# taz.de -- Blockierte Fluchtwege am Mittelmeer: An den Rändern Europas
       
       > Die wahren Dramen um Europas Flüchtlinge spielen sich rund ums Mittelmeer
       > ab. Drei Orte, drei Geschichten.
       
 (IMG) Bild: Kerzen für die ertrunkenen Flüchtlinge, die es nicht über das Mittelmeer geschafft haben
       
       Bozen/Valetta/Tunis taz | Ende Juni, als die deutsche Regierung kurz davor
       war, zu zerbrechen, verkündete EU-Ratspräsident Donald Tusk nach einem
       Verhandlungsmarathon auf [1][dem Asylgipfel in Brüssel] per Twitter: Es
       gibt eine Einigung. Ein Punkt davon: bilaterale Rücknahmeabkommen. Am
       vergangenen Samstag kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel an, [2][14
       solcher Abkommen mit verschiedenen EU-Staaten zu schließen]. Sie hatte
       dabei wohl vor allem im Sinn, die [3][Fluchtwege nach Deutschland zu
       blockieren] – doch es führen auch welche aus Deutschland hinaus. Die
       europäische Öffentlichkeit lernte daraufhin ein neues Wort:
       Sekundärmigranten.
       
       Sekundärmigranten sind Flüchtlinge, die ihren Asylantrag in einem Land
       stellen oder dort registriert werden, aber dann in ein anderes Land reisen.
       Sekundärmigranten sind eine Sorte Flüchtling, die in der Zukunftsvision der
       EU-Regierungschefs nicht mehr vorkommen soll. 
       
       ## Bozen, Italien: Flucht aus Deutschland
       
       An einem lauen Junimorgen liegen zehn Männer in Decken gewickelt unter der
       Ponte Virgolo. Seite an Seite schlafend auf schmutzigen Matratzen,
       Isomatten, mit Felsbrocken befestigten Pappkartons, sehen sie aus wie
       Verwundete in einem Feldlazarett. Sulayman (alle Namen der Geflüchteten
       geändert) ist an diesem Morgen Ende Juni als Erster wach, mit einem
       Handtuch um die Schultern wird er gleich in den Fluss steigen, um sich im
       kalten Wasser des Eisacks zu waschen, der unter der Brücke fließt. Vor zwei
       Wochen ist er von Deutschland über Frankreich nach Italien geflohen und nun
       in Bozen gestrandet.
       
       Eines haben all die Männer unter der Brücke gemein: Sie sind Afghanen oder
       Pakistaner, kommen aus Norwegen, Dänemark, Schweden, aus Österreich und
       Deutschland, wo ihre Asylanträge abgelehnt wurden. Aus Angst, abgeschoben
       zu werden, sind sie weitergeflohen nach Italien.
       
       „Ich liebe Deutschland“, sagt Sulayman, 21 Jahre alt, Undercut-Frisur. Ein
       Satz, der unglaublich klingt aus dem Mund eines Mannes, der vor einem Monat
       in Deutschland seinen zweiten negativen Asylbescheid samt
       Abschiebeandrohung ausgestellt bekommen hat. „Ich hatte Schule in Köln, ich
       hatte Wohnung in Köln, ein Mann hat mir ein Ausbildungsplatz angeboten in
       einer Werkstatt – nur wenn Deutschland keine Papiere gibt, ist alles
       nichts.“ Aus seinem Rucksack holt er ein Hauptschulabschlusszeugnis hervor.
       
       Als sich 2015 viele Afghanen aufmachten nach Europa, zog er mit. Über die
       Balkanroute wie das Gros der 178.000 Afghanen, die im Jahr 2015 in Europa
       einen Asylantrag gestellt haben. Seiner wurde abgelehnt: Es gäbe sichere
       Regionen in Afghanistan, in denen junge Afghanen wie er ohne Lebensgefahr
       Fuß fassen könnten, so die Begründung der Richterin. „Deutschland will mich
       nicht, nach Afghanistan kann ich nicht, Italien? Sehen wir dann.“
       
       Ein bisschen wirken die Afghanen unter der Brücke wie eine
       Selbsthilfegruppe verlorener Männer, die allesamt glauben, unfreiwillig
       Teil einer polit-taktischen Scharade geworden zu sein. Da ist Ali aus
       Dänemark, Mitte 30, mit Brillengläsern dick wie Panzerglas, der in feinstem
       Oxford-Englisch von seiner Zeit als Mitarbeiter des Welternährungsprogramms
       der Vereinten Nationen in Afghanistan erzählt, bevor ihn die Taliban aus
       dem Land gejagt hätten.
       
