# taz.de -- Beschluss des Kabinetts: Kein Bürgergeld mehr für neu ankommende Ukrainer*innen
       
       > Die Regierung will ukrainischen Geflüchteten weniger Geld zahlen – und
       > erschwert ihnen die Jobsuche. Sogar die zuständige Ministerin findet das
       > falsch.
       
 (IMG) Bild: Neu ankommende Ukrainer*innen haben bald keinen Anspruch mehr auf Arbeitsvermittlung durch die Jobcenter
       
       Die Bundesregierung hat Kürzungen der Sozialleistungen für geflüchtete
       Ukrainer*innen auf den Weg gebracht. Laut einem Gesetzentwurf, den das
       Kabinett am Mittwoch beschlossen hat, sollen Ukrainer*innen, die seit dem
       1. April 2025 eingereist sind, künftig nur noch Zahlungen nach dem
       Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Diese liegen deutlich unter den
       Bürgergeld-Sätzen, die aktuell noch an Ukrainer*innen gehen.
       
       Die bisherige Sonderregelung für die Ukrainer*innen rührt daher, dass
       sie seit dem russischen Überfall nicht über das reguläre Asylsystem,
       sondern über die sogenannte Massenzustromrichtlinie Schutz in Deutschland
       bekommen. Durch dieses Instrument müssen sie nicht wie andere Geflüchtete
       ein langwieriges Asylverfahren durchlaufen, sondern erhalten praktisch
       sofort einen Schutzstatus samt Aufenthaltstitel.
       
       Damit einher geht freier Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zum
       Gesundheitssystem, freie Wahl des Wohnorts – und bislang eben auch ein
       Anspruch auf Bürgergeld. Alleinstehende Ukrainer*innen bekommen so
       bislang 563 Euro im Monat. Alleinstehende Asylbewerber*innen erhalten
       dagegen nur 441 Euro. Insgesamt gibt es derzeit rund 670.000
       Ukrainer*innen, die Bürgergeld beziehen. Rund 80.000 von ihnen sind nach
       dem 1. April eingereist und dürften von der kommenden Kürzung betroffen
       sein.
       
       Das Vorhaben war ein Wahlversprechen der Union gewesen, die beklagt, durch
       das Bürgergeld würden flüchtende Ukrainer*innen motiviert, nach
       Deutschland zu kommen. Unionspolitiker*innen verkaufen die Kürzung
       auch als Teil [1][der sogenannten Asylwende], die sich Bundeskanzler
       Friedrich Merz (CDU) vorgenommen hat. Bundesinnenminister Alexander
       Dobrindt (CSU) sprach am Mittwoch von einem Projekt „von hoher Bedeutung“.
       In der Vergangenheit hatte die Union zudem damit argumentiert, durch die
       Kürzungen ließe sich viel Geld sparen.
       
       Genau das ist aber nicht der Fall, wie die Bundesregierung inzwischen
       selbst einräumt. Die Kosten steigen durch den Schritt im nächsten Jahr wohl
       um rund 200 Millionen Euro. Grund ist steigender Verwaltungsaufwand durch
       die Umstellung. Außerdem dürften die Kosten [2][vorerst an den Ländern und
       Kommunen hängenbleiben], die für die Asylbewerberleistungen zuständig sind.
       Das Bürgergeld wird dagegen aus dem Budget des Bundes gezahlt. Zwar soll es
       wohl nun einen Ausgleich geben – wie der aussehen wird, ist aber unklar.
       
       Die Umstellung bedroht auch die Arbeitsmarktintegration der ukrainischen
       Geflüchteten. Die hatte zuletzt deutlich Fahrt aufgenommen, was viel mit
       einer verstärkten Beratung durch die Jobcenter zu tun hat. Mehr als die
       Hälfte aller erwachsenen Ukrainer*innen ist deshalb inzwischen in
       Arbeit. Neuankommende haben ohne Bürgergeld aber auch keinen Rechtsanspruch
       auf derartige Betreuung mehr.
       
       Nicht nur deshalb setzt Sozialministerin Bärbel Bas von der SPD das Projekt
       mit demonstrativem Widerwillen um und verweist darauf, dass sie dies nur
       tue, weil es nun mal im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Im Bundestag
       sagte Bas vor einigen Wochen über das Vorhaben: „Mir gefällt es nicht, ich
       sage das ganz offen.“ Am Donnerstag äußerte sie sich überhaupt nicht.
       
       Die Opposition im Bundestag spricht von einem Fehler. Die innenpolitische
       Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, nannte das Vorhaben „auf allen
       Ebenen falsch“. Sie forderte statt der Absenkung der Leistungen für
       Ukrainer*innen eine Anhebung der Leistungen für alle anderen
       Geflüchteten: „Es gibt keinen überzeugenden Grund, Geflüchtete beim
       Sozialleistungsbezug schlechter zu stellen als andere Menschen.“ Und der
       Vizevorsitzende der Grünenfraktion, Andreas Audretsch, sagte:
       „Offensichtlich ist es Friedrich Merz wichtiger, billige Punkte in einer
       aufgeheizten Migrationsdebatte zu machen, als sinnvolle Politik für
       Deutschland.“
       
       Janneke Stein von der Organisation Save the Children nannte die Kürzungen
       einen „migrations- und sozialpolitischen Rückschritt“. Insbesondere
       geflüchtete Kinder aus der Ukraine werde es hart treffen. „Die
       Bundesregierung plant ein Gesetz, das niemandem dient – außer dem
       Koalitionsfrieden.“
       
       19 Nov 2025
       
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