# taz.de -- Kabinett beschließt Aktivrente: Ein Steuergeschenk für Großverdiener*innen?
> Ab 2026 sollen Rentner*innen, die weiterarbeiten, 2.000 Euro
> steuerfrei dazu verdienen dürfen. Für Selbstständige gilt das nicht. Wer
> profitiert?
(IMG) Bild: Mehr Mäuse im Alter: Trotz Rente unterrichtet eine Lehrerin Senior*innen im Fach Englisch
Berlin taz | Der Eintritt ins Rentenalter verläuft nicht für alle gleich:
Wenn die gesetzliche Regelaltersgrenze erreicht ist, hören die meisten auf
zu arbeiten. Andere haben ihren Job aber vielleicht schon vorher wegen
Krankheit aufgegeben. Und es gibt die, die auch danach noch weiter jobben.
Laut Statistischen Bundesamt waren das in Deutschland [1][2023 etwa 13
Prozent.]
Genau diese Gruppe soll künftig stärker profitieren.
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, die freiwillig weiterarbeiten,
sollen neben der Rente 2.000 Euro steuerfrei dazuverdienen dürfen, also
24.000 Euro im Jahr. Sozialabgaben sind aber weiter fällig. Arbeitnehmer
und Arbeitgeber müssen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
abführen, der Arbeitgeber Beiträge zur Renten- und
Arbeitslosenversicherung. Den entsprechenden Gesetzentwurf hat das Kabinett
am Mittwoch beschlossen. Jetzt muss er noch im Bundestag beraten werden.
Mit der sogenannten Aktivrente will die Bundesregierung Anreize für ältere
Menschen schaffen, länger zu arbeiten. „Wir setzen weitere Impulse für
wirtschaftliches Wachstum in Deutschland“, erklärte Bundesfinanzminister
und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) in Berlin. Dafür brauche „die
Wirtschaft gerade auch die älteren und erfahrenen Arbeits- und Fachkräfte.“
Sie könnten ihr Wissen weitergeben und weiter mit anpacken. Die Aktivrente
soll helfen „personelle Engpässe in vielen Bereichen zu entschärfen“, heißt
es im Gesetzentwurf. In Kraft treten soll das Gesetz zum 1. Januar 2026.
890 Millionen Euro soll die Aktivrente pro Jahr kosten. Nach Schätzungen
der Bundesregierung werden etwa 168.000 Menschen davon Gebrauch machen. Der
Haken ist: Nicht alle können das. Denn die Aktivrente gilt nicht für
Selbstständige, Beamte oder Landwirte.
Der Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD) kritisierte das Vorhaben
deshalb scharf. Es gäbe zwar eine Vielzahl von Schlechterbehandlungen von
Selbstständigen im Steuer- und Sozialrecht. „Nie aber wurden Selbstständige
auf massivere und offensichtlichere Weise diskriminiert,“ erklärte
VGSD-Vorstandsvorsitzender Andreas Lutz.
## Nicht alle können so lang arbeiten
Mit der Aktivrente sende die Bundesregierung ein „trügerisches Signal“,
kritisierte auch [2][Jutta Schmitz-Kießler, Professorin an der Hochschule
Bielefeld.] „Rentnerinnen und Rentner, die arbeiten wollen, können das
längst – viele sind dazu gesundheitlich oder qualifikatorisch aber nicht in
der Lage“, erklärte die Rentenexpertin der taz. Die Vorstellung, der
Fachkräftemangel lasse sich durch mehr arbeitende Rentner*innen lösen,
verkenne zudem „die empirisch belegte Realität.“ Die meisten, die im
Rentenalter weiter arbeiten, seien „überdurchschnittlich qualifiziert und
gesund, aber häufig in einfachen Helfertätigkeiten tätig – nicht in den
Engpassberufen, in denen Fachkräfte fehlen.“ Die Aktivrente berge „die
Gefahr, soziale Ungleichheit zu verschärfen.“
Auch der Rentenexperte der Grünen Bundestagsfraktion, Armin Grau, hält die
Aktivrente für „kein gerechtes Instrument.“ Sie benachteilige nicht nur
Beamt*innen und vor allem Selbstständige, das betreffe etwa viele
Menschen im Handwerk. Diskriminiert würden auch die, die „knapp unterhalb
des Renteneintrittsalters noch arbeiten, obwohl sie gesundheitlich
eigentlich kaum mehr können“ sowie „Jüngere, die mit dem gleichen Aufwand
die gleiche Arbeit machen.“
Die gesamte Wissenschaft zweifele an, „dass damit nennenswert zusätzliches
Arbeitsangebot geschaffen werden kann“, sagte Grau. Die Aktivrente
generiere hauptsächlich Mitnahmeeffekte und sei dazu sehr teuer. Die Grünen
präferierten „die Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge für Arbeitslosen- und
Rentenversicherung für Menschen, die neben der Rente weiterarbeiten.“
Sarah Vollath, Rentenexpertin der Linksfraktion im Bundestag bezeichnete
die Aktivrente „als ein viel zu teures Steuergeschenk für Personen, die
ohnehin schon viel verdienen.“ Viele Menschen nähmen „jetzt schon Abschläge
in Kauf, um früher in Rente zu gehen.“ Sie gehe „also völlig an der
Lebensrealität der meisten Rentner*innen vorbei.“ Damit verschwende die
Bundesregierung „Milliarden, die besser eingesetzt werden sollten, um gegen
die [3][steigende Altersarmut vorzugehen.]“ Es brauche eine „große Reform
des Rentensystems, hin [4][zu einer Erwerbstätigenversicherung].“
15 Oct 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2025/PD25_05_p002.html
(DIR) [2] /Politologin-ueber-Altersarmut-bei-Frauen/!6066327
(DIR) [3] /Altersarmut-in-Deutschland/!6093389
(DIR) [4] /Beamte-und-Rentenkasse/!6112808
## AUTOREN
(DIR) Jasmin Kalarickal
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