# taz.de -- CDU-Politikerinnen mit Zukunft: Die Frauenfrage
       
       > Wenn Angela Merkel als Kanzlerin abtritt, gibt es in der ersten Reihe der
       > CDU fast keine Frau mehr. Welche Politikerinnen könnten aufsteigen?
       
       Mitte Januar, er ist gerade zum CDU-Chef gewählt, sitzt Armin Laschet im
       ZDF-Studio und soll Halbsätze vervollständigen. „Dass die nächste Kanzlerin
       ein Mann ist …“, gibt die Moderatorin vor. „Ist sehr wahrscheinlich“,
       antwortet er. „Ein Kabinett Laschet zur Hälfte mit Frauen zu besetzen …“,
       fährt der Co-Moderator fort, „… muss das Ziel sein“, ergänzt Laschet. Und
       sagt: „Wir brauchen Parität in der nächsten Bundesregierung.“
       
       Sechzehn Jahre lang stand eine Frau an der Spitze der Bundesrepublik, gut
       zwanzig Jahre führten Frauen die Christlich Demokratische Union. Nach der
       Bundestagswahl im September wird Angela Merkel als Kanzlerin abtreten, als
       Parteichefin ist auch ihre Nachfolgerin bereits Geschichte.
       
       Schaut man jetzt auf die erste Reihe der CDU, sieht man kaum noch eine
       Frau. Für den Parteivorsitz kandidierten drei Männer, um die
       Kanzlerkandidatur stritten sich zwei. Der CDU-Generalsekretär: ein Mann,
       der Fraktionschef im Bundestag ebenso. Und die beiden CDU-Minister, die in
       der Pandemie vor allem im Fokus der Öffentlichkeit standen, weil sie das
       Gesundheits- und das Wirtschaftsressort leiten und damit das Bild der
       Regierung stark prägten: ebenfalls Männer.
       
       Armin Laschet, inzwischen Kanzlerkandidat der Union, hat erkannt, dass dies
       für seine Partei ein Problem werden könnte. 2017, bei der letzten
       Bundestagswahl, haben deutlich mehr Frauen als Männer die CDU gewählt. Will
       er Kanzler werden, muss Laschet die Wählerinnen halten. Seit dem Interview
       im ZDF im Januar hat er das Versprechen, als Kanzler die Hälfte der
       Bundesregierung mit Frauen zu besetzen, mehrfach wiederholt. Für sein
       Kompetenzteam im Wahlkampf aber hat Laschet bislang nur eine Person
       benannt: Friedrich Merz. Damit will er den Wirtschaftsflügel der Partei
       einbinden.
       
       Fragt man Armin Laschet bei der Vorstellung des Union-Wahlprogramms nach
       seinem Team, antwortet er ausweichend: „Lassen Sie sich überraschen. Man
       wird noch andere Persönlichkeiten sehen als die, die wir alle schon
       kennen.“
       
       Bleibt die Frage: Wer könnten die Frauen sein, die mit Laschet an der
       Spitze weiter aufsteigen?
       
       An einem Montag Ende April hat er sich im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses
       zu einer Pressekonferenz eingefunden. Der CDU-Chef hangelt sich tapfer an
       seinem Sprechzettel entlang: „Wir brauchen eine neue Gründerzeit“, sagt er,
       spricht von altem und neuem Mittelstand, von Start-ups und Digitalisierung.
       
       Dann hat Nadine Schön das Wort, die an dem Redepult neben Laschets steht.
       Fröhlich lächelnd und mit saarländischer Färbung sagt sie, dass Start-ups
       weit mehr als ein „hippes Thema“ seien. Sie spricht über Mut und
       Gestaltungswillen, schlägt lässig den Bogen von Klimawandel und Pandemie
       über innovative Ideen, die in Unternehmen stecken, und eine dringend
       notwendige Staatsreform bis hin zu Geopolitik und der Künstlichen
       Intelligenz, die man nicht China überlassen dürfe. Das sei auch eine Frage
       der Werte.
       
       Schön, 38, ist eine von elf stellvertretenden Vorsitzenden der
       Unionsfraktion im Bundestag, Co-Chefin des Netzwerks Digitalisierung der
       CDU und [1][einer der Köpfe hinter „Neustaat“]. Mit diesem Projekt will die
       Unionsfraktion staatliche Strukturen reformieren, sie effektiver und
       schneller machen. Wie dringend nötig das ist, hat Corona gezeigt. „Wir
       müssen den Staat ganz neu denken“, sagt Schön. Und zu der Erkenntnis
       kommen, dass die Art, wie wir arbeiten, kein Modell für die Zukunft ist.
       Vierzig Maßnahmen hat die Fraktion dafür vorgeschlagen, im Bereich
       Bürokratieabbau etwa oder in der Digitalisierung. Hört man sich in Berlin
       um, mit welchen CDU-Frauen künftig zu rechnen sei, ist Nadine Schön meist
       dabei.
       
