# taz.de -- Neuer Radikalenerlass in Hamburg: „Da werden Spitzeldienste organisiert“
       
       > Hans-Peter de Lorent warnt vor einer Regelabfrage beim Verfassungsschutz
       > für den Staatsdienst. Es erinnert ihn an die 70er, als er Berufsverbot
       > bekam.
       
 (IMG) Bild: Gegen Berufsverbote: In den 70ern hab es viel Protest gegen den Radikalenerlass, hier im Dezember 1975 in Stuttgart
       
       taz: Hans Peter De Lorent, der rot-grüne Senat in Hamburg plant ab Januar
       eine [1][Regelanfrage beim Verfassungsschutz] für den Staatsdienst. Was
       sagen Sie dazu? 
       
       Hans-Peter de Lorent: Das finde ich überhaupt nicht gut, weil es mich an
       die 70er und 80er Jahre erinnert, wo es diese Regelanfrage gegeben hat. Da
       gab es 3,5 Millionen Regelanfragen beim Verfassungsschutz. Daraus
       resultierten 11.000 Berufsverbotsverfahren und 2.200 Disziplinarverfahren.
       Und es wundert mich, dass Hamburg das machen will, weil die Stadt sich
       gerade vor zwei Jahren von der [2][Berufsverbote-Praxis dieser Zeit
       distanziert] hat und ihr Bedauern aussprach, auch gegenüber den damals
       Betroffenen und Verfolgten.
       
       taz: Aber nun fürchtet die Stadt die Unterwanderung des Staatsdiensts durch
       Islamisten. Das soll 50 Personen schon gelungen sein. Ist das nicht
       besorgniserregend? 
       
       de Lorent: Es ist zumindest nicht erfreulich. Aber die Personen sind ja
       offensichtlich bekannt, sodass man [3][aufgrund ihrer Aktivitäten konkrete
       Verfahren durchführen] kann. Dafür braucht man keine 100.000-fache Anfragen
       für alle Leute, die in den öffentlichen Dienst wollen. Und man argumentiert
       ja [4][auch mit der AfD]. Auch die wird ohnehin beobachtet. Auch
       Funktionäre der AfD, auch Abgeordnete, werden erfasst. Und wenn denen
       konkret etwas Verfassungswidriges nachzuweisen ist, kann man Verfahren
       gegen sie führen. Auch dazu braucht man nicht diese Regelanfrage.
       
       taz: Man könnte sagen, wer zu unserer Verfassung steht, hat nichts zu
       befürchten. 
       
       de Lorent: Ja, aber nach meinen Erfahrungen von vor 50 Jahren war es so,
       dass bei allen studentischen und gewerkschaftlichen Veranstaltungen immer
       Vertreter oder Spitzel des Verfassungsschutzes waren. Die schrieben alles
       mit und gaben es weiter. Das habe ich selber erlebt.
       
       taz: Sie schrieben darüber ein Buch, „Die Hexenjagd“. 
       
       de Lorent: Genau. Und als ich Schriftleiter der Hamburger Lehrerzeitung,
       der HLZ, war, wurde die im Bericht des Bundesverfassungsschutzes erwähnt.
       Weil es einen aufgeblähten Apparat gab, der interne Mitgliederzeitungen
       durchsah und Personen meldete, die etwas schrieben, was nicht passend
       schien. Das möchte ich wirklich nicht noch mal wieder erleben.
       
       taz: Die Regelabfrage führt also zu einem aufgeblähten Beobachtungsapparat? 
       
       de Lorent: Ja. 3,5 Millionen Regelanfragen gab es in der Zeit von 1970 bis
       1980. Für so eine Regelabfrage müssen zusätzlich unendlich viele Personen
       beim Verfassungsschutz eingestellt werden. Das führt nicht nur dazu, dass
       diese Personen staatlich tätig sind, sondern auch, dass Spitzeldienste
       organisiert werden. Und das ist unerträglich.
       
       taz: Die Regelanfrage soll wieder auch Schulen betreffen. 
       
       de Lorent: Ganz genau. In Bayern wird Lisa Poettinger nicht als
       Lehramts-Referendarin eingestellt, weil sie Klimaaktivistin ist. Meine
       Vision ist, dass junge Leute aus [5][Angst vor Berufsverbot] nicht mal mehr
       bei Fridays for Future aktiv sein wollen. Wenn ich mir angucke, wer damals
       nach dem Studium nicht eingestellt worden wäre, fallen mir auch Grüne wie
       [6][Winfried Kretschmann] oder Krista Sager ein. Deshalb ist mein Appell:
       Gebt jungen Leuten die Möglichkeit, sich zu entwickeln, politisch sich
       Gedanken zu machen und haut nicht gleich mit der Keule drauf.
       
       taz: Sie sind bei den Grünen. Gibt es intern Kritik an dem geplanten
       Gesetz? 
       
       de Lorent: Das kann ich nicht sagen, weil ich jetzt lange Zeit mit
       Schreibarbeiten beschäftigt war und die interne Diskussion nicht
       miterlebte.
       
       taz: Für Ihre Bücher bekommen Sie am 17. November das Bundesverdienstkreuz. 
       
       de Lorent: Ja. Für meine NS-Forschungen und die Veröffentlichungen dazu.
       
       taz: Aber erst mal diskutieren Sie am Montag mit Gewerkschaftlern über
       diese neue Regelabfrage, unter dem Titel „[7][Nie wieder Berufsverbote“].
       Ist das Gesetz noch zu verhindern?
       
       de Lorent: Das kann ich nicht beurteilen. Aber die Tatsache, dass alle
       Hamburger Gewerkschaften, die mit dem öffentlichen Dienst zu tun haben,
       also DGB, GEW, Verdi, vehement dafür plädieren, diese Entwicklung zu
       stoppen, stimmt mich ein bisschen optimistisch.
       
       9 Nov 2025
       
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 (DIR) [7] https://www.linksfraktion-hamburg.de/termine/nie-wieder-berufsverbote-keine-gesinnungsschnueffelei-im-oeffentlichen-dienst/
       
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 (DIR) Kaija Kutter
       
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