# taz.de -- Abschiebungen nach Syrien: Reden wir nicht darüber!
       
       > Die Union versucht, die von Außenminister Wadephul (CDU) losgetretene
       > Debatte über Abschiebungen nach Syrien wieder einzufangen. Mit wenig
       > Erfolg.
       
 (IMG) Bild: Außenminister Johann Wadephul (CDU) unterwegs in Syrien Ende Oktober
       
       Die Bundesregierung gibt sich sichtlich Mühe, die aktuelle Diskussion über
       Abschiebungen nach Syrien kleinzureden, die nach einem Besuch von
       Bundesaußenminister Johann Wadephul in Damaskus aufgekommen ist. Inhaltlich
       gebe es „keinen Dissens“ zwischen Außen- und Innenminister, betonte der
       stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer am Montag. Der Sprecher
       von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) wiederum verwies auf den
       Koalitionsvertrag, der Abschiebungen nach Syrien vorsieht. Und der Sprecher
       von Wadephul (CDU) erklärte, dieser habe weniger über Rückführungen,
       sondern vor allem über die freiwillige Rückkehr gesprochen.
       
       Wadephul war in der vergangenen Woche nach Syrien gereist. Von dem Besuch
       in einem völlig zerstörten Vorort von Damaskus sichtlich beeindruckt, hatte
       er gesagt, dass die Rückkehr dorthin „zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr
       eingeschränkt möglich (ist), weil in der Tat doch sehr viel an
       Infrastruktur in diesem Land zerstört ist“. Kurzfristig könnten die
       Menschen „nicht zurückkehren“. Aus den Reihen von CDU und CSU wurde
       Wadephul daraufhin teils harsch kritisiert. Wadephul hatte aber auch
       gesagt: eine Abschiebung von Straftätern halte er für möglich.
       
       Am Wochenende hatten CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Stefan
       Kornelius, der Sprecher von Bundeskanzler Friedrich Merz, von einem
       „Scheinkonflikt“ gesprochen. Der Kanzleramtsminister trat am Montagmorgen
       im Deutschlandfunk auf, der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im
       ZDF-„Morgenmagazin“. Ganz schön viel Auftrieb für einen nicht vorhandenen
       Konflikt.
       
       Im Innenministerium betont man jedoch seit Langem, dass man nach Syrien
       abschieben will. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Nach Afghanistan und
       Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“
       
       ## Keine Abschiebungen nach Syrien seit 2012
       
       Gespräche über mögliche Abschiebungen nach Syrien seien „weit
       fortgeschritten“, sagte der Sprecher des Innenministeriums. Er betonte,
       dass [1][sogenannte „Erkundungsreisen“ von Syrer*innen] in ihr
       Heimatland nicht möglich seien, ohne ihren Asylstatus zu gefährden. Es sei
       nach „eingehender Prüfung“ entschieden worden, diese Regelung nicht zu
       ändern.
       
       Der Außenamtssprecher wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern, ob sein
       Ministerium diese Position für sinnvoll hält. Andere Länder, die wie die
       Türkei viele Geflüchtete aus Syrien aufgenommen haben, lassen solche Reisen
       auf Probe zurück in die Heimat zu.
       
       Seit 2012 hat Deutschland nicht nach Syrien abgeschoben. Zu groß waren die
       Gewalt und das Elend in den Jahren des Bürgerkriegs ab 2011. Auch
       Straftäter*innen, die nach der Verurteilung ihren Schutzstatus verloren,
       bekamen während der Herrschaft von Langzeitdiktator Assad meist ein
       sogenanntes Abschiebeverbot. Aber seit dem Sturz von Baschar al-Assad Ende
       2024 macht die Union Druck, die Abschiebungen wieder anlaufen zu lassen.
       
       ## Gewalt auch unter den neuen Machthabern
       
       Dass es in Syrien auch unter den neuen Machthabern zu Gewalt kommt, hat die
       Unionspolitiker*innen bislang nicht zum Umdenken gebracht. Im
       Frühjahr verübten regierungsnahe islamistische Milizen in der Stadt Suwaida
       [2][ein Massaker an drusischen Zivilist*innen]. Zuvor hatte es auch
       massive Gewalt regierungsnaher Kämpfer gegen alawitische Zivilist*innen
       gegeben. Aus dieser religiösen Minderheit stammen Ex-Diktator Assad und
       viele andere Eliten des alten Regimes.
       
       Sollten Abschiebungen nach Syrien prinzipiell wieder aufgenommen werden und
       auch von Gerichten gebilligt werden, bleibt die Frage, wer genau betroffen
       wäre. Derzeit leben in Deutschland rund eine Million Syrer*innen, von denen
       aktuell aber nur etwa 10.000 ausreisepflichtig sind. Und von diesen
       Ausreisepflichtigen besitzen derzeit über 9.000 eine Duldung, die
       bescheinigt, dass sie nicht abgeschoben werden können. Bleiben rund 1.000
       vollziehbar Ausreisepflichtige.
       
       Die Zahl der Ausreisepflichtigen könnte sich allerdings massiv erhöhen,
       sollte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Bamf damit beginnen,
       syrischen Geflüchteten die einmal erteilten Schutzzusagen wieder zu
       entziehen. Das könnte potenziell die rund 600.000 Syrer mit befristetem
       Aufenthaltstitel betreffen, wie man ihn in den ersten Jahren nach der
       Anerkennung als Flüchtling bekommt.
       
       Bedingung ihrer Abschiebung wäre ein Widerruf des Schutzstatus, für den es
       ein eigenes Prüfverfahren braucht. Bislang führt das Bamf solche Verfahren
       nur für Straftäter durch, es ist aber unklar, ob das so bleibt. Dobrindts
       Vorgängerin im Innenministerium, Nancy Faeser (SPD), hatte großflächige
       Überprüfungen angekündigt, geschehen ist bislang aber nichts. Offen ist
       ohnehin, ob das Bamf überhaupt in der Lage wäre, so viele Fälle ein zweites
       Mal zu prüfen.
       
       ## Wem Abschiebung droht
       
       Am konkretesten von Abschiebung bedroht dürften neben Straftäter*innen
       künftig auch Neuankommende und Personen sein, deren Asylverfahren noch
       nicht beendet ist. Nachdem die Verfahren seit dem Sturz des Assad-Regimes
       zunächst pausiert waren, prüft das Bamf seit Ende September wieder Fälle,
       zumindest solange es um „junge, arbeitsfähige, alleinreisende Männer“ geht.
       Es ist bislang aber noch nicht abzusehen, ob das Bamf ihre Asylanträge nun
       tatsächlich in großer Zahl ablehnt.Ohnehin stellten zuletzt nur noch sehr
       wenige Syrer*innen einen neuen Asylantrag in Deutschland. Bis August
       dieses Jahres waren es rund 17.000, während es im Vorjahr über 70.000
       waren.
       
       3 Nov 2025
       
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