       Oder Firas, 19, der Niederösterreichisch auf B1-Niveau spricht und Never
       dont give up auf den Unterarm tätowiert hat. Oder Amar, 1,70 groß, der bei
       der burgenländischen Landesmeisterschaft im Ringen im letzten Jahr noch die
       Goldmedaille gewonnen hatte. Ein Satz, den jeder Einzelne von ihnen in
       unterschiedlicher Variation vorträgt: „Lieber unter der Brücke in Italien
       als der Krieg in Afghanistan.“
       
       ## Rücknahmeabkommen mit Afghanistan
       
       Im Oktober 2016 hatte die EU gemeinsam mit der afghanischen Regierung ein
       Rücknahmeabkommen beschlossen, das es den EU-Staaten ermöglicht, abgelehnte
       afghanische Asylbewerber auch ohne gültige Ausweispapiere nach Kabul
       abzuschieben. Die EU hatte gedroht im Falle einer Nicht-Unterschrift die
       Entwicklungshilfe zu kürzen. Die skandinavischen Länder, Deutschland,
       Österreich schicken seitdem eifrig Afghanen zurück: Allein im Jahr 2017
       gingen laut österreichischem Innenministerium 20 Charter-Maschinen mit
       Flüchtlingen aus Europa nach Kabul, Hunderte weitere Menschen wurden in
       Linienflieger gezwungen.
       
       Die, für die eine Rückkehr nach Afghanistan keine Option ist, ziehen
       weiter: Nach Frankreich, um in den Banlieues unterzutauchen, nach Italien,
       um erneut Asyl zu beantragen. 90 Prozent der afghanischen Asylbewerber
       bekommen in Italien einen Schutzstatus zugesprochen, mehr als in jedem
       anderen Staat. 2017 lag die Schutzquote für Afghanen im EU-Schnitt bei 47
       Prozent.
       
       Drei Tage später, im Park vor dem Hauptbahnhof in Bozen. Ein Ort für
       Durchreisende. Zwischendrin Mohammad, 41 Jahre, raucht Selbstgedrehte aus
       der Hand. Vier Jahre hat er in einer Putzfirma in München gearbeitet. Hatte
       einen unbefristeten Vertrag.
       
       „Jeden Tag ist Krieg, und Deutschland sagt, Afghanistan ist ein sicheres
       Land. Wenn es ein sichereres Land ist, was machen die Nato-Soldaten in
       Afghanistan? Warum lebt die Familie unseres Präsidenten in Europa und
       Amerika? Warum haben unsere Abgeordneten alle zwei Staatsbürgerschaften?“
       
       Es sind Fragen, auf die Mohammad keine Antworten erwartet.
       
       Ende Juni lernten Beobachter [4][ein zweites Fremdwort:
       Ausschiffungsplattformen]. Migranten, die auf See gerettet werden, sollen
       in Zentren in Nordafrika gebracht werden. Dort wird entschieden, ob sie ein
       Recht auf internationalen Schutz haben oder nicht. Dabei helfen sollen die
       Vereinten Nationen und die Internationale Organisation für Migration. Doch
       Nordafrika ist für viele [5][Flüchtlinge, die Asyl suchen, ein Niemandsland
       geworden]. 
       
       ## Tunis, Tunesien: Die 35 Übriggebliebenen
       
       Kadri Salifu holt einen zerrissenen Wochenplan für die Essensausgabe aus
       seiner Hosentasche. So wie er es Tausende Male tun musste an den
       Polizeikontrollpunkten auf der Landstraße nach Tunis. Die vergilbte Liste
       aus dem Flüchtlingslager Shousha aus dem Jahr 2014 ist das einzige Papier,
       mit dem sich der Ghanaer ausweisen kann. Seit vier Jahren reisen Salifu und
       andere Flüchtlinge aus dem Süden Tunesiens regelmäßig in die tunesische
       Hauptstadt, um sich bei internationalen Hilfsorganisationen für das zu
       bwerben, worauf die Männer aus Westafrika seit sieben Jahren warten: ein
       Asylverfahren und die Ausreise in ein Drittland, um ein neues Leben
       anfangen zu können. Ohne Erfolg. Seit sieben Jahren leben die 35
       Westafrikaner ohne Papiere, ohne Status, ohne Zukunft in Tunesien.
       
