# taz.de -- Kurden im Iran: Die Vergessenen
> Die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung in Iran erhält kaum
> Beachtung. Obwohl gerade von ihr Hoffnung auf politischen Wandel ausgeht.
(IMG) Bild: Festnahmen, Schläge, Hinrichtungen: Kurden in Iran sind überproportional von der Gewalt des iranischen Regimes betroffen
Zwölf Tage lang standen sich Iran und Israel im Sommer in einem aktiven
Krieg gegenüber. Doch auch abseits der [1][Auseinandersetzung mit den USA
und Israel] gibt es weitere Kriegsschauplätze in Iran. So verstärkte das
iranische Regime wenige Tage nach den israelischen Luftangriffen den Krieg
[2][gegen die eigene Bevölkerung]. Landesweit wurden Hunderte Iraner
verhaftet und der „Spionage für Israel“, „Propaganda gegen den Staat“ oder
„Störung der öffentlichen Meinung“ beschuldigt.
Ein Großteil der Verhaftungen erfolgte in den Provinzen mit einer
kurdischen Bevölkerungsmehrheit. Das Dokumentationszentrum Hengaw berichtet
über nahezu täglich [3][vollstreckte Todesurteile]. Dabei ist auffällig,
dass der Anteil der Kurden, die nur etwa zehn Prozent der iranischen
Bevölkerung ausmachen, an Hinrichtungen, Verhaftungen und politischer
Verfolgung stets unverhältnismäßig hoch ist.
Seit Beginn des Regimes im Jahr 1979 befindet sich das Land in einem
andauernden Krieg, der sich jedoch nicht nur außerhalb, sondern
insbesondere innerhalb der Landesgrenzen abspielt. Nach außen hin fordert
das iranische Regime Waffenruhe, um im Inneren unbehelligt seine
Repressionen fortzusetzen.
Verwunderlich ist jedoch, dass sich Teile der iranischen Opposition im
Ausland sowie mehrere linke Gruppierungen außerhalb Irans in einem Punkt
mit dem islamischen Regime einigen können: Wenn Regierungsgebäude
bombardiert werden, ist es eine nicht hinnehmbare Katastrophe und wenn
dabei Zivilisten sterben, können plötzlich Beileidsbekundungen öffentlich
geteilt werden.
## Eine bittere Frage
Dass erst auf das Völkerrecht gepocht wird, nachdem Israel und die USA
iranisches Territorium angegriffen hatten, wirft eine bittere Frage auf:
Gilt das Völkerrecht innerhalb der Landesgrenzen nicht, wenn das Regime
seit Jahrzehnten mordet und foltert? Gilt territoriale Souveränität erst
dann, wenn es darum geht, das Regime nach außen zu schützen, aber nicht,
wenn es nach innen ganze Bevölkerungsgruppen systematisch entrechtet?
Oft bleibt unerwähnt, dass es das monoethnische iranische Volk gar nicht
gibt und dass sich ausgerechnet die vermeintliche Mehrheitsgesellschaft
passiv verhält. Seit Jahrzehnten sind es die Kurden, Belutschen, Luren,
Afghanen, Araber und weitere Minderheiten, die sich gegen das Regime
stellen und dabei den höchsten Preis zahlen.
Auch während der letzten großen Protestbewegung von 2022 nach dem Tod der
Kurdin Jina Mahsa Amini kam die treibende Kraft von Minderheiten und vor
allem von Frauen. Sie organisierten sich, demonstrierten, wurden
festgenommen und getötet, während die Mehrheitsgesellschaft, die
internationale Zivilgesellschaft und die Politik diesen Protesten nicht
genug Unterstützung entgegenbrachten und keinen ausreichenden Druck von
innen und außen ausübten.
Insbesondere die iranische Mehrheitsgesellschaft im Ausland hat sich nicht
mit ihrem eigenen repressiven Verhalten auseinandergesetzt. Sie pocht
weiterhin auf eine Hegemonie, die nationalistische sowie islamistische
Positionen im Iran teilt. Viele davon wünschen sich den Fortbestand des
zentralistischen Staates anstatt eines multiethnischen Föderalismus.
## Nicht auf eine Führungsfigur setzen
Dafür wird eine Führungsfigur gewünscht, die den politischen Wandel
ausrufen soll. Doch die Geschichte zeigt, dass solche Anführer oft selbst
zum Ziel des Regimes werden: Sie werden verhaftet, hingerichtet oder ins
Exil gezwungen. Wer nicht eliminiert wurde, reiht sich in die Kontinuität
der autoritären Macht ein, von einem Alleinherrscher zum nächsten.
Als der Schah beispielsweise eine größere Autonomie der iranischen Kurden
ablehnte, beteiligten sich viele Kurden an den Demonstrationen Anfang 1979,
die zum Sturz des Schahs und zur Machtergreifung von Ayatollah Khomeini in
Teheran führten. Doch schnell entpuppte sich das wahre Gesicht der
Islamischen Revolution: Kurdische politische Führer wurden 1979 von der
Teilnahme an der Ausarbeitung der neuen Verfassung ausgeschlossen. Die neue
Regierung wollte den Minderheiten erneut keine Autonomie zugestehen.
Gerade jetzt sollte man sich auf die Idee einer pluralistischen Demokratie
konzentrieren. Dass selbst die verschiedenen kurdischen Parteien im Iran,
die sich sonst eher gegenseitig im Weg stehen, als an einem Strang zu
ziehen, zu ähnlichen Positionen kommen, macht Hoffnung. Dass
Demokratisierung der einzige Weg zu Frieden sei, dass alle Völker im Iran
wie auch die Azeris und Belutschen für ihre Rechte einstehen müssen, dass
Aufstände etwas bewirken können, wenn unterschiedliche Meinungen dabei
akzeptiert und toleriert werden.
Wer jedoch jeden Wunsch auf Mitsprache von Kurden, Belutschen und
religiösen Minderheiten pauschal als „Separatismus“ diffamiert, zeigt, dass
er nicht die Sprache der Freiheit spricht, sondern die Logik der
gescheiterten nationalistisch-zentralistischen Staaten weiterführen will.
Die Hoffnung auf echte Veränderung liegt nicht in Einzelpersonen, sondern
in kollektiver Organisation, dezentralem Widerstand und politischem
Bewusstsein.
## Ein Megafon für politischen Wandel
Wer es mit der Solidarität mit der Bevölkerung im Iran ernst meint, sollte
nicht erneut abwarten, bis der Status quo sich selbst regelt. Gerade jetzt
[4][muss Europa Haltung zeigen]. Gemeint sind klare, konsequente Sanktionen
gegen das Regime, Schutz für Oppositionelle und Unterstützung
[5][demokratischer Bewegungen] – ohne eine deklarierte Führungsperson an
der Spitze zu verlangen. Seit der Eskalation mit Israel im Sommer hat sich
die Situation vor Ort kaum verbessert. Laut Beamten und Aktivisten
verschärfen die iranischen Behörden die Razzien der inneren Sicherheit im
ganzen Land mit Massenverhaftungen, Hinrichtungen und Militäreinsätzen.
Solidarische Akteure im Ausland müssen als Megafon für einen politischen
Wechsel auftreten.
30 Nov 2025
## LINKS
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## AUTOREN
(DIR) Jean Dumler
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