# taz.de -- Verfassungsgericht zu Abschiebehaft: Erst der Richter, dann die Handschellen
       
       > Drei Menschen klagten gegen ihre Abschiebehaft, da sie ohne richterliche
       > Entscheidung festgenommen wurden. Ihr Anwalt sieht die Praxis „ständig
       > und überall“.
       
 (IMG) Bild: Zaun der Abschiebehaftanstalt Eisenhüttenstadt
       
       Bei geplanter Abschiebehaft muss bereits die Festnahme richterlich
       angeordnet werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht in drei Beschlüssen
       klargestellt, die an diesem Dienstag veröffentlicht wurden.
       
       Konkret ging es um eine Slowakin, die Deutschland verlassen musste, weil
       sie bereits mehrfach straffällig wurde. Geklagt hatten außerdem eine Frau
       und ein Mann aus Eritrea, die nach den Dublin-Regeln nach Italien
       überstellt werden sollten. In allen Fällen wurden die Personen erst
       festgenommen und dann einem Richter vorgeführt, der die Abschiebehaft
       anordnete.
       
       Wie eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts nun klarstellte, ist dies
       verfassungswidrig. Freiheitsentziehende Maßnahmen müssen, wenn möglich,
       vorab richterlich angeordnet werden. In zwei der Fälle hatten die
       Ausländerbehörden die Abschiebung schon Tage vorher geplant. Es wäre, so
       das Bundesverfassungsgericht, also problemlos möglich gewesen, das
       Amtsgericht auch vorab über die Festnahme entscheiden zu lassen.
       
       In einem der beiden Fälle lag zwischen Festnahme und richterlicher
       Anordnung zwar weniger als eine Stunde, doch auch hier, so die
       Verfassungsrichter:innen, müsse die Reihenfolge eingehalten werden. Der
       Richtervorbehalt unterliege keiner „Marginalitätsschwelle“.
       
       Im dritten Fall hatte der Eritreer seine Überstellung nach Italien durch
       Widerstand verhindert, so dass die Haft am Freitagnachmittag überraschend
       verlängert werden musste. Eine richterliche Entscheidung war zunächst
       unterblieben, weil die Geschäftszeit des Amtsgerichts Frankfurt/Main
       freitags um 15 Uhr ende. Erst am Samstag entschied ein Amtsrichter über die
       Fortdauer der Haft.
       
       Auch dies akzeptierte das Bundesverfassungsgericht nicht, „weil es
       allgemein festgelegte Dienstzeiten für Richter nicht gibt“. Ein Amtsgericht
       müsse sich so organisieren, dass von 6 bis 21 Uhr ein Richter erreichbar
       ist. Bei Bedarf, insbesondere in Großstädten, müsse auch ein nächtlicher
       Bereitschaftsdienst eingerichtet werden. Dies hatte das
       Bundesverfassungsgericht bereits in anderen Kontexten, etwa bei der
       Unterbringung psychisch Kranker, entschieden.
       
       ## Keine Einzelfälle
       
       Alle drei Verfassungsbeschwerden waren vom Hannoveraner Anwalt Peter
       Fahlbusch eingelegt worden, dem bundesweit führenden Experten für
       Abschiebungshaft. Nach seiner Darstellung handelt es sich hier nicht um
       Einzelfälle. „So etwas gibt es ständig und überall.“ Die konkreten Fälle
       kamen hier auch aus unterschiedlichen Bundesländern, konkret von den
       Landgerichten in Ingolstadt, Frankfurt/M. und Erfurt.
       
       Fahlbusch hatte in dieser Sache auch schon mehrfach Erfolg beim
       Bundesverfassungsgericht und wunderte sich etwas, dass das Gericht diesmal
       die Öffentlichkeit per Pressemitteilung informierte. Vermutlich handelt es
       sich dabei um eine Art verfassungsrechtliches Vermächtnis des Richters
       Ulrich Maidowski, der in allen drei Verfahren federführend war und dessen
       Amtszeit Anfang Oktober endete.
       
       Anwalt Fahlbusch wehrte sich gegen den Vorwurf, dass hier nur
       Formvorschriften durchgesetzt werden. „Wenn ein Richter vorab ohne
       Zeitdruck über die Festnahme entscheidet, kann und wird er in der Regel
       gründlicher prüfen, als wenn er die Akten der Person erstmals nach der
       Festnahme sieht und die Person gefesselt vor ihm steht“, so Fahlbusch,
       „möglicherweise kommt der Richter dann auch zu anderem Ergebnissen, weil
       ihm zum Beispiel auffällt, dass eine Abschiebung gar nicht möglich ist.“
       
       28 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Abschiebung
 (DIR) Migration
 (DIR) Abschiebehaft
 (DIR) Bundesverfassungsgericht
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Geflüchtete
 (DIR) Friedrich Merz
 (DIR) Flüchtlingssommer
 (DIR) Abschiebehaft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Innenministerkonferenz: Leichter länger in die Haft
       
       Niedersachsens Innenministerin will Ausreisepflichtigen leichter die
       Freiheit nehmen – und zwar, ohne dass sie zuvor einen Richter gesehen
       haben.
       
 (DIR) Felix Banaszak und das Stadtbild: Was hängen bleibt
       
       Grünen-Chef Banazsak versucht Merz' Stadtbild-Debatte auf links zu drehen –
       mit Differenzierung statt Empörung. Warum es ihm nicht gelungen ist.
       
 (DIR) 10 Jahre zivile Seenotrettung: Menschenrechte über Bord
       
       Sea-Watch rettet seit zehn Jahren Flüchtende in Seenot. Immer wieder
       erleben ihre Crews Repressionen. Bei ihrer jüngsten Mission fällt ein
       Schuss.
       
 (DIR) Abschiebehaft in Deutschland: Wen es wirklich trifft
       
       Freund:innen eines Gambiers haben mit Demos und einer Petition probiert,
       ihn aus der Abschiebehaft zu holen. Das Gericht hat seinen Eilantrag
       abgelehnt.