       Ein anderer Name, der stets fällt, ist der von Serap Güler,
       Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen. Güler, 40, ist die
       einzige Muslima im Bundesvorstand ihrer Partei. Jetzt kandidiert sie zum
       ersten Mal für den Bundestag.
       
       Ein Mittwochmittag Anfang Juni, Serap Güler nickt dem Besuch kurz zu, dann
       spricht sie weiter auf Türkisch in ihr Handy. „Das war meine Mutter“,
       entschuldigt sie sich später, „das war jetzt wichtig“. Güler sitzt in einem
       nüchternen Besprechungsraum im achten Stock eines Hochhauses in
       Düsseldorf-Unterbilk. Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und
       Integration ist vorübergehend hier untergebracht.
       
       „Integrationspolitik ist vor allem ein symbolisches Thema“, sagt sie. „Wenn
       wir die Integration in diesem Land voranbringen wollen, müssen wir für
       Menschen mit Einwanderungsgeschichte ein Zugehörigkeitsgefühl schaffen.“
       Das aber fehle bei vielen Menschen. Und es gebe diese politischen Debatten,
       die erschweren würden, dass dieses Gefühl entsteht – etwa jene über Mesut
       Özil und sein Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan. Das Foto sei
       zweifellos falsch gewesen. Viele türkischstämmige Menschen aber habe
       erschreckt, dass Deutschtürken offenbar nur unter Vorbehalt akzeptiert
       würden – und es damit schnell vorbei sein könne.
       
       „Da müssen wir besser werden“, sagt Güler und meint auch die eigene Partei
       damit. „Mit Armin Laschet als Parteivorsitzenden und auch als Kanzler wird
       Integrationspolitik stärker in den Mittelpunkt rücken.“
       
       Laschet, heute nordrhein-westfälischer Ministerpräsident, war von 2005 bis
       2010 Integrationsminister in Düsseldorf, der erste bundesweit. Er hat Güler
       damals als Referentin im Ministerium eingestellt und sie dann auch in die
       Politik geholt. Güler wiederum kann man getrost als „Laschet-Ultra“
       bezeichnen. Kaum jemand hat sich im Machtkampf zwischen ihm und CSU-Chef
       Markus Söder öffentlich so klar für Laschet starkgemacht.
       
       Nadine Schön stand in dem erbitterten Kampf auf der anderen Seite. Sie war
       eine der CDU-Bundestagsabgeordneten, die Söder wollten, weil sie ihn für
       den aussichtsreicheren Kanzlerkandidaten hielten. „Das Meinungsbild in der
       CDU Saar war überwiegend für Markus Söder.“ Mittlerweile sei sie aber
       überzeugt davon, dass die Union die richtige Entscheidung gefällt habe,
       sagt Schön und lobt Laschets Integrationsfähigkeit.
       
       Es ist Ende Juni, die letzte reguläre Sitzungswoche in dieser
       Legislaturperiode, Schöns Terminkalender quillt über. Sie hat ein Büro im
       fünften Stock des Jakob-Kaiser-Hauses, vom Balkon aus kann man auf die
       Spree blicken.
       
       Schön ist in einem Dorf im Saarland aufgewachsen, der Vater war Polizist,
       die Mutter Krankenschwester. Aus Langeweile kam sie mit 15 zur Jungen
       Union. „Es gab nichts, wo wir uns abends mit Freunden treffen konnten,
       außer der Bushaltestelle oder an der Schulmauer.“ Deshalb habe man die JU
       wiederbelebt und sich für einen Jugendraum und ein Basketballfeld
       eingesetzt. „Von den Themen her hätte es aber auch eine andere
       Jugendorganisation sein können. Es ging nicht um die große Politik“, sagt
       Schön und lacht.
       
       Auf das Abitur folgt ein Jurastudium, dann macht sie mit der CDU schnell
       Karriere. Mit 21 Jahren zieht die Saarländerin als jüngste Abgeordnete in
       den Landtag ein, mit 26 Jahren, im Jahr 2009, in den Bundestag, seit 2014
       ist sie Vizevorsitzende der Fraktion mit den Schwerpunkten Familie, Frauen
       und Digitale Agenda.
       
