# taz.de -- Vorbild Tübingen: Kampf dem Wegwerfmüll
       
       > Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat eine Steuer auf
       > Einwegverpackungen eingeführt – andere Städte wollen nun nachziehen.
       
 (IMG) Bild: Um solche Bilder zu verhindern, hat Tübingen eine Verpackungssteuer eingeführt
       
       Alle, die auf deutschen Gehwegen nicht Schritt auf Tritt über Kaffeebecher
       stolpern wollen, sollten Boris Palmer dankbar sein. [1][Vor drei Jahren hat
       der Oberbürgermeister in Tübingen eine Verpackungssteuer eingeführt],
       eigenmächtig natürlich. Nach einer Klage von McDonald’s hat nun das
       [2][Bundesverfassungsgericht] höchstrichterlich geurteilt: Der Alleingang
       war rechtens.
       
       Damit könnte der Weg für weitere Städte in Deutschland frei sein, der
       zunehmenden Vermüllung durch Einwegbecher, Pommesschalen und Plastikgabeln
       den Kampf anzusagen. [3][Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe stehen
       bereits zahlreiche Kommunen in den Startlöchern]. Anders als Boris Palmer
       wollten sie Rechtssicherheit. Die haben sie nun.
       
       Tübingens Steuer geht so: Bietet zum Beispiel ein Imbissbetreiber keine
       Mehrwegverpackung für Pommes und Co. an, werden die Pappschale und der
       Einwegbecher für den Kaffee danach mit 50 Cent besteuert. Einwegbesteck
       kostet 20 Cent. Nicht bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern, also der
       Nachfrageseite setzt diese „Lenkungssteuer“ an, sondern auf der
       Angebotsseite. Die macht mit oder gibt die Preise weiter.
       
       ## Aus dem Stadtbild verschwunden
       
       Und das zeigt Wirkung. Einwegbecher aus Pappe oder Plastik seien aus dem
       Stadtbild verschwunden, hatte die für die Steuer zuständige Tübinger
       Mitarbeiterin bereits im November bei einer Sitzung des Umweltausschusses
       im Berliner Abgeordnetenhaus berichtet. Die Grünen, die die Tübingerin
       eingeladen hatten, konnten sich mit ihrem Antrag, auch in Berlin eine
       Verpackungssteuer einzuführen, dennoch nicht durchsetzen.
       CDU-Umweltsenatorin Ute Bonde sagte, man warte auf eine bundeseinheitliche
       Regelung. Nach Angaben des BUND lässt der Berliner Senat damit Einnahmen
       von [4][40 Millionen Euro jährlich auf der Straße] liegen.
       
       Denn die Regelung im Bund lässt auf sich warten, obwohl mit Steffi Lemke
       eine Grüne das Bundesumweltministerium leitet. Lemke hat immer wieder auf
       die Pflicht der Gastronomie verwiesen, Mehrwegverpackungen anzubieten.
       Statt auf die Angebotsseite setzte sie auf die Nachfrageseite und auf
       Freiwilligkeit.
       
       Zumindest in Berlin ist diese „Mehrwegangebotspflicht“ allerdings krachend
       gescheitert. Aber auch in anderen Städten hat die Deutsche Umwelthilfe bei
       Stichproben festgestellt, dass die Gastronomie keine Recup-Becher und
       -Assietten zum Wiederverwenden anbietet. Die [5][Berliner SPD-Fraktion]
       kann sich darum inzwischen vorstellen, beim Instrumentenkasten ein Regal
       höher zu greifen: Sie fordert den schwarz-roten Senat auf, die Einführung
       einer Verpackungssteuer zu prüfen.
       
       Andere Städte sind schon weiter. [6][In Bremen] hat die grüne
       Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf angekündigt, die Steuer nach dem
       Karlsruher Urteil umsetzen zu wollen. Der Senat der Hansestadt erwartet
       Einnahmen von vier Millionen Euro im Jahr.
       
       Dass die Kommunen tatsächlich an eine lenkende Wirkung der Steuer glauben,
       zeigt das Beispiel Heidelberg. Auch dort wurde auf das Urteil aus Karlsruhe
       gewartet. „Die Verpackungssteuer ist ein Baustein, um die Menschen zum
       Umstieg auf Mehrwegverpackungen, zum Beispiel beim Mittagessen, zu
       motivieren“, sagt Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos). „Damit
       reduzieren wir das Müllaufkommen im öffentlichen Raum und verbessern das
       Stadtbild.“
       
       Nicht nur jene, die nicht über Pappbecher stolpern wollen, sind Boris
       Palmer offenbar dankbar, sondern auch die Bürgermeisterinnen und
       Bürgermeister. Erst recht, wenn mit einer neuen Bundesregierung eine
       einheitliche Regelung gänzlich von der Agenda verschwinden sollte.
       
       26 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tuebingen.de/verpackungssteuer
 (DIR) [2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/bvg25-006.html?nn=68112
 (DIR) [3] https://www.zfk.de/entsorgung/duh-umfrage-mehr-als-100-deutsche-staedte-an-verpackungssteuer-interessiert
 (DIR) [4] https://www.bund-berlin.de/service/presse/detail/news/verpackungssteuer-kann-berlin-40-millionen-euro-jaehrlich-einbringen/
 (DIR) [5] https://www.spdfraktion-berlin.de/pressemitteilungen/2025/januar/verpackungssteuer-ist-verfassungskonform-senat-muss-umsetzung-ernsthaft-pruefen
 (DIR) [6] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/verpackungssteuer-einweg-verpackung-bremen-urteil-100.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
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