       Bis vor einem Jahr haben sie in einem Niemandsland an der
       libysch-tunesischen Grenze ausgeharrt, von dem jeder im Land schon einmal
       gehört hat. Shousha, lange Zeit ein Symbol für die Hilfsbereitschaft, mit
       der Hunderttausende aus dem benachbarten Libyen aufgenommen wurden, nachdem
       dort im Februar 2011 der Aufstand ausbrach. Salifu und seine Mitstreiter
       weigerten sich zu gehen, nachdem das Lager vor drei Jahren offiziell
       geschlossen wurde.
       
       Mehr als 200.000 Gastarbeiter hatte das Flüchtlingswerk der Vereinten
       Nationen aus Tripolis in die Einöde 12 Kilometer hinter der libyschen
       Grenze evakuiert. Die provisorische Zeltstadt an der Landstraße nach Djerba
       unter dem Schutz der Weltgemeinschaft wurde für Salifu und andere
       Gastarbeiter zur Heimat, sechs Jahre lang. „Unsere Pässe hatten unsere
       libyschen Arbeitgeber einbehalten, ich konnte nur meine Arbeitserlaubnis
       und die Sachen, die ich bei mir trug, nach Tunesien retten“, sagt der
       36-Jährige mit stoischem Blick.
       
       Über den 200 Kilometer entfernten Flughafen der Touristeninsel wurden 2012
       Bangladescher, Ägypter und Marokkaner von ihren Regierungen heimgeholt. Die
       Botschafter der westafrikanischen Regierungen ließen sich in Shousha nicht
       einmal blicken. Da sie in ihrer Heimat meist sowieso keine Arbeit hatten,
       verschwanden die meisten Flüchtlinge über die Grenze und die libysche
       Hafenstadt Zuwara nach Italien, als der Krieg vorbei war. Mit Schwarzarbeit
       oder Geld aus der Heimat zahlten sie die 1.000 Euro, die Schlepper für die
       achtstündige Überfahrt nach Europa verlangen.
       
       ## Kampf um ein Asylverfahren
       
       Doch ein paar blieben. „Mindestens sechs meiner direkten Zeltnachbarn
       starben auf dem Mittelmeer. Warum soll ich mein Leben dafür riskieren, als
       Illegaler in Europa versteckt zu leben?“ Doch Salifus Entscheidung, nicht
       um einen Platz in einem Gummiboot zu kämpfen, sondern um ein Asylverfahren,
       führt meist zu Kopfschütteln.
       
       Auch bei dem zuständigen Sachbearbeiter des UN-Flüchtlingswerkes UNHCR, der
       den Gestrandeten Ende 2012 den Flüchtlingsstatus aberkannte. „Sie kommen
       aus keinem Bürgerkriegsland“, sagte der jordanische Büroleiter in Zarzis,
       nachdem er mit jedem der Gruppe ein 60-minütiges Interview geführt hatte.
       Den Stammeskonflikt und die Angst vor der Blutrache der Regierungsarmee,
       die Kadri Salifu als Fluchtgrund aus seiner Heimat angab, waren kein
       ausreichender Grund. Falls der Flug in die Heimat zu teuer sei, sei die
       Route nach Norden ja auch eine Alternative, sagte man ihm bei der
       Verabschiedung. Denn in Tunesien gibt es trotz neuer Verfassung noch immer
       kein Asylgesetz, Salifu ist nun illegal im Land.
       
       Ausgerechnet diejenigen blieben übrig, die das Camp auf legalem Weg
       verlassen wollten. Das zeigt, wie kompliziert es für die EU werden wird,
       bereits in Nordafrika auszusortieren, wer weiterreisen darf und wer
       zurückkehren muss. Schon bald könnte in Shousha ein von der EU finanziertes
       Asylzentrum stehen, hört man in den Straßencafes.
       
       Die mittlerweile auf 35 geschrumpfte Gruppe pocht darauf, in einem
       rechtmäßigen Verfahren ihren Status als Flüchtlinge verteidigen zu können
       oder Asyl in einem Drittland zu beantragen. An die Botschaft der
       Elfenbeinküste könne er sich nicht wenden, sagt Salifu, da man ihm als
       desertiertem Regierungssoldaten dort sowieso weder hilft noch ein
       Reisedokument ausstellt, versichert er.
       
