# taz.de -- Renten-Anhörung im Bundestag: Keine Einigung bei der Rente
       
       > Im Bundestag sind sich Sachverständige zum Rentenpaket nicht einig.
       > Manche kritisieren die Mehrausgaben, andere wollen das Rentenniveau
       > stabilisieren.
       
 (IMG) Bild: Wie hoch wird meine Rente in Zukunft sein? Die Koalition im Bundestag sucht eine Einigung
       
       Eigentlich war sich Schwarz-Rot beim ersten Rentenpaket schnell einig. Das
       Rentenniveau sollte bis zum Jahr 2031 bei 48 Prozent gesichert und die
       Mütterrente sollte ausgeweitet werden. So war es im Koalitionsvertrag
       vereinbart und einen entsprechenden Gesetzentwurf hatte
       Bundesarbeitsministerin [1][Bärbel Bas (SPD) auf den Weg gebracht]. Der
       Beitragssatz sollte stabil bleiben, die entstehenden Mehrkosten durch einen
       Bundeszuschuss finanziert werden. Der Plan war: Anfang 2026 sollte das
       Gesetz in Kraft treten.
       
       Doch dann fiel der jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion plötzlich ein, dass
       [2][das alles viel zu teuer sei.] Das Problem ist: Die junge Gruppe ist in
       der Koalition stark genug, um das Paket zu verhindern. Die jungen
       Unionsabgeordneten kritisieren, dass der Gesetzentwurf auch über das Jahr
       2031 hinauswirke. Das sei eine „dauerhafte künstliche Erhöhung des
       Rentenniveaus“ – so lautete die Kritik. Das würde zentrale Entscheidungen
       der Rentenkommission vorwegnehmen, die ab nächstem Jahr langfristige
       Lösungen erarbeiten soll.
       
       In diesem Konflikt zeigt sich auch ein grundsätzlicher Streit um die
       Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Oft wird kritisiert, dass
       der Bundeszuschuss stetig steigt – was in absoluten Zahlen auch stimmt.
       Verteidiger:innen des Systems weisen aber darauf hin, dass die
       Ausgaben des Bundes in Relation zum Bruttoinlandsprodukt seit Jahren
       konstant bleiben.
       
       Am Montag fand nun im Bundestag eine Anhörung statt, zu der verschiedene
       Sachverständige eingeladen waren. Imke Brüggemann-Borck von der Deutschen
       Rentenversicherung Bund ging zunächst darauf ein, was passieren würde, wenn
       das Rentenniveau nicht stabilisiert werde.
       
       ## Gedämpfte Erhöhung wegen der Demografie
       
       Zur Erklärung: Das Rentenniveau beschreibt, wie hoch eine
       Durchschnittsrente nach 45 Beitragsjahren im Vergleich zum
       Durchschnittslohn ist. Bislang gilt eine sogenannte Haltelinie bis Ende
       2025, die das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisiert.
       
       Verlängere man die Haltelinie nicht, kehre man zurück „zu der bislang
       geltenden Anpassungsformel mit den Dämpfungsfaktoren“, erklärte
       Brüggemann-Borck. Demnach würde ab 2026 auch wieder der
       Nachhaltigkeitsfaktor gelten – dieser dämpft die Rentenerhöhung, wenn zum
       Beispiel die Zahl der Beitragszahler:innen im Verhältnis zu den
       Rentenbeziehenden sinkt. Das hätte zur Folge, dass die Rentenanpassung bis
       2031 um 2,5 Prozentpunkte geringer ausfalle, so Brüggemann-Borck. Sprich:
       die Renten steigen dann nicht mehr eins zu eins mit den Löhnen.
       
       Martin Werding, der auf Wunsch der Union als Einzelsachverständiger geladen
       war, hält den aktuellen Gesetzentwurf angesichts der demografischen
       Entwicklung nicht für eine nachhaltige Lösung und verwies auf die hohen
       Kosten. Ihm erscheine es als äußert „schwierig, in dieser Höhe bis 2031 und
       die Folgejahre zweistellige Milliardenbeträge für die Rentenversicherung
       zusätzlich aufzuwenden.“
       
       Das sei so, als „wenn man versuchen würde, beim ersten Schnee mit dem
       Schlitten bergauf zu fahren“, kritisierte er. Das sei anstrengend und man
       käme nicht weit. Statt der Stärkung des Umlageverfahrens brauche es eine
       Umschichtung. Man müsse durch den Nachhaltigkeitsfaktor das
       Sicherungsniveau „kontrolliert herabschleusen“, aber die entstehende Lücke
       mit kapitalgedeckter Vorsorge schließen.
       