       Sie sei überrascht gewesen, als ihr Kreisvorsitzender sie fragte, ob sie
       sich eine Landtagskandidatur auf einem Nachrückerplatz vorstellen könne,
       erzählt Schön. Groß war die Überraschung auch, als der Platz bereits wenige
       Wochen nach der Wahl frei wurde. Der Anfang ihrer Landtagszeit sei
       megaanstrengend gewesen, sagt Schön. Parallel dazu musste sie ihr
       Jurastudium und die Journalistenakademie der Konrad-Adenauer-Stiftung zu
       Ende bringen. „Damals habe ich sieben Kilo weniger gewogen als heute.“
       
       Serap Gülers Eltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei ins Ruhrgebiet,
       die Familie lebte in einer Bergarbeitersiedlung in Marl. Nach dem Abitur
       machte sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, dann studierte sie
       Kommunikationswissenschaften und schloss mit einer Arbeit über die
       „Konstruktion eines Mythos genannt Parallelgesellschaft“ ab.
       
       Güler war 13 Jahre alt, als Rechtsextremisten im Sommer 1993 in Solingen
       das Haus der Familie Genç in Brand steckten, fünf Menschen starben. Von
       Solingen bis Marl ist es nicht weit, Gülers Familie stammt wie die Gençs
       aus der Türkei, sie sind Muslime.
       
       „Das hat in mein Leben eine Schwere gebracht: Diese Angst, dass das jedem
       von uns hätte passieren können“, sagt Güler. „Mit Cem gab es dann aber
       plötzlich ein Vorbild, das uns allen Hoffnung gemacht hat.“ Gemeint ist
       damit Cem Özdemir, der 1994 als erster türkischstämmiger Abgeordneter in
       den Bundestag einzog. „Das war ein Knaller“, sagt Güler. „Erst hieß es:
       ‚Unsere Leute werden hier angegriffen‘, dann: ‚Einer von uns sitzt im
       Bundestag‘.“ Özdemir sei immer ein „Riesenvorbild“ gewesen, seine
       Parteizugehörigkeit völlig egal.
       
       Politisiert worden sei sie aber während des Studiums. Anfang der 2000er
       Jahre diskutierte die Republik erregt über Parallelgesellschaften, über
       Ehrenmorde und Zwangsehen. „Auf einmal“, sagt Güler, „standen viele junge
       Frauen wie ich im Visier der Gesellschaft.“ Ihre deutschen Freunde hätten
       sie damals sogar vor einem Urlaub in der Türkei gefragt, ob sie jetzt
       zwangsverheiratet werde. „Menschen, die mich und meine Familie kannten, nur
       weil wir aus der Türkei stammen und Muslime sind. Das tat ganz schön weh.“
       Da habe sie gemerkt, wie eine öffentliche Debatte das gesellschaftliche
       Klima vergiften kann.
       
       Auf einer Veranstaltung, auf der sie dem Grünen Cem Özdemir zuhören will,
       lernt Güler schließlich Armin Laschet kennen, der ihr nach dem Studium
       einen Job als Referentin in seinem Ministerium anbietet. 2009, mit 29
       Jahren, tritt Güler in die CDU ein, 2012 wird sie Landtagsabgeordnete, fünf
       Jahre später Staatssekretärin.
       
       Politikerinnen wie Güler und Schön braucht die CDU dringend – nicht nur,
       weil sie Frauen sind, und die eine auch noch aus einer Familie mit
       Migrationsgeschichte stammt. Güler und Schön stehen für Kompetenz in
       Zukunftsthemen: Integration und Digitalisierung. Und sie verkörpern
       Aufbruch und Modernität.
       
       Hat Angela Merkel, Deutschlands erste Kanzlerin, etwas mit ihrem Weg in der
       CDU zu tun? Schön und Güler winken ab. Sie wurden von Männern in die
       Politik geholt. Von Männern, die begriffen haben, dass die CDU diverser
       werden muss, wenn sie Volkspartei bleiben will. Noch immer sind nur 26
       Prozent der CDU-Mitglieder Frauen. Auch bei den Bundestagsabgeordneten tut
       sich wenig: Gerade 40 Christdemokratinnen sitzen in der Unionsfraktion, das
       ist ein Fünftel der CDU-Abgeordneten. Damit, das hat ein interner Bericht
       der CDU 2018 leicht frustriert festgestellt, ist der Anteil so hoch wie vor
       gut 20 Jahren.
       