       „Warum setzt ihr euch nicht wie die anderen in ein Boot nach Europa, wie es
       junge Tunesier tun?“, fragt lachend ein Kioskbesitzer, der die Unterhaltung
       mit dem Reporter mitgehört hat.
       
       ## Ohne Hoffnung
       
       Am 17. Juni 2017 planierte die tunesische Armee die Reste der 3.000 Zelte
       der Zeltstadt Shousha und verfrachtete die ausharrenden Flüchtlinge
       ausgerechnet nach La Marsa – der mondäne Vorort von Tunis, wo die Mehrheit
       der Mitarbeiter der internationalen Organisationen lebt, die in Libyen und
       Tunesien im Einsatz sind. Salifu sieht die Diplomaten und NGO-Mitarbeiter
       jeden Tag auf seinem Rundgang zu Landbesitzern, die ihm Lebensmittel
       spenden. Aber er traut sich nicht, mit ihnen zu sprechen. Aus der Zeitung
       weiß er von dem Plan der Asylcenter in Tunesien. Er schüttelt den Kopf:
       „Wenn sie für uns in sieben Jahren keine Lösung gefunden haben, wie soll
       das für die Tausende funktionieren, die gerade auf dem Weg zum Mittelmeer
       sind?“
       
       Anfang Juni, 89 Tage nach der Wahl, wird in Italien eine [6][Regierung aus
       populistischer Cinque Stelle und rechter Lega vereidigt]. Der neue
       Innenminister wird [7][Matteo Salvini, ein rechter Scharfmacher]. Schiffe,
       die auf dem Mittelmeer Flüchtlinge retten, nennt er „Vize-Schlepper“. Er
       verwehrt zwei Rettungsschiffen die Einfahrt in italienische Häfen. In
       dieser Woche sind [8][zwei von ihnen, die „Lifeline“ und die „Sea-Watch 3“,
       in Malta gestrandet]. Sie dürfen den Hafen nicht verlassen. Gegen den
       [9][Kapitän der Lifeline wird ermittelt]. 
       
       ## Valletta, Malta: Helfer vor Gericht
       
       Wie der Kadaver eines dicken, blauen Wals liegt die Sea-Watch 3 im Hafen
       von Valletta. Zwischen den toten Monitoren steht Kapitänin Pia Klemp,
       blaues Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln: „Es ist ein übles Gefühl, wenn du
       weißt, dass du in diesem Moment Menschen das Leben retten könntest, aber
       irgendwelche Männer in klimatisierten Büros das verhindern, nur um ihre
       rechtspopulistische Politik durchzudrücken.“ Rettung verhindern statt
       Sterben verhindern, das sei die neue EU-Leitlinie.
       
       Am Montag hätte die Sea-Watch 3 auslaufen sollen in die
       Search-and-Rescue-Zone vor der libyschen Küste, es wäre Klemps siebte
       Seenotrettungsmission gewesen. Am Sonntagabend die Ernüchterung: Die
       maltesische Hafenbehörde verbietet dem Schiff, den Hafen zu verlassen. Zwei
       Schiffe der Organisation Sea-Eye werden ebenfalls festgehalten. Am Montag
       gibt die Luftaufsicht in Malta bekannt, dass auch das zivile
       Aufklärungsflugzeug „Moonbird“, das von Sea-Watch und der Schweizer
       Humanitären Pilotinitiative (HPI) betrieben wird, nicht mehr zu
       Search-and-Rescue-Zwecken starten darf.
       
       Es sind offensichtlich keine merkwürdigen Zufälle, eher scheinen es die
       Einzelteile einer langfristig angelegten europäischen Vision zu sein, in
       der die EU zu einer uneinnehmbaren Festung wird. Eine, in der die
       sogenannte libysche Küstenwache zum legitimen Vorstopper wird – die
       Seenotretter zu Intriganten, die es zu beseitigen gilt.
       
       Einer von ihnen steht seit Montag in Malta vor Gericht. Als Claus-Peter
       Reisch, rote Wangen, karierter Anzug, graues Haar ohne Frisur, vorbei an
       den Journalistenmikros und Fernsehkameras in das Gerichtsgebäude in
       Valletta schreitet, sieht er aus wie einer, der sich selbst noch nicht
       erklären kann, wie seine Person über Nacht zum größten Politikum der
       Europäischen Union wurde.
       
