# taz.de -- Neue AfD-Jugendorganisation: Chaos, Kosten, Konfusion
> Die neue Jugendorganisation der AfD gibt sich weniger völkisch-national
> als ihr Vorgängerclub. Doch das kann sich schnell ändern.
(IMG) Bild: Hoffentlich bald ausgelutscht
In Gießen konnte man am vergangenen Wochenende studieren, was eine
Heimsuchung durch die AfD verursacht: Chaos, Kosten, Konfusion. Die rund
850 GründerInnen der parteinäheren, jetzt „Generation Deutschland“ (GD)
getauften Jugendorganisation sahen das natürlich anders: Schuld am
mittelhessischen Ausnahmezustand waren in ihren Augen die
GegendemonstrantInnen. Die Frage ist nun, wie die AfD-Jugend bei ihren
AdressatInnen ankommt. Gibt es einen Rechtsruck der Jugend, der die AfD –
eine Ansammlung mittelalter Reaktionäre, die Deutschland permanent
herunterreden – verjüngen und verweiblichen könnte? Ein Blick in die sich
nur spärlich füllende Gießener Messehalle zeigte einen auch für die AfD
unüblichen Überschuss an Männern und viele alte Herren.
Die alljährliche Shell-Studie zu Einstellungen und Befindlichkeiten von
Menschen zwischen 15 und 30 Jahren warnt zu Recht davor, „Jugend“ als
einheitliche Kohorte oder gar Generation zu definieren, sie spiegeln das
sozio-kulturelle und politische Spektrum in der ganzen Breite. Politisch
gelten sie als überwiegend pragmatisch, der rechtsstaatlichen Demokratie
verpflichtet und partizipationsbereit, aber auch zunehmend besorgt, dass
die demografisch ins Hintertreffen geratenen Jüngeren durch Ansprüche der
„Boomer“-Mehrheit vernachlässigt werden.
Die Jugendorganisation „Generation Deutschland“ zu nennen, reklamiert eine
Sprecherfunktion für die gesamte Alterskohorte: Aus einer seit den 1960er
und 1980er Jahren meist links-verdächtigen Generation soll eine
patriotische werden, und zwar so stramm, wie der neue Vorsitzende
Jean-Pascal Hohm (Jahrgang 1997) das versteht: völkisch-autoritär und
exklusiv. So übersetzt AfD-Jugend Sorgen über Corona, Krieg und Klimawandel
nach dem Muster der amerikanischen MAGA-Bewegung in ein aggressives
Narrativ der „Remigration“, die den herbeifantasierten
„Bevölkerungsaustausch“ aufhalten und Deutschland wieder groß machen soll.
Die auch in Gießen wieder umjubelte Forderung nach „millionenfacher
Remigration“ ist das Echo auf die Ansage des (als brauner Großvater
zugeschalteten) AfD-Gründervaters und Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland
von 2015: „Etwas Besseres als die Flüchtlinge konnte uns gar nicht
passieren!“ Mit dieser Operation wurde die anfangs neoliberale,
nationalistisch gegen den Euro angetretene Professorenpartei zur völkischen
Bewegung, die mit der Migrationslitanei „Altparteien“ und „linksgrüne
Eliten“ am Nasenring hat. Denn was auch immer die Etablierten tun:
rechtsstaatlich Kurs halten oder taktisch klein beigeben – es nützt einzig
der radikalen Rechten.
Es hat sich weniger die JA zur AfD bekannt als umgekehrt die AfD zur GD.
Sie sieht sich als provokante Vorfeldbewegung und als Kaderschmiede einer
in Bälde regierungsfähigen Partei und will zweigleisig fahren:
parlamentarisch koalitionsfähig und nach dem französischen Muster
„entdiabolisiert“, außerparlamentarisch im engen Schulterschluss mit dem
zum Teil offen neonationalsozialistischen „Vorfeld“ von Ein Prozent über
Ketzer der Neuzeit und Freie Sachsen bis zur Letzten Verteidigungswelle.
Man darf nach diesem Gründungsparteitag bezweifeln, ob die Parteiführung
ihre Jugend, wie mit der Auflösung der JA angeblich beabsichtigt, unter
Kontrolle halten kann – umgekehrt könnte der Schwanz mit dem Hund wedeln.
Wie viele jugendliche WählerInnen werden diese Parallelaktion mitmachen?
Das stärkste Reservoir bilden junge Männer ohne Abitur, die sich
großenteils aus einschlägigen Social-Media-Kanälen „informieren“. Ganz im
Gegensatz zu den von ihnen gefürchteten jungen Frauen mit Abitur, die noch
Qualitätsmedien konsultieren. Diesen „Gender Gap“ zeigen die schmierigen
Sprüche eines Maximilian Krah („Echte Männer sind rechts, dann klappt’s
auch mit der Freundin“). Beide Geschlechter sind seit der Jahrhundertwende
eher geneigt als früher, sich auf einer Rechts-links-Achse zu
positionieren, wobei sich junge Männer häufiger eher oder ganz rechts
einordnen als junge Frauen, die seit den 2000ern nach links gerückt sind.
Korrigiert werden soll das nun mit einer gezielten Ansprache an junge
Frauen, die der Traditionsfamilie anhängen, gegen Abtreibungen opponieren,
religiös ausgerichtet sind und nach dem Muster einer Ellen Kositza
(Institut für Staatspolitik in Schnellroda) völkischen (Anti-)Feminismus
verkörpern.
Die AfD-Jugend hofft, dass die Flatterhaftigkeit der Erst- und
JungwählerInnen sich zu ihren Gunsten verändert. Waren bei der
Bundestagswahl 2021 noch Liberale und Grüne die Favoriten, traten bei der
Europawahl Kleinstparteien und die AfD auf den Plan und bei der
Bundestagswahl 2025 dann auch die Linke, die den Tiktok-Schnellkurs
erfolgreicher absolvierte als die demokratische Mitte. Mit Christ- und
SozialdemokratInnen, neuerdings auch mit den Grünen können sich Jüngere
immer weniger identifizieren, ihnen gelten pauschale Affekte gegen
politische Eliten. Damit deutet sich eine generationsbezogene Spaltungs-
und Konfliktlinie an, die freilich auch die AfD zerreißen könnte, wenn sie
wirtschafts- und sozialpolitisch am Neoliberalismus und umweltpolitisch am
Nichtstun festhält, womit sie künftigen Generationen immense Lasten
auflädt.
Der demokratische Mainstream der Jugend ist weit von der völkischen
Propaganda entfernt. Das kann sich ändern, wenn die aktuelle
Regierungskoalition Wortmeldungen der Jüngeren weiter ignoriert und sich
der Eindruck verstärkt, parlamentarische Demokratien seien den allfälligen
Problemen der Gegenwart und Zukunft nicht mehr gewachsen. Es war gut, dass
sich in Gießen Zigtausende von nah und fern einfanden, um dem
Etikettenschwindel der „Generation Deutschland“ eine Absage zu erteilen. Es
reicht aber nicht aus, einer antidemokratischen Partei zu „widerstehen“. Am
Ende zählt die demokratische Alltagspraxis und das attraktive Bild einer
freiheitlichen Zukunft, das die Völkischen auf den Müllhaufen der
Geschichte verweist.
1 Dec 2025
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(DIR) Claus Leggewie
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