# taz.de -- Kritik an ARD-Israel-Korrespondentin: Was wir schützen müssen
       
       > Sophie von der Tann erhält für ihre Nahostberichterstattung den
       > Friedrichs-Preis und erfährt nun schärfste Kritik. Ein Angriff auf die
       > Pressefreiheit.
       
 (IMG) Bild: Sophie von der Tann, Korrespondentin im ARD-Studio Tel Aviv, berichtet live aus Sderot (Archivfoto von 2023)
       
       Sucht man dieser Tage nach [1][Sophie von der Tann], landet man mitten in
       der deutschen Nahost-Debatte. Ihre Arbeit als ARD-Korrespondentin in Tel
       Aviv, bekannt für sorgfältige Einordnung und transparente Quellen, ist
       erneut politischer Spielball. Auslöser ist die geplante Verleihung des
       Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises am 4. Dezember.
       
       Während die [2][FAZ die Entscheidung ein „fatales Zeichen“ nennt] und die
       [3][Jüdische Allgemeine sie als „grundfalsch“ und „aberwitzig“ kritisiert],
       [4][warnt Reporter ohne Grenzen vor „Einschüchterungsversuchen“]. Nachdem
       der Pressesprecher der israelischen Streitkräfte, Arye Shalicar, sie als
       „das Gesicht vom neudeutschen Juden- und Israelhass“ bezeichnete, ist klar:
       Hier geht es weniger um journalistische Qualität als um ein aufgeheiztes
       Klima.
       
       Zwölf Initiativen fordern laut FAZ sogar eine „externe Untersuchung“ ihrer
       Arbeit. Konkreter Gegenstand der anhaltenden Kritik an ihrer Person ist
       etwa, dass sie im Juli dieses Jahres einen [5][New-York-Times-Artikel des
       Genozidforschers Omer Bartov] geteilt hatte, der Israel des Völkermords
       beschuldigt. Zudem soll sie laut Welt in einem Hintergrundgespräch darauf
       verwiesen haben, dass der 7. Oktober eine „Vorgeschichte“ habe.
       
       Das Gesamtbild ihrer Berichterstattung und auch der Inhalte ihrer
       Social-Media-Kanäle zeichnet allerdings ein anderes Bild, als es ihr FAZ,
       Welt oder die israelische Botschaft nun vorwerfen wollen. Von der Tann
       berichtet bereits seit 2021 aus Israel, spricht mehrere Sprachen, arbeitet
       mit vielen Quellen und macht transparent, was verifizierbar ist – und was
       nicht.
       
       ## Kein Krieg ohne Polarisierung
       
       Gerade im Gaza-Krieg ist das essenziell: Journalist:innen werden seit
       Langem nicht mehr in den Gazastreifen gelassen. Berichterstattung stützt
       sich zwangsläufig auf Menschen vor Ort, die eigene Perspektiven haben.
       Aufgabe von Journalist:innen ist es dann, diese Stimmen einzuordnen,
       nicht zu glätten.
       
       Wer das tut, wird jedoch in einer polarisierten Debatte schnell
       verdächtigt, „einseitig“ zu sein. Genau hier zeigt sich das zugrunde
       liegende Muster: In der Logik der Polarisierung kann eine Journalistin
       nicht gleichzeitig integer, menschenrechtsbewusst und ausgewogen sein. Jede
       Nuance wirkt wie Parteinahme.
       
       Von der Tann arbeitet auch bewusst dagegen an. In einer Reportage, in der
       sie mit der israelischen Armee Tunnelsysteme besucht, hält sie etwa fest:
       „Ob der Strom von den UN-Gebäuden kam, kann ich nicht überprüfen.“ Wie
       sollte man es noch transparenter machen, als zu sagen, was man weiß und was
       nicht und von wem die Informationen kommen?
       
       Die [6][taz-Autorin Gilda Sahebi schrieb] treffend: „Kein Krieg ohne
       Polarisierung.“ Doch diese Polarisierung verschiebt heute die Bewertung
       journalistischer Arbeit weg von Fakten – hin zu politischer Loyalität.
       
       ## Angriffe auf die Pressefreiheit
       
       Wie sehr Wahrnehmung statt Realität dominiert, zeigt [7][eine LMU-Studie]:
       Nur ein Viertel der Deutschen hält die Nahost-Berichterstattung für
       ausgewogen. 30 Prozent sehen eine Verzerrung zugunsten Israels, 9 Prozent
       zugunsten der Palästinenser:innen. Beides kann nicht gleichzeitig stimmen,
       doch die Debatte tut so, als müsse Journalismus die Erwartungen jeder Seite
       erfüllen.
       
       Was dabei unterschätzt wird: Angriffe auf einzelne Journalist:innen
       sind Angriffe auf die Pressefreiheit und den öffentlich-rechtlichen
       Rundfunk. Der ÖRR soll laut Medienstaatsvertrag die „demokratischen,
       sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft“ erfüllen.
       
       Das gelingt nur, wenn Korrespondent:innen wie von der Tann geschützt
       werden – ebenso wie die [8][wenigen Stimmen aus Gaza, die gegenwärtig
       überhaupt noch berichten können]. Und natürlich müssen gleichzeitig
       Menschen vor Antisemitismus und Rassismus geschützt werden.
       
       Dass von der Tann nun ausgezeichnet wird, ist daher kein politisches
       Statement, sondern eine Anerkennung journalistischer Professionalität.
       [9][BR-Informationsdirektor Thomas Hinrichs nennt ihre Arbeit]
       „unverzichtbar in einer Zeit, in der Desinformation an der Tagesordnung
       ist“. Die Frage sollte also nicht sein, ob uns von der Tanns Haltung
       gefällt, sondern wie wir unabhängige Berichterstattung schützen – bevor sie
       unter dem Druck der Polarisierung verschwindet.
       
       3 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gut-und-boese-Erzaehlungen/!6099493
 (DIR) [2] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien-und-film/medienpolitik/friedrichs-preis-fuer-sophie-von-der-tann-ist-ein-fatales-zeichen-110795170.html
 (DIR) [3] https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/gratulation/
 (DIR) [4] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/artikel/pressemitteilungen/4148/rsf-kritisiert-einschuchterungsversuche-gegen-sophie-von-der-tann-und-weitere-journalistinnen
 (DIR) [5] https://www.nytimes.com/2025/07/21/opinion/letters/israel-gaza-hamas-genocide.html
 (DIR) [6] /Gut-und-boese-Erzaehlungen/!6099493
 (DIR) [7] /Vertrauen-in-Medien-waehrend-Nahost-Krieg/!6133020
 (DIR) [8] /Journalisten-in-Lebensgefahr/!6107599
 (DIR) [9] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/friedrichs-preis-fuer-sophie-von-der-tann-und-katharina-willinger,V3wCO8c
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ann-Kathrin Leclere
       
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