# taz.de -- Gründung „Generation Deutschland“: Rechtsextreme AfD-Jugendorganisation hat jetzt neuen Namen
> Die Gründung der AfD-Jugend war ein extrem rechter Offenbarungseid. Und
> zwar auch der Mutterpartei. Immerhin gab es laute und widerständige
> Proteste.
(IMG) Bild: Rechtsextreme Netzwerker geben sich die Hand: Jean-Pascal Hohm lässt sich von AfD-Chef Tino Chrupalla zur Wahl gratulieren
Die Opferrolle nach den Gegenprotesten war gut einstudiert und vorbereitet.
AfD-Chefin Alice Weidel war extra für ein Grußwort an die Jugend angereist.
Proteste und Blockaden von zehntausenden verhinderten einen pünktlichen
Beginn. Zwei Stunden zu spät steht Weidel jetzt am Rednerpult zwischen vier
großen schwarz-rot-goldenen Nationalfahnen und sagt: „Ich hätte nicht
gedacht, dass so etwas in Deutschland noch einmal vorkommt – man kennt so
etwas aus anderen Regimen, wo gegen Andersdenkende mit Gewalt vorgegangen
wird.“ Sie nannte die Proteste gegen die [1][Neugründung der extrem rechten
Jugendorganisation] „zutiefst undemokratisch“ und plädierte für
Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit – dass die Versammlungsfreiheit
auch für die Gegenproteste gilt, ließ sie dabei aus.
Und holte sodann zum Rundumschlag gegen „die Medien“ aus. Besonders im
Fokus: die Öffentlich-Rechtlichen. Sie habe bei der Tagesschau lesen
müssen, dass rechtsextreme Netzwerke in Gießen seien – „so’n Quatsch“,
spottet Weidel, schaltet dann in Angriffsmodus und ruft: „Sie sind dadurch
mitverantwortlich durch die Aufladung dieses Klimas! Rüsten Sie ab!“ Großer
Jubel und böse Blicke in Richtung der Presse, die wie gewohnt bei
AfD-Versammlungen hinter Absperrband versammelt ist.
Sie behauptete wohlgemerkt, dass keine rechtsextremen Netzwerke vor Ort
seien, während – vom Bundesvorstand genehmigt – in der Vorhalle der
Hessenhalle in Gießen diverse extrem rechte Organisationen und Netzwerke
Ausstellungsstände haben. Der extrem rechte Verleger Götz Kubitschek
verkaufte dort zusammen mit seinem Sohn, dem Aktivisten der Identitären
Bewegung Wieland Kubitschek, seine Bücher.
Verlegt werden beim Verlag Antaios Revolutionsanleitungen und auch Martin
Sellners verfassungswidriges Konzept von „Remigration“. Das sieht kurzum
vor, Deutsche, die den extremen Rechten nicht deutsch genug sind, zu
vertreiben oder auszubürgern. Und der Verlag war nicht die einzige extrem
rechte Organisation vor Ort: Die Identitären-nahe Medienagentur
Tannwald-Media, die KI-generierte rassistische und deutschtümelnde Memes
erstellt, hatte einen Stand sowie weitere Aussteller, die
Patrioten-Proteine verkauften, Remigrations-Aufkleber verteilten oder
solche mit Neonazi-Szenecodes wie „1161“ (Anti-Antifaschistische Aktion).
## Rechte Gewalt und AfD-Umfragen auf Rekordhoch
Und Weidel sagt das wohlgemerkt, während die [2][rechte Gewalt im Zuge des
Rechtsrucks jährlich auf neue Rekordhöhen] schnellt, sich
Neonazi-Schlägertrupps durch Normalisierung migrationsfeindlicher Diskurse
ermächtigt fühlen, Menschen zu verprügeln, die nicht in ihr Weltbild
passen.
Die Medienvertreter trügen Mitverantwortung für das Klima in unserem Land,
wirft Weidel der Presse vor. Sie werde fälschlich als rechts geframed.
