# taz.de -- Neue Nationalgalerie und Kulturpolitik: Zurück in die Neunziger?
       
       > Man kann seine Freude haben an der Schau von Monica Bonvicini in der
       > Neuen Nationalgalerie. Sie eröffnet auch Fragen über die Berliner
       > Kulturpolitik.
       
 (IMG) Bild: Was ist Bühne, was Reflexion in dieser Sadomaso-Anstalt, um die herum sich gerade einiges ändert?
       
       Da stehen sie im Glaspalast der Neuen Nationalgalerie Berlin, die
       Künstlerin Monica Bonvicini und der Kurator Klaus Biesenbach. Sie scheinen
       zu versinken in dem monumentalen Minimalismus des Architekten Mies van der
       Rohe, vor den acht Meter hohen Glasflächen und unter einem rund 60 Meter
       umspannenden Dachquadrat aus Stahlkassetten, die ein Mies 1968 mit vielen
       Zugeständnissen der Politik ins damals ruinöse Westberlin setzen konnte.
       
       Seit die Neue Nationalgalerie [1][2021 nach jahrelanger Sanierung wieder
       eröffnete], versucht ihr stellvertretender Direktor Joachim Jäger diese
       eigentlich unbezwingbare Mies’sche Halle im Obergeschoss zu bespielen. Man
       begann mit den kinetischen Plastiken des klassisch modernen Alexander
       Calder, dann legte die US-Amerikanerin Barbara Kruger ihre großformatigen
       Slogans über den Natursteinboden, und nun breitet die Bildhauerin Monica
       Bonvicini klirrende Stahlketten, mit Leder bezogene Designermöbel und lang
       von der Decke hängende Handschellen in den heiligen Räumen aus.
       
       Ein großes Podest durchschneidet die gläserne Halle, sein Stahlgerüst ächzt
       bei jedem Schritt darauf. Bonvicini ließ seine meterlangen Wände mit so arg
       polierten Spiegeln versehen, dass man nicht mehr weiß, was in dieser
       transparenten Sadomaso-Anstalt nun eine Bühne und was ihre Reflektion ist.
       „I do You“ heißt die am vergangenen Freitag eröffnete Ausstellung, als käme
       ihre Ansage direkt aus dem Darkroom.
       
       ## Schräges Revival
       
       Man kann seine Freude haben an der Schau. Monika Bonvicini setzt einer
       geradezu starren Architektur-Ikone nun dieses humorvolle Schauspiel
       entgegen. Sie unterwandert mit ihrer strengen Ästhetik eine Baukunst der
       Moderne, die ohnehin gerade in der öffentlichen Diskussion einer kritischen
       Revision unterzogen wird. Sozial zu rigide, von zu einseitig männlicher,
       weißer Autorschaft sei sie.
       
       Seit 30 Jahren lebt die Venezianerin in Berlin. Gemeinsam mit dem jetzigen
       Direktor der Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, hat Bonvicini die
       Kunstszene der Stadt in den 1990er Jahren geprägt. In der einst von
       Kohlegeruch durchzogenen und heute gänzlich gentrifizierten Ostberliner
       Auguststraße hatte sie ihr Atelier, während Biesenbach dort mit dem „KW“
       ein neues Zentrum für aktuelle Kunst mitaufbaute. Die erste Berlin-Biennale
       wurde 1998 von ihm kuratiert, Bonvicini lieferte dafür eine zentrale
       Arbeit.
       
       Und so lässt sich „I do You“ auch als ein Revival der Kunststadt Berlin aus
       den 1990er Jahren lesen. Ein schräges Revival jedoch, folgten den damaligen
       Low-Budget-Experimenten der beiden beachtliche Karrieren im internationalen
       Kunstbetrieb, die Bonvicini und Biesenbach von den unsanierten Häusern mit
       Kohleofen nun in den gerade für 140 Millionen Euro sanierten Mies’schen
       Glaspalast zusammenbringen.
       
       So stehen sie da während der Pressekonferenz zu „I do You“, vor der Kulisse
       des Kulturforums, gleichsam als Protagonisten wie als Sinnbild einer
       Berliner Kunstlandschaft. Und über sie sollte gerade politisch diskutiert
       werden.
       
       ## Der gut vernetzte Galerist
       
       Da ist einmal der gut vernetzte Berliner Galerist Johann König, dessen
       Künstler:innen in den letzten Jahren vielfach im Programm der
       Nationalgalerie auftauchten. Schon lange kursieren gegen ihn Vorwürfe der
       sexuellen Übergriffe, nun scheinen sie ihn tatsächlich ins Schwanken zu
       bringen. Wenige Wochen vor der Eröffnung von „I do You“ distanzierte sich
       [2][Bonvicini als erste Künstlerin] von ihrem Galeristen König. Sie blieb
       dabei aber erstaunlich stumm.
       
       In den letzten Tagen erst verließen auch andere namhafte Künstler:innen
       Königs Galerie, darunter Katharina Grosse oder das Duo Elmgreen & Dragset.
       
       Und dann ist da noch das geplante Museum des 20. Jahrhunderts. Klaus
       Biesenbach, den Monika Grütters in einer letzten Amtshandlung als
       Bundesbeauftragte für Kultur und Medien noch 2021 vom Museum of
       Contemporary Art in Los Angeles an die Neue Nationalgalerie holte, wird
       auch Direktor dieser großen Institution sein. [3][Er wolle die
       Museumsarbeit sozial] und ökologisch ausrichten, sagt er, während sich auf
       der Baustelle hinter der Mies’schen Glasfront mit dem vermutlich 450
       Millionen Euro teuren Museumsneubau gerade eine große Klimasünde ankündigt.
       
       ## Plumpe Typologie der Scheune
       
       Vor sechs Jahren hat das Baseler Starbüro Herzog & de Meuron den Wettbewerb
       für das Museum gewonnen. Und ihr Entwurf einer Scheune für die Kunst
       scheint noch viel weiter im Gestern zu liegen – die postmodern gedrehte
       oder vielleicht auch einfach plumpe Typologie der Scheune, die
       städtebauliche Verfestigung einer autogerechten Stadt, der Baustoff Beton
       und nicht zuletzt ein enorm energiefressendes Raumprogramm.
       
       Man will nun das Energiekonzept überarbeiten, die jetzige Bundesbeauftragte
       für Kultur und Medien Claudia Roth hat hierfür kürzlich Gelder
       bereitgestellt. Im nächsten Jahr will auch Biesenbach die neuen
       Energiepläne vorstellen. Doch laufen diese nicht nur auf ein wenig Kosmetik
       am Bau heraus? „I do You“ – das könnte auch eine Ansage zu mehr
       kulturpolitischem Mut sein, dazu, radikal neu zu entscheiden. Ob das
       geschehen wird?
       
       27 Nov 2022
       
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