# taz.de -- Koloniales Erbe in Berlin: Page in prächtiger Livree
       
       > Eine Ausstellung im Schloss Charlottenburg in Berlin hebt hervor, was
       > immer schon in seinem barocken Interieur zu sehen war: koloniale
       > Geschichten.
       
 (IMG) Bild: Allegorie für Afrika von Wilhelm Christian Meyer/ Porzellanmanufaktur Berlin, um 1767 (Ausschnitt)
       
       Eine Tür öffnet sich. Wie eine versteckte Tapetentür führt sie zu bisher
       nicht erzählten Geschichten, die sich mit dem Glanz und schönen Schein der
       Räume des barocken Schlosses Charlottenburg in Berlin verbinden. Alles, was
       die Ausstellung „Schlösser. Preußen. Kolonial“ in den Fokus rückt, war
       immer schon sichtbar und wurde doch leicht übersehen.
       
       Der Exotismus ist tief verankert im ästhetischen Programm der
       repräsentativen Räume. In höfischen Porträts, die Schwarze Diener neben den
       brandenburgischen Prinzen und Fürstinnen zeigen, in Skulpturen, Porzellanen
       aus China, Lackarbeiten aus Japan, in Deckengemälden und selbst in den
       Pflanzen des Parks, überall finden sich Hinweise auf die Kolonialzeit, den
       mit kolonialen Handelsgesellschaften erworbenen Reichtum.
       
       Die ästhetischen Inszenierungen aber verdecken das schwere Unrecht, unter
       dem viele der hier Porträtierten und der Objekte in die prächtigen Säle
       kamen. Vielmehr erwecken sie ein Bild von Weltläufigkeit und Kenntnis des
       Fernen.
       
       Dem setzt die Ausstellung in ihren beiden Teilen im Neuen und im Alten
       Schloss jetzt in Textlabels, einem Audioguide und in Kommentaren
       zeitgenössischer Künstler:innen eine andere Erzählung entgegen. Es sind
       vereinzelte Markierungen, die ahnen lassen, dass noch viel mehr Details
       davon betroffen sein können.
       
       Im Porzellankabinetts des Alten Schlosses etwa wird nach einem Schwarzen
       Kind gefragt, das im Deckenbild nach dem Sonnenwagen der Aurora greift und
       von einer weiblichen Figur mit einer Uhr am Bein gefesselt wird. Mit der
       Aurora gilt das [1][Bild als Allegorie] des Anbruchs eines neuen
       Zeitalters. Steht das Schwarze Kind für die Dunkelheit, Gefahr und
       Unwissenheit?
       
       ## Der inszenierte Reichtum: Porzellan
       
       Die Wände des Kabinetts sind so reich mit Vasen und Tellern geschmückt, von
       Spiegeln verdoppelt, dass Staunen und Bewunderung ob dieser Anhäufung von
       Kostbarkeiten offensichtlich der Effekt war, der hervorgerufen werden
       sollte. Das Haus Oranien hatte gute Verbindungen zur Niederländischen
       Ostindien-Kompanie, den größten Importeur von Porzellan nach Europa, das
       selbst noch kein Porzellan herstellen konnte.
       
       Die Objekte wurden für den europäischen Markt entworfen, ihre Ästhetik
       antwortete den europäischen Vorstellungen von der asiatischen Welt. Sie
       waren teuer; die Ausstellung macht nun erstmals den Kontext auf, dass für
       die Geldbeschaffung, um diese Prestigeobjekte zu erwerben, der
       Sklavenhandel durchaus eine Rolle gespielt hat.
       
       Schwarze Kinder tauchen nicht nur als Allegorie, sondern auch als konkrete
       Personen auf, etwa als Pagen in einer prächtigen Livree, so in einem
       Porträt von Markgraf Karl Friedrich Albrecht von Brandenburg-Schwedt.
       [2][Der Hofmaler Antoine Pesne] legte Wert auf die Lichter, die sich in der
       Rüstung des Markgrafen und den Verzierungen im Kostüm des Dieners spiegeln,
       darunter ein eng anliegendes Halsband, das als Symbol der Versklavung
       identifiziert wird und sich auch in weiteren Bildern Schwarzer Diener
       findet. „Den Markgrafen bedienten zahlreiche aus Afrika stammende
       Menschen“, schreibt die Kuratorin Carolin Alff in einer Begleitpublikation.
       
       Die Ausstellung im Neuen Schloss versammelt einige Bilder mit Schwarzen
       Dienern als zweite Figur hinter den [3][höfischen Protagonisten aus Preußen
       und Brandenburg]. Einerseits sind diese Doppelporträts oft anmutige
       Darstellungen, andererseits erzählen sie von einer unhinterfragbaren
       Hierarchie zwischen den Weißen und den Schwarzen Menschen.
       
       ## Namen der Taufpaten
       
       Jedem Schwarzen Abgebildeten eine Biografie zuzuordnen, ist ein Wunsch der
       Neubetrachtung. Doch das gelingt nur bruchstückhaft, denn es gibt nur
       wenige schriftliche Zeugnisse über das Leben von gekauften Dienern,
       Dienerinnen und Kindern. Dass sie nicht selten auf christliche Namen
       getauft wurden und ihre Herrschaft als Taufpaten fungierten, ist oft die
       einzige Spur, die gefunden wurde. Auszüge der Taufregister stehen nun auf
       der Wand neben den Bildern und markieren die Lücke, das mangelnde Wissen
       über ihr Leben.
       
       Die beiden Kuratorinnen Carolin Alff und Susanne Evers haben unter anderem
       mit dem Historiker Hatem Hageb aus Kairo zusammengearbeitet, von dem dann
       oft die Texte aus nichtwestlicher Perspektive stammen. Man merkt seinen
       Texten den großen Druck an, Aufklärungsarbeit zu leisten über die Zahlen
       der versklavten und verschleppten Menschen zu informieren. Was eben in den
       klassischen kunsthistorischen Interpretationen lange kaum mitgedacht wurde,
       steht nun im Vordergrund. Das ist auf jeden Fall interessant.
       
       Dabei geht es auch um den Rassismus in den Darstellungen, die Abwertungen
       Schwarzer Menschen. Etwa in allegorischen Porzellanfiguren, wenn der
       Kontinent Afrika als Kind neben eine erwachsenen Europa gestellt wird. Doch
       solche allegorischen Bilder erzählen auch von Faszination für das
       Unbekannte, von Sehnsucht nach dem Fernen, von der Suche nach einer
       Ursprünglichkeit. Das alles kann man in diesen Bildprogrammen des Barock
       auch mitlesen.
       
       4 Aug 2023
       
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