Richtig absurd werden diese Worte wenig später, als der designierte
JA-Vorsitzende [3][Jean-Pascal Hohm] gewählt wird. Der bezeichnet sich
selbst schamlos als „rechts“ und wird nicht müde zu betonen, wie gut die
Arbeit der Identitären Bewegung sei, die immerhin auf der
Unvereinbarkeitsliste der Partei steht. Aber solche Dinge spielen in der
Parallelwelt in der Hessenhalle an diesem Tag keine Rolle.
Da verwundert es schon fast, dass die Jugendorganisation sich nicht den
Namen „Jugend Germania“ gibt, wie es ein Delegierter vorschlägt, der
innerhalb des AfD-Spektrums als „gemäßigt“ (!) gilt.
## Diszipliniert, aber extrem rechts
Die Gründung der Generation Deutschland zeigt, wie professionalisiert und
diszipliniert diese extrem rechten Netzwerke mittlerweile zusammen wirken,
um auch die AfD maßgeblich zu beeinflussen. Deutlichstes Zeichen dafür:
Jean-Pascal Hohm, bestens vernetzt in Identitärer Bewegung und in Cottbus’
rechtsoffener Fußball- und Protestszene, wird ohne Gegenkandidat zum
Vorsitzenden gewählt.
Unfreiwillig komisch: Hohm fühlt sich in seiner Antrittsrede nach
[4][internen Streitigkeiten um Russlandreisen] zwischen Alice Weidel und
Tino Chrupalla berufen zu sagen: „Weder Tino Chrupalla, noch Alice Weidel
sind Knechte Russlands.“ Das sehen allerdings sogar nicht wenige in der
eigenen Partei anders, aber interessant, dass er es so betonen muss.
Hohm leitet schnell wieder über auf sicheres Terrain: das Völkische. Der
28-jährige Cottbuser sagt, er wolle mit seiner Generation Deutschland dafür
sorgen, dass „Deutschland die Heimat der Deutschen bleibt“. Er behauptet
stumpf, Deutsche würden auf Schulhöfen zur Minderheit geworden oder seien
es schon. Streng genommen verknüpft er mit diesen Sätzen den ethnischen
Volksbegriff mit politischen Zielsetzungen – was streng genommen
verfassungsfeindlich ist. Die Versammlung in der Hessenhalle beantwortet
das mit Standing Ovations und ruft „Hohm! Hohm! Hohm!“, was sich leider nur
so mittelgut rufen lässt. Geschenkt: Hohm bekommt 90,4 Prozent.
Danach wird die Liste professionell durchgewählt. An zweiter Stelle kommt
der Sachse Jan Richard Behr, der allerdings nach Rheinland-Pfalz
rübergemacht hat. Er ist ebenfalls alter JA-Kader, war mehrfach bei
Kubitschek in Schnellroda zu Besuch und – das darf nicht fehlen – hat
Kontakte zur Identitären Bewegung. Auch er bekommt 89,24 Prozent.
Danach stellt Adrian Maxhuni aus Niedersachsen sich vor: Auch er ist
langjähriger Kader der JA und gehört zu den völkischen Netzwerken innerhalb
der Partei, die spätestens seit 2021 der bestimmende Mainstream der AfD
sind und in der Jugendorganisation sogar deutlich länger. Der Landesverband
Niedersachsen hatte 2022 die von ihm geführte JA als Jugendorganisation
aberkannt, [5][weil sie zu radikal aufgetreten ist]. Damals stand in Chats
von JA-Gruppen „Wir sollten Tierversuche stoppen und Flüchtlinge dafür
nehmen“ oder die „Endlösung für die Musels in Deutschland“. Maxhuni führte
die JA Niedersachsen trotzdem weiter. Darüber hinaus soll er auch
[6][Kontakte zu einem alten NPD-Ideologen] haben, der Schulungen
durchführt. Zur Belohnung gibt es 81,09 Prozent.
## Völkische haben die Nase vorn
In Wallung gerät der Saal allerdings bei der ersten Kampfkandidatur zum 3.
Vize-Vorsitzenden: Hier schickten die verfeindeten Lager des chronisch
zerstrittenen Landesverbands Nordrhein-Westfalen zwei Kandidaten ins
Rennen. Aber auch hier waren die völkischen Netzwerke um den
Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich („das freundliche Gesicht des
NS“) wie erwartet dominant: Der Kandidat der Völkischen wird mit deutlichem
Vorsprung gewählt. Er bekommt 78 Prozent.