       Merkel selbst hat sich nie dezidiert als Frauenpolitikerin positioniert.
       Aber sie hat Frauen wie Ursula von der Leyen den Weg geebnet, die als
       Familien- und Frauenministerin eine – für eine Christdemokratin –
       bemerkenswert moderne Politik gemacht hat. Und als eine Art Türöffnerin
       sieht sich die Kanzlerin schon. „Niemand lacht ein junges Mädchen heute
       mehr aus, wenn es sagt, dass es später einmal Ministerin oder sogar
       Bundeskanzlerin werden will“, sagte Merkel 2018 bei einer Veranstaltung zu
       „100 Jahren Frauenwahlrecht“. Und fügte hinzu: „Es soll sogar schon Fragen
       geben, ob es auch ein Mann werden darf.“ Im Jahr darauf sagte sie im
       Interview mit der Zeit: „Parität scheint mir logisch.“
       
       Auch Schön betont, dass Merkels Kanzlerschaft für die Gleichberechtigung
       eine große Bedeutung habe. „Wir brauchen solche Vorbilder.“ Merkel habe
       sich nach außen nicht exponiert, intern habe sie, etwa im Kabinett, Frauen
       aber durchaus unterstützt. Merkel verlieh Güler im CDU-Präsidium sogar eine
       Art Ritterschlag, wie es im Spiegel vor Jahren hieß. Nach den Anschlägen
       von Paris hatte Güler in der FAZ geschrieben, die deutschen Muslime müssten
       sich stärker von gewaltbereiten Islamisten abgrenzen. Merkel ließ demnach
       Kopien des Textes im Präsidium verteilen – und signalisierte damit, dass
       Güler in der CDU-Spitze durchaus richtig sei.
       
       Zu der Zeit, als Nadine Schön 2009 in den Bundestag einzieht, beginnen ihre
       Freundinnen mit der Jobsuche – und sind dabei weniger erfolgreich als
       Männer mit gleich guten Abschlüssen. Es sind Erfahrungen wie diese, die
       Schön zu einer Befürworterin der Quote machen. 2012 unterschreibt sie eine
       überparteiliche Petition für eine 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte
       und Vorstände, später fordert sie eine Quote für ihre Partei. Damit ist sie
       der CDU um Jahre voraus. Auch Güler sagt: „Eine Quote wäre eine
       Möglichkeit, für mehr Frauen zu sorgen. Das kann und darf aber nicht das
       einzige Mittel sein.“
       
       Oft sind es aber auch die Frauen selbst, die zögern. Schön sagt: „Wenn man
       Frauen fragt, sagen die: ‚Ich weiß nicht, ob ich das kann. Und ich kann
       nicht bei jeder Sitzung dabei sein.‘ Männern ist das oft völlig schnuppe.“
       Auch sie selbst habe gezögert, als der ehemalige Fraktionschef Volker
       Kauder sie zu seiner Vize machen wollte. Ich kann das nicht, das ist doch
       erst meine zweite Legislaturperiode – das habe sie gedacht. Doch Kauder war
       hartnäckig. „Meine Erfahrung ist: Es kostet mehr Kraft und Mühe, Frauen zu
       animieren, und manchmal gibt es Ärger. Aber es lohnt sich“, sagt Schön.
       
       Eigentlich sollte die CDU inzwischen eine Frauenquote haben. Vor gut einem
       Jahr hatte sich die Struktur- und Satzungskommission nach zähem Ringen auf
       eine stufenweise Einführung einer Quote bei Vorstandswahlen ab der
       Kreisebene geeinigt. Der Parteitag im Dezember sollte das beschließen.
       Dann kam Corona – die Abstimmung steht bis heute aus. Das Bewusstsein aber,
       sagt Schön, habe sich auch in der CDU verändert: „Ein Bild wie das aus dem
       BMI wird es nicht mehr geben.“ Das Bundesinnenministerium hatte bei
       Amtsantritt 2018 ein Foto der neuen Hausspitze veröffentlicht, darauf:
       [2][neun Männer, keine einzige Frau].
       
       Inzwischen achtet die Parteispitze vielerorts immerhin darauf, dass Frauen
       bei Listenaufstellungen stärker berücksichtigt werden. Es bleibt aber noch
       viel zu tun: Erst im März trat in Sachsen-Anhalt die stellvertretende
       Landesvorsitzende der Frauenunion empört aus, weil die Liste zur
       Landtagswahl die „frauenfeindlichste“ sei, die die Landes-CDU jemals
       aufgestellt habe. Auf die ersten 20 Plätze wurden nur drei Frauen gewählt.
       
