# taz.de -- Machtkampf im BSW Sachsen-Anhalt: Kriegsstimmung unter Friedensfreunden
       
       > Nach dem Krawall in Brandenburg demoliert sich das BSW nun auch in
       > Sachsen-Anhalt. Am Samstag soll fast der komplette Landesvorstand
       > abgesetzt werden.
       
 (IMG) Bild: „Klima der Einschüchterung und Ausgrenzung“: Im BSW Sachsen-Anhalt kracht es gewaltig
       
       Schlimmer geht immer, lautet derzeit das Motto beim Bündnis Sahra
       Wagenknecht. Als würden die [1][Verwerfungen in der BSW-Landtagsfraktion in
       Brandenburg] nicht bundesweit genug Schlagzeilen machen, wird im
       benachbarten Sachsen-Anhalt gleich zum nächsten Showdown geblasen: Neun
       Monate vor der Landtagswahl sollen fast alle Köpfe rollen im
       Landesvorstand.
       
       Ein kurzfristig für diesen Samstag anberaumter Sonderparteitag hat im
       Grunde nur einen Tagesordnungspunkt: die Absetzung von fünf Mitgliedern des
       achtköpfigen Vorstands, allesamt [2][Kritiker:innen der beiden
       Landesvorsitzenden John Lucas Dittrich und Thomas Schulze]. Nur Dittrich,
       Schulze und ein ihnen gegenüber loyaler Beisitzer sollen am Ende des Tages
       im Amt verbleiben. Der Rest wird neu bestimmt. Es herrscht Kriegsstimmung
       in der selbst ernannten Friedenspartei BSW.
       
       „So etwas habe ich noch nicht erlebt, und ich war über 20 Jahren in der
       Linken und habe dort viel erlebt“, sagt Landesgeschäftsführerin Katja
       Wendland im Gespräch mit der taz. Auch sie steht auf der Abschussliste.
       Dittrich und Schulze, so ihr Vorwurf, könnten andere Meinungen nicht
       aushalten, erst recht keine Kritik: „Die wollen, dass wir alles, was von
       oben kommt, einfach abnicken. Dafür bin ich 2024 nicht ins BSW
       eingetreten.“
       
       Die Auseinandersetzungen im Vorstand des aktuell rund 550 Mitglieder
       zählenden Landesverbands ziehen sich bereits seit Monaten hin. Schon Anfang
       August hätten Dittrich und Schulze der 5er-Gruppe mitgeteilt, „dass sie
       nicht mehr mit uns zusammenarbeiten wollen“. Die Chefs hätten dann auch gar
       nicht mehr zu Sitzungen eingeladen, sagt Katja Wendland.
       
       Alles Blödsinn, sagt hingegen der erst 21-jährige Landesvorsitzende John
       Lucas Dittrich zur taz. Vielmehr hätten die fünf selbst angefangen,
       Vorstandssitzungen „unter sich abzuhalten“ und alle anderen nicht mehr
       zuzulassen. Was stimmt? Unklar.
       
       ## Rundumschlag auf 15 Seiten
       
       Sicher ist: Spätestens ein vor gut einem Monat von Wendland und den anderen
       Kritiker:innen aufgesetztes Schreiben, das auch an den
       BSW-Bundesvorstand ging, brachte das Fass zum Überlaufen. Es ist ein
       15-seitiger Rundumschlag mit Vorwürfen gegen Dittrich und Schulze. Hierin
       heißt es, den BSW-Chefs fehle „eine ganze Reihe grundlegender
       Eigenschaften, die für jede Führungsrolle unerlässlich sind“, als da wären
       Verantwortungsbewusstsein, Konflikt-, Kommunikations-, Kompromiss- und eben
       Kritikfähigkeit.
       
       Die Rede ist von „Clan-Denken“ und einem „Klima der Einschüchterung und
       Ausgrenzung“. Zugleich geht es um vermeintliches Klein-Klein wie die
       Anschaffung von Kugelschreibern oder Unstimmigkeiten im Bericht der
       Mandatsprüfungskommission beim letzten Landesparteitag im Juni. Eine
       Warnung seitens der Gruppe gibt es obendrauf: Man werde sie „ganz sicher
       nicht zum Schweigen bringen, wenn es um Wahrheit und Verantwortung geht“.
       
       John Lucas Dittrich nennt das Schreiben „völlig wirr“, „selbstbezeichnend“
       und voll „mit übelsten Beleidigungen“. Dass sich die 5er-Gruppe jetzt
       entrüstet zeigt und über mangelnde Kommunikation klagt, sei albern, sagt
       Dietrich. „Die Fünf müssen wohl noch lernen, dass eine Partei keine
       Selbstfindungsgruppe ist, sondern für politische Positionen gewählt wird.
       Mit dem Brief sagen sie am meisten über sich selbst aus.“
       
       Auf das Schreiben folgte zwar noch ein Mediationsverfahren der verfeindeten
       Lager. Gebracht hat es nichts: Wenige Tage nach Abschluss des Verfahrens
       beantragten drei „entschlossen hinter unseren Vorsitzenden“ stehende
       Kreisverbände aus dem Norden und Westen des Bundeslandes den
       Sonderparteitag.
       
