# taz.de -- Debatte um Kunsthalle in Tempelhof: Der Dercon-Moment
       
       > Der Boykottaufruf der Berliner Künstlerschaft gegen die private
       > Kunsthalle im Flughafen Tempelhof ist richtig.
       
 (IMG) Bild: Kollateralgeschädigter Künstler: Venet-Ausstellung im Hangar
       
       Jetzt ist sie also wieder da – die „Berliner Kunsthalle“, die einigermaßen
       überraschend am 28. Januar mit einer Ausstellung des französischen
       Altmeisters der Bildhauerei, Bernar Venet, eröffnet hat. Nicht zum ersten
       Mal – man erinnere sich an den Schriftzug „Zweifel“ auf dem Dach des
       ausgeweideten Palasts der Republik – in einer städtischen Bruchbude.
       
       Jetzt ist es der lange vernachlässigte Flughafen Tempelhof. Er wird von
       einer dieser berühmt-berüchtigten Projekt GmbHs betrieben, die die
       Landesregierung so liebt, weil ihre privatrechtliche Form sie der Kontrolle
       des Parlaments entzieht und die Besetzung der Kontrollgremien, etwa des
       Aufsichtsrats, gut zu steuern ist. Es ist also die Politik, nicht das
       Projektmanagement, die es zu verantworten hat, dass Walter Smerling hier
       nun weiter seine Geschäfte macht.
       
       Der umtriebige Mann vom Rhein ist Gründer der privaten Bonner Stiftung für
       Kunst und Kultur e. V. und Direktor des ebenfalls privaten Museums
       Küppersmühle in Duisburg. Gerade war er noch in den Tempelhofer Hangars 2
       und 3 mit „Diversity United“ zugange, einer Großausstellung
       zeitgenössischer Kunst mit der politischen Zielsetzung Moskau – wo die
       Ausstellung zur Zeit gastiert bevor sie nach Paris reist – und die dort
       ansässigen Kunst- und Putinfreunde in die Kulturszene Europas
       einzugemeinden, eine Zielsetzung, die das Auswärtige Amt mit einer Million
       Euro förderte. Offenkundig stört sich dort niemand daran, mit Leuten in
       einem Boot zu sitzen, die am helllichten Tag im Berliner Tiergarten
       Auftragsmorde durchführen lassen. Wladimir Putin ist neben Walter
       Steinmeier Schirmherr von „Diversity United“.
       
       Im Senat wiederum stört sich niemand daran, dass der Hauptsponsor von
       Smerlings privater Berliner Kunsthalle, Christoph Gröner, in einem
       Interview mit dem ZDF vor der Tempelhof-Kulisse von der Kunst als
       „Türöffner“ sprach. Der Mann, aber vielleicht weiß man das im Senat nicht,
       ist Immobilienentwickler, spezialisiert auf die Sanierung von Großbauten.
       Man ahnt also, worum es wirklich geht, nur noch nicht, wie sich das in
       Tempelhof dann konkret gestaltet.
       
       ## Zweifelhaftes Kunstverständnis
       
       Sein Kunstverständnis demonstrierte Gröner, als er 2019 bei einer
       Golfklub-Benefiz-Auktion für Neo Rauchs Schmähbild „Der Anbräuner“, das
       seinen Kritiker Wolfgang Ullrich mit Scheiße schmierend zeigt, auf die
       gebotenen 350.000 noch einmal 400.000 Euro triumphierend drauflegte. Ja,
       mit solchen Leuten möchte man in Berlin unbedingt zusammenarbeiten, nur
       blöderweise nicht die Kunstszene.
       
       Sie hat also einen Boykottaufruf gegen die Kunsthalle und ihren Betreiber
       gestartet, von dem man hoffen möchte, dass er zu Klaus Lederers
       [1][„Dercon-Moment“] wird. Dem Moment, der klar macht, dass es falsch ist,
       die Anliegen der lokalen Künstlerschaft genauso zu ignorieren wie ihre
       kulturpolitische Expertise. Dem Moment, in dem öffentlich wird, dass die
       Senatsverwaltung, wie die FAZ am Samstag schreibt, falsch kommuniziert und
       vergessen hat, zu erwähnen, dass sie Smerling auf Kosten der Steuerzahler
       bezuschusst. Bei den Betriebskosten macht man halbe-halbe, was den Senat
       jeden Monat 100.000 Euro kostet. In der Berlinischen Galerie, dem massiv
       unter Geldmangel leidenden Landesmuseum, werden sie große Augen machen
       angesichts dieser insgesamt 2,4 Millionen für die zwei Jahre, in denen
       Smerling und sein Immobilienfreund die Hangars mietfrei zur Verfügung
       gestellt werden.
       
       Bernar Venet ist nicht gemeint mit diesem Boykott. Seine Ausstellung ist
       der sogenannte Kollateralschaden. Das ist schade, denn die Berliner hätten
       guten Grund, ihn und sein Werk näher kennenzulernen, erinnert doch manch
       eine und manch einer seinen monumentalen Stahlbogen auf dem Grünstreifen
       vor der Urania. Doch weil Venet seit Kurzem beim Großgaleristen Johann
       König in St. Agnes unter Vertrag ist, wird man dort sein Werk ebenfalls
       kennenlernen können. Ein Vierteljahr ist es übrigens auch erst her, dass
       Walter Smerling ihm die Ausstellung in Berlin offerierte. Zufall?
       
       5 Feb 2022
       
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