# taz.de -- Afghanische Musikerin: „Ich konnte einfach nicht mehr schweigen“
       
       > Elena Yaqubee ist nach Deutschland geflohen. In dem Projekt „34 afghan
       > windows“ möchte sie die Realität afghanischer Frauen sichtbar machen.
       
 (IMG) Bild: „Leben hinter der Burka“: Das Kunstprojekt „34 afghan windows“ soll die Realität afghanischer Frauen sichtbar machen
       
       taz: Frau Yaqubee, was ist Ihre früheste Erinnerung an Musik? 
       
       Elena Yaqubee: Ich komme aus einer sehr ländlichen Gegend Afghanistans.
       Dort lebt man ein einfaches, traditionelles Leben. Man macht alles selbst.
       Wir hatten Schafe und Kühe. Ich war dafür verantwortlich, sie zu versorgen,
       und musste jeden Abend nach draußen, um die Kühe weiden zu lassen. Das war
       für mich die Zeit, in der ich singen konnte, weil niemand in meiner Nähe
       war, nur die Kühe hörten mir vielleicht zu. Als Kind habe ich sehr viel
       alleine gesungen.
       
       taz: [1][In Afghanistan ist es verboten, Musik zu spielen oder zu machen.]
       Was bedeutet es, ein Leben ohne Musik zu führen? 
       
       Yaqubee: Stellen Sie sich ein Land ohne Musik, Kunst und Theater vor! Es
       ist farblos. Musik ist etwas Magisches, und wenn man keine Musik hat, ist
       alles sehr traurig und irgendwie tot. In meinem Land darf niemand Musik
       machen. Nachdem die Taliban Afghanistan übernommen hatten, verbrannten sie
       alle traditionellen Instrumente der afghanischen Musik. [2][Die afghanische
       Musik ist in Gefahr, afghanische Musiker*innen haben das Land
       verlassen.] Manchmal bin ich irgendwie neidisch, dass Kinder in Europa mit
       Musik aufwachsen. Musik lässt einen seine Emotionen und Gedanken
       ausdrücken. Kinder hier haben Musik in der Schule. Sie spielen. Sie lernen.
       Ich habe das alles nicht erlebt.
       
       taz: Wann haben Sie Ihren ersten Song geschrieben? 
       
       Yaqubee: 2015 bin ich aus Afghanistan in den Iran geflohen. Dort lernte ich
       eine NGO kennen, die Musikprojekte anbot. Ich hatte vorher noch nie ein
       Instrument gespielt. Das war wirklich weit entfernt von meinem Horizont,
       von dem, was ich mir vorstellen konnte. Vielleicht war die Musik schon
       immer in mir, aber ich hatte keine Gelegenheit, diese Saat in mir zu
       wässern. [3][Der Iran ist aber ein heftiges Umfeld für illegale
       Geflüchtete.]
       
       taz: Deshalb sind Sie weiter geflohen. 
       
       Yaqubee: Ja, weiter in die Türkei und von da in einem Schlauchboot nach
       Griechenland. Im August 2019 kam ich nach Moria. Als ich dort ankam, sagten
       die anderen zu mir: [4][„Willkommen in der Hölle von Moria.“]
       
       taz: Das klingt schrecklich. 
       
       Yaqubee: Ja. Ein Leben auf der Flucht bedeutet, von einer Hölle in die
       nächste zu geraten. Ich blieb ein Jahr lang in diesem Lager. Dann habe ich
       endlich Asyl in Griechenland bekommen. 2021 habe ich meinen ersten Song
       geschrieben, in dem ich diese Flucht aufarbeite. Immer wenn mir oder meinem
       Land etwas passiert ist, schreibe ich einen Song drüber.
       
       taz: Zusammen mit dem Musiker Joel Tunno haben Sie das Projekt [5][„34
       afghan windows“] gegründet. Das Projekt wurde nach den 34 Provinzen
       Afghanistans benannt. 
       
       Yaqubee: Ja. [6][Im August 2021 haben die US-amerikanischen Truppen
       Afghanistan verlassen und es einfach an die Taliban übergeben.] Ich konnte
       es nicht glauben. Früher haben die Taliban Frauen auf der Straße gesteinigt
       und Bombenanschläge verübt. Und jetzt regieren sie! Auf Lesbos gab es eine
       riesige Demonstration. Joel hat dort zu dem Zeitpunkt als Freiwilliger
       gearbeitet. Zusammen haben wir „Whirling“ geschrieben, ein Lied über die
       afghanischen Frauen. Das war der Beginn von „34 afghan windows“. Ich konnte
       einfach nicht mehr schweigen. Es ging nicht. Mit dem Projekt wollen wir
       nicht nur Kunst machen, sondern uns auch politisch positionieren.
       
       taz: [7][Frauen in Afghanistan können sich nicht öffentlich äußern oder gar
       kritisch positionieren.] 
       
       Yaqubee: [8][Die Taliban haben Frauen alles genommen.] Afghanische Frauen
       haben überhaupt keine Rechte mehr. Schritt für Schritt wurden sie aus allen
       Bereichen der Gesellschaft verdrängt. Wenn du nur Unterdrückung kennst, ist
       es schwer, da wieder von selbst rauszukommen. Mit „34 afghan windows“
       erzählen wir von den Frauen hinter der Burka, der verbotenen Kunst, der
       tyrannischen Herrschaft der Taliban, dem Leben auf der Flucht und der
       Hoffnung auf eine freie und friedliche Welt. Ich wünsche mir, dass Frauen
       in Afghanistan auf die Straße gehen [9][und für ihre Freiheit kämpfen.]
       Aber dafür brauchen sie unsere Unterstützung. Denn ich weiß nicht, ob sie
       das alleine schaffen können.
       
       6 Dec 2025
       
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