       Die CSU hingegen hat gerade medienwirksam eine paritätisch besetzte Liste
       für die Bundestagswahl beschlossen. Weil die meisten der Unionsabgeordneten
       über Direktmandate einziehen, hat das aber vor allem symbolische Bedeutung.
       In den Kreisverbänden hapert es häufig noch am Bewusstsein für Parität.
       
       Nadine Schön und Serap Güler haben beide keine sicheren Wahlkreise, aber
       ziemlich sichere Listenplätze. Die Saarländerin hat sich allerdings bereits
       dreimal hintereinander in St. Wendel durchgesetzt. Güler will den Wahlkreis
       101, zu dem Köln-Mülheim und Leverkusen gehören, dem omnipräsenten
       SPD-Coronaexperten Karl Lauterbach abnehmen.
       
       Warum aber überhaupt die CDU? Güler sagt, an ihr sei nichts links. Sie sei
       konservativ, aber auch liberal – „und vor allem sozial“. Familie ist ihr
       wichtig, Abtreibung, das hat sie jüngst Tilo Jung [3][in einem Interview
       verraten], will sie nur im engen Rahmen zulassen und der Forderung nach
       einer neuen Leitkultur kann sie durchaus etwas abgewinnen. Furore machte
       Güler 2018 mit dem Vorstoß, Mädchen unter 14 Jahren das Kopftuchtragen zu
       verbieten. Weil er juristisch schlecht vorbereitet war, [4][musste sie ihn
       wieder kassieren]. Inhaltlich aber steht sie dazu.
       
       Güler und Schön sind beide in der CDA, der christlichen Arbeitnehmerschaft.
       Der gesellschaftliche Zusammenhalt sei es, was sie unter konservativ
       verstehe, sagt Schön. Ob sie sich als Feministin bezeichnen würde? „Ja. Ich
       trete ein für Frauen, ihre Rechte und Verwirklichungschancen.“ Güler
       dagegen winkt ab. „Ich bin eine emanzipierte Frau, aber es ist nicht so,
       dass ich das Frausein über alles stelle.“ Auch die Kanzlerin will sich
       selbst nicht so bezeichnen.
       
       Für manche aber passt Serap Güler, die Muslima, lange nicht in die CDU, die
       das Christliche im Namen trägt. 2012, bei ihrer ersten Landtagskandidatur,
       fragt ein Parteifreund sie auf offener Bühne, wann sie konvertiere. „Nicht
       ob, sondern wann war die Frage“, sagt sie. Seitdem aber habe sich in der
       CDU viel verändert.
       
       Güler wollte lange keine Deutsche werden, weil sie dafür den türkischen
       Pass abgeben muss. Heimat, das ist eben auch der Ort in der Türkei, aus dem
       die Eltern kamen – und wohin es jedes Jahr in den Sommerferien ging. Ihr
       Vater, der gerade gestorben ist, ist dort begraben. Doch nachdem Güler 2010
       für die CDU erstmals Wahlkampf machte, entschied sie sich doch für die
       deutsche Staatsbürgerschaft. Plakate kleben und dann selbst nicht wählen
       dürfen – das passte ihr nicht.
       
       Bei der doppelten Staatsbürgerschaft liegt Güler quer zur Mehrheit in der
       CDU, auch wenn sie diese nur für die erste Generation nach der Einwanderung
       und dann einen Schnitt will. Als die CDU 2016 auf einem Parteitag
       beschloss, den Doppelpass für Kinder wieder abzuschaffen, stimmte sie gegen
       den Antrag. Wenn es um Rassismus und Diskriminierung geht, kann die
       Deutschtürkin auch kräftig austeilen. Den südthüringischen
       Christdemokraten, die den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg
       Maaßen jüngst zu ihrem Direktkandidaten machten, [5][bescheinigte sie via
       Twitter]: „Ihr habt echt den Knall nicht gehört!“
       
       Dafür musste sie von Friedrich Merz heftige Kritik einstecken. Von
       Migrantenorganisationen aber wird die medienpräsente Güler gelobt. „Ich
       schätze ihre Arbeit“, sagt etwa Kenan Küçük vom Multikulturellen Forum in
       NRW, der selbst SPD-Mitglied ist und im Landesbeirat für Migration sitzt.
       Güler sei „ein Sprachrohr“ für die Migrant:innen geblieben.
       
