# taz.de -- Weltnaturkonferenz in Cali: Mehr Rechte für Indigene, aber kein neuer Fonds
       
       > Verhandlungen über die Finanzierung von Naturschutz im Globalen Süden
       > wurden vertagt. Dafür bekommen indigene Gemeinschaften einen ständigen
       > Ausschuss.
       
 (IMG) Bild: Mitglieder der brasilianischen Delegation indigener Völker bei der Eröffnungszeremonie in Cali. Sie sollen künftig mehr mitreden
       
       Cali taz | Am Ende gab es zwar keine Einigung, aber trotzdem großen Jubel.
       Als die Präsidentin der 16. Conference of the Parties (COP) in Cali,
       [1][Susana Muhamad], den Vorschlag, den Indigenen Gemeinschaften mit einem
       ständigen Ausschuss mehr Gewicht zu verleihen, für angenommen erklärte,
       fielen sich Indigene Vertreter:innen und ihre Fürsprecher in die Arme
       und sangen.
       
       Muhamad reckte einen Stab in die Höhe, das Zeichen der kolumbianischen
       indigenen Garde, und rief den Kampfspruch „Guardia, Guardia!“ übers Mikro
       in den Saal. Den folgenden Punkt moderierte sie mit deutlichem Schniefen
       an.
       
       In den Verhandlungen über das Geld hat sich die kolumbianische
       Umweltministerin Muhamad aber wohl verzockt. Falls ihr Kalkül war, am Ende
       ordentlich Verhandlungsdruck aufzubauen, ist es nicht aufgegangen. Die Zeit
       reichte nicht mehr, mehrfach baten Länder um eine Auszeit, um Dokumente zu
       studieren, die zu kurzfristig für sie veröffentlicht wurden.
       
       Und so musste am Ende der größte Brocken dieses 16. Treffen der
       Mitgliedstaaten der Konvention über Biologische Vielfalt (CBD) vertagt
       werden. Der Biodiversitätsfonds samt Plan, wie er bis 2030 mit den
       avisierten 200 Milliarden Dollar gefüllt werden könnte, kam nicht zustande.
       Bei der entscheidenden Abstimmung waren nicht mehr genug Delegierte im
       Raum, um das Quorum zu erreichen.
       
       ## Streit zwischen Ländern des Globalen Norden und Süden um Finanzierung
       
       Auf dieser COP16 habe sich eine „Kultur des Misstrauens“ gezeigt, sagte
       Sierra Leones Umweltminister, Jiwoh Abdulai. Die Front verläuft grob
       zwischen sogenannten Entwicklungsländern und den Industrienationen. Der
       bestehende Mechanismus GEF (Global Environment Facility), dem größten
       globalen Fonds zur Finanzierung von Umweltschutz, ist den meisten
       afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern ein Dorn im Auge, weil sie
       nicht direkt Geld bei ihm beantragen können, sondern Organisationen
       beauftragt werden, Naturschutzmaßnahmen durchzuführen, etwa
       UN-Organisationen wie die Welternährungsorganisation FAO oder der WWF. Die
       [2][Demokratische Republik Kongo und andere] hatten schon vor der COP
       darauf gedrungen, einen neuen Finanzmechanismus einzurichten.
       
       Muhamad hatte als Kompromiss einen Biodiversitätsfonds zur Finanzierung des
       weltweiten Artenschutzes vorgeschlagen – und diesen eh schon umstrittenen
       Vorschlag am letzten Konferenztag noch einmal verbal nachgeschärft. EU,
       Schweiz, Japan, Kanada und Australien waren dagegen, weil sie keine
       weiteren Strukturen wollten.
       
       Es stimme nicht, dass der Norden gegen einen zusätzlichen Fonds sei, weil
       er nicht zahlen wolle, sagte Jan-Niclas Gesenhues, der als Staatssekretär
       im Bundesumweltministerium in Cali mitverhandelte. „Deutschland hat
       beispielsweise die globale Biodiversitätsfinanzierung auf fast 1,4
       Milliarden pro Jahr erhöht“, sagte Gesenhues, „international sind wir bei
       gut 15 von den 20 Milliarden Dollar.“ Es sei wichtig, dass das Geld
       „wirklich zusammenkommt und effizient eingesetzt wird“.
       
       Schon am Freitag zeichnete sich ab, dass es in Cali eine Nachtschicht geben
       würde – da wollte Muhamad noch „bis zum Sieg“ verhandeln. Statt
       ursprünglich um Mitternacht endete das Plenum erst am Samstagmorgen um 9
       Uhr. Da waren schon viele Teilnehmer:innen zum Flughafen geeilt. Die
       offenen Finanzpunkte sollen nun bei einem Interimstreffen geklärt werden
       und nicht erst auf der nächsten COP, die in zwei Jahren in Armenien
       stattfinden wird.
       
       ## „Ein beispielloser Moment in der Geschichte der multilateralen
       Umweltabkommen“
       
       Ausgerechnet bei Themen, die vor Beginn der Konferenz als besonders
       schwierig galten, gab es Ergebnisse. So wurde beschlossen, einen
       „Cali-Fonds“ einzurichten, um [3][Gewinne aus der Nutzung Digitaler
       Sequenzinforamtionen (DIS)] gerechter zu verteilen. Außerdem bekommen
       Indigene und lokale Gemeinschaften einen permanenten Ausschuss, der die
       bislang lockere Arbeitsgruppe ersetzt – was zu dem großen Jubel im
       Konferenzsaal führte.
       
       Der Ausschuss soll indigene Völker stärker in Entscheidungen über den
       Naturschutz einbeziehen. Der Staatssekretär im Deutschen Ministerium für
       wirtschaftliche Entwicklung, Jochen Flasbarth, bezeichnete das in Cali als
       einen „geradezu historischen Schritt“. In einem neuen Arbeitsprogramm
       sollen die Rechte, Beiträge und das traditionelle Wissen indigener Völker
       und lokaler Gemeinschaften weiter in die globale Agenda eingebettet werden.
       
       „Dies ist ein beispielloser Moment in der Geschichte der multilateralen
       Umweltabkommen“, sagte die Indigenenvertreterin Camila Romero aus Chile
       nach der Einigung. „Die Vertragsparteien haben erkannt, dass unsere
       uneingeschränkte und wirksame Beteiligung, unser Wissen und unsere
       Innovationen, unsere Technologie und unsere traditionellen Praktiken
       ständig benötigt werden“, so Romero.
       
       3 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Wojczenko
       
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