       ## Kapitän der Lifeline vor Gericht
       
       Lieber, so wird es der 57-jährige Bayer später sagen, stünde er gerade auf
       der Brücke seines Schiffs, als sich vor Gericht rechtfertigen zu müssen.
       Wie Pia Klemp ist Claus-Peter Reisch Kapitän eines deutschen
       Seenotrettungsschiffs, der Lifeline. Eine Woche lang war sein Schiff mit
       233 Geflüchteten an Bord über das Mittelmeer gezuckelt, bis Malta es in den
       Hafen ließ – unter der Bedingung, dass andere EU-Staaten die Flüchtlinge
       aufnehmen.
       
       Gleich nach der Ankunft am Donnerstag wurde das Schiff von maltesischen
       Behörden beschlagnahmt, der Kapitän auf die Wache gebracht. Der Vorwurf,
       für den sich Claus-Peter Reisch vor Gericht jetzt rechtfertigen muss,
       lautet offiziell: Fehler bei der Schiffsregistrierung.
       
       Zwölf Monate Haft drohen dem Kapitän, vermutlich auf Bewährung. Angst hat
       er nicht. Reisch erscheint vor Gericht in Begleitung von Beamten der
       deutschen Botschaft, umringt von Anwälten.
       
       In Deutschland hatte der Satiriker Jan Böhmermann getwittert:
       „Zusammenhalten und gemeinsam nach vorne, auf das Gute schauen“. Er ruft
       auf, für Reischs Verteidigung zu spenden. 144.000 Euro kommen in drei Tagen
       zusammen. Genug für ein Team von Top-Juristen aus Malta und Italien.
       
       Für die Seenot-NGOs ist der Prozess politisch von höchster Bedeutung. Der
       Brandenburger AfD-Abgeordnete Andreas Kalbitz greift Böhmermann und
       Lifeline an. In einer Pressemitteilung behauptet er, bei dem Verein
       Lifeline handele es sich um „kriminelle Schleuser“, die meisten der
       Geretteten hätten „keinen Grund vor irgendetwas zu flüchten“.
       
       ## Nicht vorbestraft und einen guten Leumund
       
       „Ich bin nicht vorbestraft, habe einen guten Leumund, den Behörden alle
       Fragen beantwortet“, sagt er. Zudem sei er bereit, zurückzukommen und sich
       auch dem Rest der Verhandlung zu stellen.
       
       Doch es bleibt dabei: Er darf die Insel nicht verlassen. Seit August 2017
       ist die Lifeline im Hafen von Valletta stationiert. Nie gab es
       Beanstandungen der Behörden. Jetzt ruft der Staatsanwalt einen Beamten des
       maltesischen Schiffsregisters in den Zeugenstand. Der behauptet, die
       Lifeline sei in den Niederlanden lediglich bei einem „Yachtclub“
       registriert gewesen und habe deshalb nicht in internationalen Gewässern
       unter niederländischer Flagge fahren dürfen. Reischs Anwalt protestiert
       wütend. Nach zwei Stunden wird die Verhandlung auf den kommenden Dienstag
       vertagt.
       
       Als Reisch und die Anwälte aus dem Eingang treten, strecken diese ihnen
       mehr als ein Dutzend Kameras und Mikrofone entgegen. „Wie kann es sein,
       dass Leben retten eine Straftat ist?“ fragt Reisch. Sein Anwalt sagt, er
       wolle Vertreter des niederländischen Schiffsregisters als Zeugen laden. „An
       die haben wir sehr interessante Fragen.“ Das Schiff sei nicht „staatenlos“.
       
       In der Fußgängerzone, da wo Tausende Touristen entlang flanieren, haben
       Aktivisten Leichensäcke auf dem Boden ausgebreitet. Das Warten geht für sie
       weiter. Fast alle der Nothelfer sind ehrenamtlich hier. Am Dienstag hatte
       das „Missing Migrant Project“ der UN-Migrationsorganisation IOM gemeldet,
       dass erneut sechs Menschen von Libyen ertrunken sind. Seit Anfang Juni
       starben im zentralen Mittelmeer 584 Flüchtlinge und Migranten.
       
       8 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
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