       ## Umgang mit der AfD
       
       Das sei auch richtig so, findet Parteichef John Lucas Dittrich. „Der
       Konflikt muss vom Tisch. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken
       ohne Ende.“ Denn besagter Schrecken drehe sich mitnichten nur um
       Befindlichkeiten und Kugelschreiber. „Es ist ein politischer Konflikt“,
       sagt Dittrich.
       
       Weit auseinander läge man insbesondere in der Frage, wie das BSW nach der
       Wahl im September 2026 mit der AfD umgehen soll. Ob man sich [3][wie in
       Thüringen an einer Koalition mit CDU und SPD beteiligen sollte], um eine
       AfD-Regierung zu verhindern, oder in die Opposition geht, egal wer regiert.
       
       Tatsächlich sehen die Umfragen für Sachsen-Anhalt düster aus. [4][Die AfD
       liegt aktuell bei 40 Prozent], weit dahinter folgt mit 26 Prozent die
       regierende CDU, noch weiter dahinter die Linke mit 11 Prozent. Erst dann
       kommen die mitregierende SPD und das BSW mit jeweils 6 Prozent. Alle
       anderen Parteien spielen derzeit keine Rolle. Die AfD-Frage ist also alles
       andere als banal.
       
       Für den Fall, dass es das BSW überhaupt in den Landtag schafft, hält es der
       Landesvorsitzende Dittrich mit Sahra Wagenknecht und der BSW-Bundesspitze:
       „Wir dürfen nicht die gleichen Fehler machen, die schon einmal gemacht
       wurden.“ Für Koalitionen, „deren einziger gemeinsamer Nenner ist, die AfD
       von der Macht fernzuhalten“, stünde die Partei „nicht mehr zur Verfügung“.
       Und er nehme nun mal wahr, dass die 5er-Gruppe sich im MDR öffentlich für
       [5][den sogenannten Thüringer Weg] ausgesprochen habe.
       
       ## Aussage gegen Aussage
       
       „Das ist eine Unterstellung“, sagt Noch-Landesgeschäftsführerin Katja
       Wendland. Es stimme zwar, dass einer der „Rebellen“ die Beteiligung an
       einer Anti-AfD-Koalition in einem MDR-Interview nicht ausschließen wollte.
       Das sei aber dessen Einzelmeinung und legitim, so Wendland: „Wir anderen
       sagen deutlich: Wir können und wollen keine Koalition mit den
       Kriegstreiberparteien CDU und SPD.“ Die Landesvorsitzenden wüssten das
       genau. „Aber das passt nicht in ihre Agenda.“ Erneut steht Aussage gegen
       Aussage.
       
       Klein beigeben will Wendland nicht: „Ich bin eh schon Persona non grata.“
       Anfang vergangener Woche reichten vier Kreisverbände aus dem Süden und
       Osten – darunter der von Wendland – einen Antrag ein, um zwei Wochen nach
       dem Sonderparteitag bereits den nächsten Sonderparteitag durchzuführen.
       
       Hier sollten dann alle Personalentscheidungen des vorangegangenen
       Parteitags rückgängig gemacht und die beiden Vorsitzenden abgewählt werden.
       Was zeigt, dass auch die Mitglieder der 5er-Gruppe davon ausgehen, dass sie
       an diesem Samstag geschasst werden. Warum zwei Wochen später auf einem
       nächsten Treffen andere Mehrheitsverhältnisse herrschen sollten, bleibt
       freilich ihr Geheimnis. Die Chancen, dass es überhaupt zu diesem
       Sondersonderparteitag kommt, stehen ohnehin mittelprächtig. „Das wird
       rechtlich momentan geprüft“, sagt Parteichef Dittrich.
       
       Für das Bundes-BSW kommen die Machtkämpfe zu einem denkbar ungünstigen
       Zeitpunkt. Nur eine Woche nach Sonderparteitag Nummer 1 und eine Woche vor
       dem potenziellen Sonderparteitag Nummer 2 [6][kommt das BSW zum
       Bundesparteitag zusammen, um sich ordentlich selbst zu feiern und nebenbei
       in Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft
       umzubenennen]. Das Treffen findet in Magdeburg statt, der Landeshauptstadt
       von Sachsen-Anhalt – ausgerechnet.
       
       26 Nov 2025
       
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