# taz.de -- Spielfilm „Lolita lesen in Teheran“: Nafisis Erzählung und Riklis’ Film
       
       > Eran Riklis’ Film „Lolita lesen in Teheran“ ist eine Hommage an Literatur
       > und weiblichen Widerstand. Überragend: Golshifteh Farahani in der
       > Hauptrolle.
       
 (IMG) Bild: Azar (Golshifteh Farahani) und ihr Mann Bijan (Arash Marandi) in „Lolita lesen in Teheran“
       
       Unmittelbar nach dem Sturz des Schah 1979 kehrt ein junges Paar in den Iran
       zurück. Azar und Bijan tauschen ihr amerikanisches Akademikerleben gegen
       eines im revolutionären Iran. Sie hat ein Ruf als Professorin für
       englischsprachige Literatur an der Universität in Teheran ereilt, er will
       als Architekt den neuen Iran mitgestalten.
       
       Doch als sie ankommen, ist die Islamisierung von Revolution und
       Gesellschaft bereits in vollem Gange. Bei der Einreise am Flughafen Teheran
       werden ihre Koffer durchsucht. Ein bärtiger Grenzer schmeißt voller
       Verachtung die Bücher Azars durcheinander und wirft einen besonders
       grimmigen Blick auf ihren Lippenstift.
       
       An der Universität kommt es dann bald zur offenen Konfrontation zwischen
       den laizistisch und den islamistisch orientierten Studierenden. Im
       Literaturseminar von Azar wird dem Roman „Der große Gatsby“ von F. Scott
       Fitzgerald symbolisch der Prozess gemacht. Männer gegen Frauen. Es sind
       hier ausschließlich die männlichen Studenten, die als Ankläger gegen die
       Werke westlicher Dekadenz mobil machen und Literatur ideologisch ausdeuten
       wollen.
       
       ## Verfilmung des literarischen Bestsellers
       
       [1][Eran Riklis’] aktueller Spielfilm basiert auf dem autobiografischen
       Roman von Azar Nafisi „Lolita lesen in Teheran“, einem internationalen
       Bestseller von 2003. Nafisi hat ihn geschrieben, nachdem sie mit ihrer
       Familie aus Iran 1997 geflüchtet war.
       
       Die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin Golshifteh Farahani, 1983 in
       Teheran geboren und heute im Exil in Frankreich lebend, verkörpert in der
       Verfilmung die Hochschullehrerin Azar Nafisi. Der Schauspieler Arash
       Marandi, 1984 in Teheran geboren und im deutschen Exil aufgewachsen, spielt
       ihren Ehemann, den Architekten Bijan.
       
       Doch im Zentrum von Nafisis Erzählung und Riklis’ Film steht ein
       intellektueller Kreis von Frauen, die sich der Zensur, dem von
       Schiiten-Führer Chomeini angeordneten Ausschluss aus der Öffentlichkeit und
       der Willkür des politischen Islam widersetzen.
       
       ## Islamischer Tugendterror
       
       Die geschlechtliche Apartheid in Iran wurde von den Islamisten mit brutalem
       Straßenterror und staatlicher Systematik durchgesetzt. Riklis’ „Lolita
       lesen in Teheran“ macht dies in wenigen zeithistorisch inszenierten Szenen
       deutlich.
       
       So etwa bei einem brutalen Überfall der paramilitärischen
       „Revolutionswächter“ auf die laizistischen Studierenden an der Universität.
       Auch Folter, Vergewaltigung und Mord [2][im berüchtigten Teheraner
       Evin-Gefängnis] werden angedeutet, ohne sich an der Drastik gewaltvoller
       Bilder zu weiden.
       
       Die Revolution frisst ihre Kinder, selten war dieser Satz wohl so
       zutreffend wie für das, was sich nach 1979 in Iran ereignete. Die Linke
       bezahlte [3][ihr antiimperialistisches Bündnis mit den Islamisten] auf
       tragische Weise. Sie wurde ausgelöscht, ging ins Exil oder verschwand in
       der inneren Emigration.
       
       ## Private Salonkultur
       
       „Lolita lesen in Teheran“ ist ein eher leiser, ein melancholischer und
       tiefgründiger Film. Er spricht von denen, die sich der Islamisierung im
       Alltag kulturell widersetzen; sich trotz Gefahren wie Azar mit Freundinnen
       und Studentinnen heimlich in privaten Salons zu Gesprächen und Lektüren
       treffen.
       
       Dabei lebt Riklis’ Film nicht unwesentlich vom Spiel seiner überragenden
       [4][Azar-Nafisi-Darstellerin Golshifteh Farahani]. Auch Azars Beziehung zu
       Bijan verläuft schwankend. In der mitunter aufblitzenden Eifersucht des arg
       verständnisvollen Bijan deutet sich an, welch unterschiedliche Konsequenzen
       die Errichtung einer Theokratie für die Geschlechter hat und selbst ins
       Beziehungsleben fortschrittlicher Paare eindringt.
       
       Nein, der Iran ist nicht Afghanistan oder der Gazastreifen. Aber einmal
       unter das Kopftuch oder in den Tschador gezwungen, gehen Selbstbestimmung
       und individuelle Freiheit verloren.
       
       Doch „Lolita lesen in Teheran“ verdeutlicht auch, dass die städtische
       iranische Gesellschaft sich nie gänzlich religiösem Wahn und dem
       Patriarchat fügte. Und dass Bücher lesen eben doch manchmal subversiv und
       gefährlich sein kann.
       
       25 Nov 2025
       
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 (DIR) Andreas Fanizadeh
       
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