BSW-Bundesparteitag in Magdeburg brachte De Masi am
       Sonntag eines der entsprechenden Wörter unter.
       
       Am Abend zuvor war der EU-Abgeordnete zum Nachfolger von Parteigründerin
       Sahra Wagenknecht gewählt worden. Gemeinsam mit der alten und neuen
       Co-Chefin Amira Mohamed Ali steht der 45-Jährige nun an der Spitze einer
       Partei, die inzwischen nach eigenen Angaben zwar über 11.200 Mitglieder
       hat, zugleich aber in einer tiefen Identitätskrise steckt. Einer Partei,
       über die selbst prominente Delegierte hinter vorgehaltener Hand sagen, sie
       ähnele angesichts der [1][Grabenkämpfe in mehreren Landesverbänden] eher
       einer durchgeknallten Sekte.
       
       Bei Fabio De Masi klang das dann so: „Alle, die gedacht haben, das BSW ist
       tot, die haben sich zu früh gefreut. Das BSW lebt.“ Die Partei erlebe einen
       Aufbruch, auch so ein Wort, das ständig gebraucht wurde. Die Krise – die
       ist bei ihm immer woanders.
       
       In seiner Rede gerierte er sich eine geschlagene Stunde als Wutbürgers
       atemlose Stimme. Parole folgte auf Parole. Die Brandmauer gegen die AfD in
       den Parlamenten sei „doch plemplem“, Deutschland werde „das erste Opfer
       einer nuklearen Eskalation“ sein, die Polen wollten „die
       Nord-Stream-Terroristen“ nicht ausliefern: „Ja, wo leben wir denn, liebe
       Freundinnen und Freunde?“, rief De Masi den rund 660 Delegierten zu.
       
       Der [2][Parteitag in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt] stellt eine
       Zäsur in der Geschichte des erst vor gut zwei Jahren gegründeten BSW dar.
       Denn den „lieben Freundinnen und Freunden“ ist am Samstag Sahra Wagenknecht
       als Parteivorsitzende abhandengekommen. Künftig will sie sich nicht mehr
       mit dem lästigen Klein-Klein des „Parteimanagements“ herumschlagen. Als
       Chefin einer, so Wagenknecht, „hochkompetenten Grundwertekommission“
       kümmert sie sich nun um die großen politischen Linien des BSW.
       
       ## Wagenknechts Wunsch ist weiter Gesetz
       
       Der neue Posten wurde auf ausdrücklichen Wunsch der Parteikapitänin
       geschaffen. Und Wagenknechts Wunsch war und ist Gesetz im BSW. Die
       Ex-Bundestagsabgeordnete bleibt ohnehin die unangefochtene Lichtgestalt für
       die Partei. Keine andere Rede wurde an den zwei Tagen in der Magdeburger
       Messehalle derart frenetisch bejubelt wie die der neuen Vorsitzenden der
       Grundwertekommission, auch nicht die von De Masi.
       
       So ging auch das unter ihrer Ägide vorher ausgesuchte Personaltableau für
       das neue Präsidium mit den beiden Vorsitzenden und sieben
       Stellvertreter:innen beim Parteitag komplett durch. Fabio De Masi
       bekam 93 Prozent der Delegiertenstimmen, für Amira Mohamed Ali votierten 83
       Prozent mit Ja. Auch der neue Generalsekretär Oliver Ruhnert, Ex-Manager
       des Fußballbundesligisten 1. FC Union Berlin, wurde mit 93 Prozent gewählt.
       
       Und noch etwas hält das BSW weiter zusammen: das Thema Frieden mit
       Russland. Auch wenn Wagenknecht erklärte, das BSW habe mehr als das
       Friedensthema zu bieten. Kaum ein Redebeitrag kam in Magdeburg aus ohne
       Friedensbeschwörungen, mal gemäßigter und differenziert, mal an der Grenze
       des Erträglichen. Letzteres bot am Sonntag die ehemalige
       Bundestagsabgeordnete und Wagenknecht-Vertraute Sevim Dağdelen.
       