       Auch Nadine Schön ist immer wieder mit Positionen ihrer Partei nicht
       einverstanden. Sie setzte sich früh für die Homoehe ein, schloss sich einem
       fraktionsübergreifenden Netzwerk an, das die Bedingungen für junge Mütter
       im Bundestag verbessern will, auch mit dem Betreuungsgeld kann sie wenig
       anfangen: „Das hätte ich nicht gebraucht.“ Nachdem Verbesserungen
       ausgehandelt wurden, stimmt sie aber zu.
       
       Schön erzählt, dass sie mit sich gerungen habe, ob sie bei der
       Bundestagswahl im September noch einmal antreten soll. „Abgeordnete, das
       ist ja nichts, was man vom Anfang des Berufslebens bis zum Ende macht.“
       Dann aber habe sich das „Neustaat“-Projekt so rasant entwickelt, die
       Unterstützung sei – auch durch Corona – groß. „Da muss der Ball jetzt ins
       Ziel.“ Dieter Janecek von den Grünen sitzt mit Schön im Bundestagsausschuss
       für Digitale Agenda. Schön sei im Umgang angenehm und verbindlich, sagt er.
       „Aber mir ist nicht klar, wofür sie inhaltlich wirklich steht.“ Pointierte
       Einlassungen jedenfalls gebe es nicht.
       
       Fragt man Güler, was sie auf Bundesebene in Sachen Integrationspolitik
       verändern würde, sagt sie zweierlei: Sie würde eine
       Bundeseinwanderungsbehörde schaffen, die Einwanderung zentral steuern soll.
       Und ein Ministerium für gesellschaftlichen Zusammenhalt einrichten, das
       mehr sein soll als ein Integrationsministerium. „Es geht ja nicht nur um
       Menschen mit Einwanderungsgeschichte.“ Ein Problem derzeit sei, dass die
       wichtigen Entscheidungen in Sachen Integration im Bundesinnenministerium
       fallen, wo man insbesondere die Risiken sehen würde. „Man muss aber vor
       allem die Chancen im Blick haben. Das ist unser Ansatz in
       Nordrhein-Westfalen, mit dem wir sehr erfolgreich sind.“
       
       Ein Bundesintegrationsministerium, das Laschet in der Vergangenheit
       gefordert hat, steht nicht im Wahlprogramm der Union. Für Güler könnte das
       Amt der Integrationsstaatsministerin im Bundeskanzleramt bleiben. Ein
       Digitalministerium hingegen will die Union nach der Wahl einrichten.
       
       Wäre das etwas für Nadine Schön? Als Reaktion auf diese Frage betont sie,
       wie einflussreich die parlamentarische Arbeit sei. „Ich hätte nichts
       dagegen, das weiter zu tun.“ Jedoch habe sie zwei kleine Söhne und wohne im
       Saarland, „da muss man das Private und das Politische gut abwägen“.
       
       Wie hatte sie zu Beginn des Gesprächs noch gesagt? Frauen sind manchmal
       ganz schön zögerlich.
       
       11 Jul 2021
       
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 (DIR) CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet: Bloß keine Veränderung
       
       Armin Laschet will ein „Modernisierungsjahrzehnt“ für Deutschland. Seine
       Ahnungslosigkeit ist ein Zeichen für ein sich anbahnendes Systemversagen.
       
 (DIR) Laschets Steuerpolitik: Lügen und lächeln
       
       CDU-Kanzlerkandidat Laschet kündigt an, dass es keine Steuersenkungen geben
       werde. Doch die hat die Union längst bekanntgegeben.
       
 (DIR) ARD-Doku „Yes She Can“: Allein unter Männern
       
       Die Doku begleitet vier junge Politikerinnen in Brüssel, Berlin, Kiel und
       auf Usedom. Die inspirierenden Biografien sollen Frauen empowern.
       
 (DIR) Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus: Da muss sie erst reinkommen
       
       Nur ein Drittel der Berliner Abgeordneten sind Frauen. Wenn Berlin am 26.
       September ein neues Parlament wählt, dürfte sich das kaum ändern.
       
 (DIR) Serap Güler über Vorstoß aus Berlin: „Eine Quote ist der falsche Weg“
       
       Serap Güler wurde mit 37 Jahren Staatssekretärin für Integration in NRW.
       Wie die CDU-Frau Politik und Verwaltung diverser machen will.