Zuvor hielt der Helferich-Kandidat Patrick Heinz eine klar rassistische und
rechtsextreme Rede. Er generalisierte Gewalt an Schulen als Problem vom
„Mohammed“, der in den Pausen Butterflys zücke und deutsche Schüler
verprügele. Das wolle er genau so formulieren, insistierte Patrick Heinz
und sagte bockig: „Dann sind wir intolerant und werden intolerant
bleiben!“, was für Szenenapplaus sorgte.
Dann wurde es sogar noch leicht paranoid: „Kein Staat wird kommen, um uns
zu retten … als deutsche Jugend sind wir auf uns allein gestellt – ein
Angriff auf einen von uns ist ein Angriff auf uns alle!“ Heinz rundete ab
mit völkischen Allgemeinplätzen („Damit Deutschland das Land der Deutschen
bleibt“). Und selbst der unterlegene Kandidat des innerhalb der AfD als zu
liberal kritisierten Lagers um Martin Vincentz hatte in seiner
Bewerbungsrede „Remigration“ gefordert, sich ideologisch also deutlich
angebiedert. Er unterlag dennoch mit nur 17,7 Prozent – womit die
Kräfteverhältnisse in der Jugend der AfD deutlicher kaum zum Ausdruck
gebracht werden konnten.
Unterm Strich hat die AfD ihre extrem rechte Jugendorganisation
umstrukturiert, die radikalen Inhalte sind die gleichen wie bei der Jungen
Alternative geblieben. Abzuwarten bleibt, ob sie ihre Radikalität auch so
offen und provokativ zur Schau trägt wie die aufgelöste Jugendorganisation.
In Gießen hatte man jedenfalls das Gefühl, dass die AfD – und das schließt
den Bundesvorstand ein – ihren Rechtsextremismus offen und ganz mutig
zeigt, zumal es ihr in den Umfragen nicht zu schaden scheint.
## Leitsatz der Hitlerjugend wird bejubelt
Die Frage ist nur: Ist der Bogen irgendwann überspannt? Und wie viele
Verbotspunkte will die AfD noch sammeln? Kevin Dorow aus
Schleswig-Holstein, ein Burschenschaftler mit mehreren Schmissen im
Gesicht, testete die Grenzen aus. Er hielt für den ersten Beisitzer im
Vorstand die bis dahin radikalste Rede: „Wir distanzieren uns nicht“, ruft
er in den Saal, lobt das aktivistisch-außerparlamentarische Vorfeld und
leitet dann zum Motto der Hitlerjugend über: „Jugend muss durch Jugend
geführt werden“, forderte er.
Das HJ-Motto hatte Rechtsextremist Björn Höcke vor einigen Wochen in Social
Media gepostet und verschämt wieder gelöscht, [7][nachdem herauskam, dass
er mal wieder wissentlich NS-Parolen verbreitet hatte]. Dorow bezieht sich
auf Höcke und ruft das Motto hier von der Bühne. Dafür gibt es
Szenenapplaus. Das könnte man durchaus Neonazismus nennen. Kevin Dorow wird
dafür mit 88,6 Prozent gewählt.
Was wohl die einzige schöne Fußnote des rassistischen Exzesses in der
Hessenhalle war: Die Gründungsversammlung der extrem rechten Generation
Deutschland blieb nicht unwidersprochen. In Gießen hingen viele
Transparente aus dem Fenster, die Widerspruch gegen die extrem rechte
Neugründung formulierten, Zehntausende protestierten und blockierten die
extrem rechte Partei. Das kann man ruhigen Gewissens auch als Erfolg der
Zivilgesellschaft werten – bei allen Opferrollen, die Rechtsextreme ohnehin
immer spielen werden.
29 Nov 2025
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(DIR) [6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-so-radikal-wird-die-neue-afd-jugendorganisation-a-d0251ad8-1cfa-4c9b-838d-9ab4a593bd08
(DIR) [7] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus6894449e8d87bf286ac881a8/AfD-Bjoern-Hoecke-verbreitet-Leitsatz-der-Hitlerjugend.html
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