       Vehement wetterte sie in ihrer Bewerbungsrede für den BSW-Bundesvorstand
       gegen die angeblich „Kriegsbesoffenen“ in den anderen Parteien. CDU-Kanzler
       Friedrich Merz sei „ein gefährlicher Gernegroß“ und „unheimlicher Lakai an
       der Seite der USA“. Auch lasse sich das BSW „nicht dumm machen“ von der
       „Propaganda“, von Russland gehe eine militärische Gefahr aus. Sie stehe für
       „ein souveränes und ein neutrales Deutschland“, rief Dağdelen. Der
       übergroßen Mehrheit der Delegierten sprach sie mit ihrer überdrehten
       Rhetorik offenkundig aus dem Herzen. Sie wurde ausführlich gefeiert.
       
       ## Angriffe auf offener Bühne
       
       Kritiker:innen der offiziellen Parteilinie jenseits der
       Friedensthematik hatten einen schweren Stand. Etliche Delegierte arbeiteten
       sich vor allem an den Kolleg:innen aus Thüringen und Brandenburg ab, die
       in Koalitionen mit „Kriegstreiberparteien“ mitregierten.
       
       Auch Wagenknecht keilte mit und verteilte Kopfnoten für die
       BSW-Minister:innen. Brandenburgs Gesundheitsministerin etwa würde ihre
       Sache doch ganz gut machen, aber dass Finanzminister Robert Crumbach in der
       Potsdamer Regierung für die Medienstaatsverträge gestimmt habe, das gehe
       gar nicht, so Wagenknecht.
       
       Zu Thüringen sagte sie, wenn sich das BSW von einer „Zwergpartei wie der
       Thüringer SPD und ihrem verhaltensauffälligen Innenminister, wenn wir uns
       von denen die Butter vom Brot nehmen lassen, dann werden wir Wähler
       enttäuschen. Und das sollten wir so nicht weitermachen“. Der Saal tobte.
       Die Mehrheitsverhältnisse waren klar. Thüringen, Brandenburg – das gilt als
       Verrat.
       
       Katja Wolf will sich trotzdem nicht entmutigen lassen. Thüringens
       Finanzministerin vom BSW-Pragmatiker:innenflügel hat in der Vergangenheit
       mehrfach klargemacht, dass sie sich von der Parteizentrale in Berlin nichts
       vorschreiben lässt. Bei Wagenknecht und ihrer autoritären Entourage steht
       sie folglich auf der Abschussliste. Auf dem Parteitag ließ sie die
       wiederkehrenden Diskreditierungen ohne offene Gegenrede über sich ergehen.
       
       Von einer Krise des BSW wollte Wolf gleichwohl nicht sprechen. „Aber es
       wird hier in Magdeburg schon deutlich, dass die Partei innerlich
       miteinander kämpft.“ Und, ja, eine „etwas vergiftete Atmosphäre“ sei leider
       unübersehbar und überhörbar, sagte sie zur taz.
       
       ## Knackpunkt Ostquote
       
       Die Thüringer BSW-Spitze hatte, [3][ebenso wie der Brandenburger Crumbach],
       im Vorfeld des Parteitreffens dafür getrommelt, dass im neuen Vorstand auch
       Ostdeutsche hinreichend repräsentiert sind. Dies umso mehr, als im
       kommenden Jahr in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gleich
       drei Wahlen im Osten Deutschlands anstehen. In allen drei Ländern dümpelt
       die Partei an der 5-Prozent-Hürde herum. Vergeigt sie es hier, droht das
       BSW in der kompletten Bedeutungslosigkeit zu versinken.
       
