# taz.de -- Schieflage im Pflegesystem: Kleine Schritte gegen den großen Kollaps
       
       > Der Reformbedarf im Pflegesystem ist groß. Eine Gesetzesneuerung stattet
       > Pflegekräfte nun mit mehr Kompetenzen aus. Nicht allen geht das weit
       > genug.
       
 (IMG) Bild: Eine Pflegerin auf der Intensivstation in einem Krankenhaus in Bremen
       
       taz | Die Herausforderungen sind riesig, die Lösungsansätze hingegen
       kleinteilig: Das Pflegesystem in Deutschland befindet sich in der
       Schieflage. Mit der wachsenden Zahl an Menschen mit Pflegebedarf – 5,7
       Millionen im Jahr 2025 – wird der Bedarf an qualifizierten Pflegekräften
       immer größer, gleichzeitig bleibt die Finanzlage der sozialen
       Pflegeversicherung (SPV) weiterhin instabil.
       
       Der Bundestag hat deshalb am Donnerstag über die Pflege abgestimmt. Union
       und SPD haben nun ein kleinteiliges Gesetz auf den Weg gebracht, das den
       Pflegeberuf attraktiver machen soll.
       
       „Endlich, endlich dürfen [1][Pflegefachkräfte das tun, was sie sowieso
       schon können]“, sagte SPD-Pflegepolitikerin Claudia Moll, selbst
       ausgebildete Altenpflegerin, in der Bundestagsdebatte. Zentraler
       Bestandteil des „[2][Gesetzes zur Befugniserweiterung und
       Entbürokratisierung in der Pflege]“ ist die Erweiterung der Kompetenzen von
       Pflegekräften.
       
       ## Mehr Handlungsspielräume für Pflegekräfte
       
       Pflegekräfte haben ohne die Genehmigung von Ärzt:innen im Arbeitsalltag
       oft wenige Handlungsspielräume – selbst wenn sie durch ihre Ausbildung
       theoretisch über das notwendige Wissen verfügten. Zukünftig sollen sie
       eigenverantwortlicher agieren können, beispielsweise bei der Versorgung von
       Wunden, im Bereich der Prävention, der Diabetes und der Demenz.
       
       Den genauen Leistungsumfang soll die Pflegeselbstverwaltung, der
       gesetzliche Zusammenschluss der Pflegekassen und der Pflegeeinrichtungen,
       zusammen mit den Pflegeberufsverbänden konkretisieren „Pflegekräfte werden
       tagtäglich von der Bürokratie lahmgelegt“, sagte Anne Janssen (CDU). Neben
       einer Vielzahl weiterer kleinteiliger Maßnahmen soll das Gesetz deshalb
       [3][auch Erleichterungen durch Bürokratieabbau] schaffen. Damit gehen
       jedoch auch weniger Qualitätsprüfungen einher.
       
       Der Entwurf sei Stückwerk, sagte Evelyn Schötz (Linke). Als „halbherzig“
       und „vertane Chance“ bezeichnete es Simone Fischer (Grüne). „Wir teilen die
       Zielrichtung, doch der Entwurf bleibt in zentralen Punkten hinter dem
       Notwendigen zurück“, so Fischer. So habe Schwarz-Rot wichtige Punkte des
       ursprünglichen Kabinettsentwurf der Ampelkoalition gestrichen, sagte
       Fischer. Das damalige Pflegekompetenzgesetz war wegen dem Ampel-Aus
       [4][nicht mehr zur Abstimmung im Bundestag gekommen].
       
       Dort war etwa die gesetzliche Verankerung der Pflegebeauftragten
       festgehalten worden. Bei der Abstimmung am Donnerstag enthielten sich daher
       Grüne und Linke, die AfD votierte gegen das Gesetz. Die weiteren Anträge zu
       Sofortmaßnahmen in der Pflege, eingebracht von Grünen und Linken, wurden
       abgelehnt.
       
       ## Versorgung und Finanzierung weiterhin unklar
       
       Der Deutsche Pflegerat begrüßte die Neuerung. „Die Richtung stimmt“, sagte
       die Präsidentin des Pflegerats, Christine Vogler, gegenüber der taz. „Was
       es jetzt braucht, sind klare Zuständigkeiten, verbindliche Fristen und eine
       gesicherte Finanzierung, um die neuen Handlungsspielräume zu sichern.“
       
       Die Versorgungsstrukturen in der Pflege und die langfristige Finanzierung
       der SPV bleiben indes unklar. Die von der Bundesregierung eingesetzte
       [5][Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“] soll im Dezember ihren
       Abschlussbericht mit konkreten Reformvorschlägen vorlegen. Trotz steigender
       Sozialbeiträge hatte die SPV im Jahr 2024 ein Defizit von 1,54 Milliarden
       Euro, auch in diesem Jahr droht ein Defizit in Höhe von 1,65 Milliarden
       Euro.
       
       Die schwierige Lage der Pflegeversicherung spiegelt sich auch im
       schwindenden Vertrauen der Bevölkerung wider. 62 Prozent der Befragten
       empfinden die Pflegeversorgung als nicht gut oder gar nicht gut, wie eine
       kürzlich veröffentlichte Studie von Allensbach [6][im Auftrag der DAK]
       zeigt. Als größtes Problem wird abermals die Finanzierung, [7][insbesondere
       die hohen Kosten bei der stationären Pflege], angesehen.
       
       7 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Fachkraeftemangel-in-der-Pflege/!5990163
 (DIR) [2] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw45-de-pflege-1116730
 (DIR) [3] /100-Millionen-Euro-an-Entlastung/!6127242
 (DIR) [4] /Personal-in-der-Pflege/!6053543
 (DIR) [5] /Zukunft-von-Pflegegrad-1/!6118452
 (DIR) [6] https://www.dak.de/presse/bundesthemen/politik-unternehmensnachrichten/dak-report-pflegesystem-steht-am-kipppunkt_151880
 (DIR) [7] /Pflegenotstand/!6073890
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Amelie Sittenauer
       
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