       ## Unterdurchschnittliches Rentenniveau
       
       Ingo Schäfer vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte hingegen den
       Gesetzentwurf, insbesondere die Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2031.
       Das sei, anders als oft behauptet, auch „für die junge Generation ein
       Gewinn.“ Der DGB spricht sich dafür aus, das Rentenniveau dauerhaft auf
       mindestens 50 Prozent anzuheben. Im europäischen Vergleich habe Deutschland
       ein unterdurchschnittliches Rentenniveau und einen sehr niedrigen
       Beitragssatz bei der Rentenversicherung.
       
       Magnus Brosig von der Arbeitnehmerkammer Bremen verwies zudem auf eine
       bundesweite Befragung Ende 2024. Im Mittel wünschten sich die Menschen
       demnach ein Ruhestandseinkommen von 75 Prozent des letzten Nettolohns. Das
       habe sich über fast alle Altersgruppen und Parteipräferenzen gezeigt. Auf
       die Gesetzliche Rentenversicherung bezogen, waren mehr als 60 Prozent der
       Befragten sogar bereit, höhere Beiträge zu zahlen, um das Niveau zu
       sichern. Weitere 12 Prozent befürworteten sogar deutlich höhere Beiträge,
       wenn diese zu besseren Leistungen führten.
       
       ## Warnung vor mehr Altersarmut
       
       Verena Bentele vom Sozialveband VDK erklärte, dass die Stabilisierung des
       Rentenniveaus „keine abstrakte Ziffer“ sei. Das entscheide darüber, ob
       Menschen eine Mieterhöhung stemmen oder eine kaputte Waschmaschine ersetzen
       könnten. Insbesondere für Menschen mit wenig Geld spiele die Gesetzliche
       Rentenversicherung eine ganz zentrale Rolle. Bentele sprach sich für eine
       Stabilisierung deshalb für einen größeren Einzahlerkreis aus.
       Perspektivisch fordert der Sozialverband VdK, das Rentenniveau auf
       lebensstandardsichernde 53 Prozent anzuheben.
       
       Ulrike Stein, Rentenexpertin des Instituts für Makroökonomie und
       Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, warnte vor zunehmender
       Altersarmut: „Empirisch, zeigt sich klar, sinkt das Rentenniveau, steigt
       die Armutsgefährdungsquote“. Die Sicherung sei aber nicht nur eine Maßnahme
       gegen Altersarmut, sondern verbessere die Situation für alle, auch für die
       jüngere Generation. Die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung
       hänge maßgeblich von der Zahl der Einzahler ab. Stein plädierte dafür, auch
       Abgeordnete und Selbstständige mit einzubeziehen.
       
       Pascal Reddig, einer der rebellierenden jungen Unionsabgeordneten, wollte
       wissen, was passieren würde, wenn es zunächst keine Einigung gäbe und ob
       Rentenkürzungen denkbar seien. Imke Brüggemann-Borck vom DRV Bund verwies
       dann auf die Rentengarantie. Mit dieser Schutzklausel sei eine „Kürzung des
       aktuellen Rentenwertes ausgeschlossen.“
       
       Alexander Gunkel ist Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen
       Arbeitgeberverbände (BDA) und sitzt im Bundesvorstand der Deutschen
       Rentenversicherung. Er wiederum stützte die Argumentation der jungen
       Unionsabgeordneten. Der geplante Gesetzentwurf würde dauerhaft zu einem
       höheren Rentenniveau führen, voraussichtlich um einen Prozentpunkt. Die
       Mehrausgaben 2032 lägen bei 11,5 Milliarden und würden bis 2040 auf 14,5
       Milliarden Mehrausgaben steigen.
       
       Das geplante Rentenpaket sei „das teuerste Sozialgesetz dieses
       Jahrhunderts“, heißt es in der Stellungnahme. Die BDA spricht sich zudem
       [3][gegen eine Ausweitung der Mütterrente aus]. Gunkel hält die
       Finanzierung der Vorhaben durch zusätzliche Mittel vom Bund nicht für
       generationengerecht. Der Bund habe das Geld nicht. „Fakt ist, das
       Rentenpaket wird schuldenfinanziert und das werden die Jüngeren zahlen“,
       kritisierte er.
       
       In den verschiedenen Stellungnahmen wurde deutlich, dass keine Einigkeit
       herrscht, was die Reformbedürftigkeit der Gesetzlichen Rentenversicherung
       betrifft. Was das für das Rentenpaket der Bundesregierung konkret bedeutet,
       bleibt abzuwarten.
       
       11 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasmin Kalarickal
       
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