# taz.de -- Entwicklungsprogramm der EU: Europas Seidenstraße
> Brüssel feiert Investitionsbereitschaft beim Global Gateway Forum. Wie
> viel Geld geflossen ist, bleibt unklar. NGOs kritisieren fehlende
> Transparenz.
(IMG) Bild: Die USA und EU wollen mit der Bahnstrecke „Lobito Corridor“ den Transport von Rohstoffen aus dem Kongo beschleunigen
Brüssel/Berlin taz | Das „Global Gateway“-Programm der EU droht hinter
vergleichbare Projekte aus China oder den USA zurückzufallen. Davor warnt
der Unternehmer-Lobbyverband Business Europe. Die EU müsse vor allem bei
digitalen Infrastrukturprojekten schneller werden und gezielter als bisher
investieren, sagte Verbandschef Fredrik Persson. Bei einer hochrangig
besetzten Konferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in
Brüssel gab es jedoch dabei keine nennenswerten Fortschritte. Kritiker
beklagten neokoloniale Anwandlungen der EU.
Der Global Gateway, den die Kommissionschefin 2021 initiiert hat, soll das
Gegenprojekt zu Chinas Neuer Seidenstraße, der „Belt and Road Initiative“
(BRI) sein. Mit Investitionen in Entwicklungsvorhaben vor allem in den
Bereichen Infrastruktur und Energie will die EU Partner und Rohstoffe
sichern, verfolgt aber auch ökologische und soziale Ziele. Die Hälfte der
Investitionen soll nach Afrika fließen.
Zu den Vorzeigeprojekten gehörten dabei beispielsweise der [1][Lobito
Corridor], eine Eisenbahnstrecke, die von Kongos Kupferminen zu Angolas
Hafen führt, sowie grüner Wasserstoff in mehreren Ländern oder auch die
Medusa-Unterwasser-Glasfaserverbindungen zwischen Europa und Nordafrika.
Die meisten Investitionen im Rahmen des Global Gateway waren allerdings
schon vor 2021 geplant oder sogar bereits gestartet. Die neue Initiative
soll diese bündeln, koordinieren – und neues Kapital „mobilisieren“. Das
heißt, dass die EU Zusagen von privaten Investoren dadurch einholt, indem
sie das Risiko – also mögliche Verluste – absichert. Bei der Konferenz in
Brüssel gab die EU-Kommission bekannt, sie habe das Ziel, 300 Milliarden
Euro bis 2027 zu mobilisieren, bereits jetzt mehr als erreicht.
## Manche Milliarden stehen nur auf dem Papier
Manche der mobilisierten 306 Milliarden dürften aber vorerst nur auf dem
Papier stehen, sie sind Versprechen. Wie viel Geld tatsächlich schon
geflossen ist, bleibt unklar, die Summe dürfte aber weitaus geringer sein.
„Die EU verhält sich extrem bedeckt mit Datentransparenz“, sagt Simon Pompé
von der Zivilorganisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (Weed).
„Es ist auch schwer nachzuvollziehen, wie viel Geld davon nicht ohnehin –
ohne das Programm – geflossen wäre.“
Den Stellenwert von Global Gateway zeigt auch die Präsenz der Staats- und
Regierungschefs aus Afrika, Lateinamerika und der Karibik auf dem
zweitägigen Forum in Brüssel. Zwölf waren hierhin angereist, am
chinesischen Pendant, dem [2][BRI-Gipfel im Oktober 2023] nahmen zwanzig
Staatschefs teil.
Auch aus [3][den Monitoringberichten des Green Finance and Development
Center] der Fudan-Universität in Shanghai, China, zum chinesischen Programm
sprechen ganz andere Dimensionen. Allein 2024 wurden im Rahmen des
Programms Bauaufträge im Wert von 70,7 Milliarden US-Dollar vergeben und
Investitionen in Höhe von etwa 51 Milliarden US-Dollar getätigt. Seit der
Gründung 2013 sollen insgesamt 1,175 Billionen US-Dollar in den Globalen
Süden geflossen sein.
Das chinesische Programm wird vielfach dafür kritisiert, dass sich die
überdimensionierten Infrastrukturprojekte für Entwicklungsländer häufig
nicht rechnen, sie auf den Schulden sitzen bleiben – und in Abhängigkeit
gehalten werden. Die EU betont hingegen, auf Nachhaltigkeit und Qualität zu
setzen. Investitionen werden „den höchsten sozialen und ökologischen
Standards entsprechen und mit den Werten und Normen der EU im Einklang
stehen“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
## NGOs beklagen Neokolonialismus
Aus Sicht von Zivilorganisationen weltweit sieht die Realität aber häufig
anders aus. Auf einer Veranstaltung von Eurodad und anderen NGOs im Vorfeld
des Global Gateway Forums vergangene Woche beklagten sie neokoloniale Züge:
Die Vorhaben befriedigten vor allem Europas Interessen. Bei vielen
Projekten sei die Finanzierung nicht gesichert und es fehle an Transparenz.
Die Zivilgesellschaft und von den Projekten betroffene Gemeinschaften
würden häufig nicht einbezogen. Umweltprüfungen seien mangelhaft.
Afrika sei immer als Exporteur von Rohstoffen gehandelt worden, ohne dass
die Menschen dort davon profitieren, sagt Veronica Fadzai Zano von der
Entwicklungsorganisation Oxfam südliches Afrika. Auch im Hinblick auf den
Lobito Korridor zeichne sich das ab. „Global Gateway bedient geopolitische
Interessen und schafft keine Win-Win-Situation“. Wenn soziale und
ökologische Standards wichtig seien – warum würden Expert*innen der
Zivilgesellschaft dann nicht einbezogen?
Kasachstan wolle ein wichtiger Anbieter von Wasserstoff werden, aber wie
Projekte im Rahmen von Global Gateway umgesetzt werden, werfe Fragen auf,
sagt auch Kaisha Atakhanova, von der Umweltorganisation ARGO in Kasachstan.
„Wir haben Bedenken hinsichtlich der enormen Wasser- und Landressourcen,
die dafür benötigt werden. Und wir wissen, dass das Kaspische Meer bereits
schrumpft.“ Zugleich fehle es an Informationen über das Projekt.
Udo Bullmann, sozialdemokratischer Sprecher im Entwicklungsausschuss des
EU-Parlaments, sieht auch positive Beispiele. Er nennt die Eisenfabrik
HyIron Oshivela in Namibia, die mit Solarenergie betrieben wird und
Eisenabfälle recycelt. Das schaffe Wertschöpfung vor Ort. „Damit werden
Ausbildungschancen angeboten und Menschen in Arbeit gebracht“, sagt
Bullmann.
Dennoch sieht auch er, dass das nicht bei allen Projekten so ist. Für ihn
ist das Hauptproblem von Global Gateway, dass es [4][keine hinreichende
parlamentarische Kontrolle] gibt. „Im Gegensatz zu Wirtschaftsvertretern
und Mitgliedstaaten wird das Parlament nicht angemessen einbezogen“, sagt
Bullmann. Und: „Die Ergebnisse müssen messbar werden.“
13 Oct 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Rohstoffexporte-aus-der-DR-Kongo/!6108224
(DIR) [2] /Gipfel-in-Peking/!5963729
(DIR) [3] https://greenfdc.org/category/belt-and-road-initiative-bri/
(DIR) [4] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-10-2025-003691_EN.html
## AUTOREN
(DIR) Eric Bonse
(DIR) Leila van Rinsum
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