# taz.de -- AfD und Linke klagen in Karlsruhe: Schwächung der Opposition per Gesetzesänderung
       
       > Dem Verfassungsgericht liegen sechs Eilanträge vor. Sie sollen eine
       > Grundgesetzänderung durch die alte Bundestagsmehrheit verhindern. Haben
       > sie Chancen?
       
 (IMG) Bild: Bei einer geplanten Sondersitzung im Bundestag sollen weitreichende Grundgesetzänderungen beschlossen werden
       
       Freiburg taz | Kann der alte Bundestag auch nach der Neuwahl noch
       Verfassungsänderungen beschließen? AfD und Linke halten das für
       verfassungswidrig und [1][wollen die geplanten Sondersitzungen des
       Bundestags mit Eilanträgen verhindern]. Das Bundesverfassungsgericht wird
       wohl schon in den kommenden Tagen entscheiden.
       
       Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hatte für den 13. und 18. März zu
       zwei Sondersitzungen des Bundestags in alter Zusammensetzung eingeladen.
       Dort soll über drei [2][Grundgesetzänderungen zur Aufweichung der
       Schuldenbremse], auf die sich die kommende Koalition aus CDU/CSU und SPD in
       ihren Sondierungsgesprächen geeinigt hat, beraten und diese beschlossen
       werden. Erst am 25. März soll dann der Bundestag in neuer Besetzung
       zusammenkommen.
       
       Das Vorgehen mit einer Last-Minute-Grundgesetzänderung durch den alten
       Bundestag ist politisch umstritten. Denn damit wird verhindert, dass
       [3][die bei der Wahl erstarkten Parteien AfD und Linke] im neuen Bundestag
       die Verfassungsänderungen blockieren können. Es ist derzeit allerdings auch
       nicht sicher, ob die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im alten Bundestag
       (und im Bundesrat) überhaupt zustande kommt.
       
       Gegen die Einberufung der Sondersitzungen lagen beim
       Bundesverfassungsgericht am Montagabend bereits sechs Eilanträge vor:
       Dahinter stecken zum einen vier Organklagen. Kläger sind die AfD-Fraktion,
       fünf AfD-Abgeordnete um Christian Wirth, die fraktionslose
       Ex-AfD-Abgeordnete Joana Cotar und die kommende Fraktion der Linken im neu
       gewählten Bundestag. Hinzu kommen zwei Verfassungsbeschwerden von bisher
       unbekannten Bürger:innen, die aber vermutlich keine Rolle spielen werden.
       
       ## Erfolg zweifelhaft
       
       Im Organstreit machen die Abgeordneten und Fraktionen geltend, dass sie in
       eigenen Rechten verletzt sind, insbesondere weil sie ihr durch die Neuwahl
       errungenes Mandat nicht schnellstmöglich einnehmen können. Die Fraktionen
       können auch Rechte des neu gewählten Bundestags geltend machen.
       
       Es ist [4][sehr zweifelhaft, ob die Organklagen in der Sache Erfolg haben
       werden]. Denn im Grundgesetz-Artikel 39 heißt es: „Der Bundestag tritt
       spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl zusammen.“ Die ganz
       überwiegende Mehrheit der Verfassungsrechts-Professor:innen, die sich
       bisher dazu geäußert haben, geht davon aus, dass der alte Bundestag bis zum
       25. März voll handlungsfähig ist, also auch mit Zwei-Drittel-Mehrheit das
       Grundgesetz ändern kann.
       
       ## Frage bisher nicht entschieden
       
       Die Gegenposition, die nun AfD und Linke vertreten, glaubt jedoch, dass
       Bärbel Bas dazu verpflichtet ist, den neuen Bundestag einzuberufen, sobald
       dies möglich ist. Entscheidendes Datum wäre demnach der 14. März, weil die
       Bundeswahlleiterin an diesem Tag das endgültige Ergebnis der Bundestagswahl
       feststellt. Zumindest die geplante Sondersitzung des alten Bundestags am
       18. März wäre nach dieser Logik also nicht mehr möglich.
       
       Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob der Bundestag [5][nach einer
       Bundestagswahl noch Verfassungsänderungen beschließen kann], bisher nicht
       entschieden. Ob es jetzt zu einer Entscheidung kommt, hängt aber zunächst
       davon ab, ob die Anträge überhaupt zulässig sind. Denn auch hier gibt es
       einige offene Fragen.
       
       ## Anträge womöglich nicht zulässig
       
       So können Abgeordnete des alten Bundestags wohl nicht mit dem Argument
       klagen, dass Abgeordnete des neuen Bundestags an der rechtzeitigen Einnahme
       ihres Mandats gehindert werden. Denn im Organstreitverfahren kann
       grundsätzlich nur die Verletzung eigener Rechte geltend gemacht werden.
       
       Abgeordnete und Fraktionen des kommenden Bundestags existieren derzeit aber
       noch gar nicht, da sich der neue Bundestag ja noch nicht konstituiert hat.
       Die Linke spricht in ihrer Klage daher von einer „Vor-Fraktion“. Es ist
       aber auch nicht abwegig, dass eine Vor-Fraktion ihr (eventuelles) Recht
       einklagen kann, schnellstmöglich zur Fraktion zu werden. Auch darüber hat
       das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden.
       
       ## Mehr Gestaltungsmöglichkeiten
       
       Wenn eine Verfassungsklage weder offensichtlich begründet noch
       offensichtlich unbegründet oder unzulässig ist, führt das
       Bundesverfassungsgericht in der Regel eine Folgenabwägung durch. Diese
       könnte hier dazu führen, dass die Eilanträge abgelehnt werden. Denn auch
       wenn dann eine Grundgesetzänderung zustande käme, würde sie den kommenden
       Bundestag nicht fesseln, sondern im konkreten Fall eher entfesseln. Die
       strenge Schuldenbremse soll ja aufgeweicht werden. Der kommende Bundestag
       [6][hätte dann mehr Gestaltungsmöglichkeiten], er wäre aber auch nicht
       gezwungen, die nun möglichen Extraschulden für Verteidigung und
       Infrastruktur aufzunehmen.
       
       Auf Anfrage hat das Bundesverfassungsgericht noch offen gelassen, wann es
       über die vorliegenden Eilanträge entscheiden wird. Denkbar ist ein
       Zeitpunkt vor dem 13. März, weil sich die Eilanträge bereits auf die erste
       Sondersitzung beziehen. Ausreichend wäre aber auch noch eine Entscheidung
       vor dem 18. März, weil ja erst dann die Grundgesetzänderung beschlossen
       werden soll.
       
       Soviel ist klar: Die kommende Karlsruher Eilentscheidung kann fundamentale
       Folgen für die Staatsfinanzen, aber auch für die Regierungsbildung und
       damit für die Zukunft der Demokratie in Deutschland haben.
       
       11 Mar 2025
       
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