       Die Parteigranden interessierten sich jedoch wenig für die Argumente der
       Ostquotenfraktion. Zuletzt wurde mit der neuen Bundesschatzmeisterin zwar
       noch eine BSW-Politikerin aus Sachsen in den Vorstand geschoben. Alle
       anderen in der Parteiführung aber kommen aus dem Westen. „Wir sind in den
       Landtagswahlkampf gezogen mit der Forderung 50:50 bei Führungspositionen“,
       kommentierte Wolf das Personaltableau. „Da wäre es schon schön, wenn das
       BSW diesen Anspruch auch an sich selbst hätte.“
       
       Dennoch versuchte Wolf in Magdeburg, nach vorn zu schauen. „Es kann auch
       sein, dass der Impuls von diesem Parteitag hier auch positiv wirkt und man
       mit neuem Schwung in die neuen Wahlkämpfe geht“, sagte sie. Neben einer
       neuen Führung hat sich das BSW am Wochenende schließlich auch einen neuen
       Namen zugelegt.
       
       ## Weniger Personenkult wagen – zumindest nach außen
       
       Das Bündnis Sahra Wagenknecht will künftig nach außen etwas weniger
       Personenkult wagen. Deswegen wird es demnächst nicht mehr den Namen der
       Parteigründerin tragen. Künftig heißt es Bündnis Soziale Gerechtigkeit und
       Wirtschaftliche Vernunft. Das Kürzel BSW bleibt erhalten. So hat es sich
       Wagenknecht gewünscht. Also wurde es auch so beschlossen.
       
       Mit einer kleinen Manöverkorrektur: Eigentlich sollte die Namensänderung
       schon im Frühjahr kommenden Jahres wirksam werden. Nun hat sich der
       Parteitag dafür ausgesprochen, die Umbenennung in den Herbst zu
       verschieben, wenn die Ostwahlen gelaufen sind.
       
       Wagenknecht versprach auf dem Parteitag: „Nein, ich ziehe mich nicht
       zurück.“ Und: „Mit mir werden sie in der deutschen Politik noch lange
       rechnen müssen.“ Die Delegierten brachen daraufhin in Jubel aus. Zur
       Wahrheit gehört indes, dass die von ihren Anhänger:innen so
       schwärmerisch Angehimmelte in der Vergangenheit nicht immer ganz felsenfest
       zu ihren Aussagen stand.
       
       Auch bei ihrem Rückzug aus der sogenannten Sammlungsbewegung „Aufstehen“
       2019 hatte sie erklärt, sie werde „weiterhin am Erfolg von Aufstehen
       mitarbeiten“. Wenige Monate darauf verschwand der im Jahr zuvor von
       Wagenknecht initiierte Versuch, die querfrontigen Gelbwesten aus Frankreich
       zu kopieren, sang- und klanglos in der Versenkung.
       
       7 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Machtkampf-im-BSW-Sachsen-Anhalt/!6132908
 (DIR) [2] /Parteitag-des-Buendnis-Sahra-Wagenknecht/!6134892
 (DIR) [3] /Nachfolge-von-Sahra-Wagenknecht/!6134887
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rainer Rutz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) BSW
 (DIR) Sahra Wagenknecht
 (DIR) Fabio de Masi
 (DIR) Amira Mohamed Ali
 (DIR) Brombeer-Koalition
 (DIR) GNS
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) BSW
 (DIR) BSW
 (DIR) BSW
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Parteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht: Abgang auf Raten
       
       Das BSW gibt sich einen neuen Namen und eine neue Parteispitze. Ansonsten
       knirscht es aber. Zusammengehalten wird der Laden vom Kult um Sahra
       Wagenknecht.
       
 (DIR) Wahlausschuss gegen Neuauszählung: Demokraten sollte das Schicksal des BSW nicht egal sein
       
       Die Wagenknecht-Partei hat Probleme des Wahlrechts aufgezeigt. Was nun aus
       der Partei und ihren Wählern wird, sollte auch ihre Gegner interessieren.
       
 (DIR) Machtkampf im BSW Sachsen-Anhalt: Kriegsstimmung unter Friedensfreunden
       
       Nach dem Krawall in Brandenburg demoliert sich das BSW nun auch in
       Sachsen-Anhalt. Am Samstag soll fast der komplette Landesvorstand abgesetzt
       werden.