# taz.de -- Kommentar Asylrecht und Abschiebung: Vor uns seid ihr nicht sicher
       
       > Deutschland muss im Asylkonflikt eine andere Antwort geben als in den
       > 90ern. Aber der Gesetzesvorschlag ist eine Kapitulationserklärung.
       
 (IMG) Bild: Schön ist anders: Flüchtlingsunterkunft in Karlsbad-Ittersbach
       
       Es ist keine zwei Tage her, da präsentierte Bundesinnenminister Thomas de
       Maizière den neuen Verfassungsschutzbericht. Wichtigste Erkenntnis:
       Flüchtlinge in Deutschland haben es nicht nur schwer, sondern werden immer
       öfter zu Opfern von gewalttätigen Übergriffen und Brandanschlägen. Die
       Botschaft: Wir werden an ihrer Seite stehen. Wirklich?
       
       [1][Am Donnerstag legt der Innenminister nun dem Bundestag ein Gesetz zur
       Abstimmung vor], das vor allem eines ermöglicht: Illegale Flüchtlinge so
       schnell wie möglich aus dem Land zu kriegen. Das Ministerium argumentiert:
       Wenn in Deutschland die Akzeptanz für die Aufnahme von Asylsuchenden
       steigen soll, müssen zunächst einmal alle aus dem Weg, die darauf keinen
       Anspruch haben. Besser durchsuchen, schnell verhaften – und dann dahin
       zurück, wo sie hergekommen sind.
       
       Mit ihrer Zustimmung zu diesem Gesetz wird die schwarz-rote
       Regierungskoalition heute eine Opferhierarchie manifestieren, die es im
       Ausländerrecht zwangsläufig gibt: Wen nehmen wir auf, wen schicken wir
       fort? Angesichts Zehntausender ArmutsmigrantInnen, die über das Mittelmeer
       nach Europa kommen, wird diese Frage immer brisanter.
       
       Die Folge ist ein Verdrängungswettbewerb unter Armen, der – immerhin dies –
       von der Bundesregierung auch mehr oder weniger deutlich als solcher
       gekennzeichnet wird. Kongolesen, die über das Mittelmeer kamen? Nein,
       danke. Sinti und Roma vom Balkan? Adieu.
       
       ## Kategorisierung von Leidensgeschichten
       
       Bleiben dürfen zwei Gruppen von Menschen: So richtig politisch Verfolgte,
       die per Flugzeug nach Deutschland kamen und mit ihren Füßen keinen
       europäischen Dublin-Staat berührt haben, in den sie sonst abgeschoben
       werden könnten. Und, dank der Neuentdeckung durch die Demografieforschung
       und die Industrie- und Handelskammer: erstklassig integrierte Flüchtlinge,
       die es bereits vor Jahren nach Deutschland geschafft haben und die bereit
       sind, hier auf das Grundgesetz zu schwören.
       
       Es ist nun einerseits einfach, diese Kategorisierung von Leidensgeschichten
       als inhuman zu kennzeichnen. Gleichzeitig markieren die offen rassistisch
       auftretenden Neonazis und selbsternannten „besorgten Bürger“ auch die
       Notwendigkeit, einen gesellschaftlichen Streit über die
       Integrationsfähigkeit Deutschlands in aller Offenheit zu führen. Die
       Bundesregierung muss darauf allerdings eine andere Antwort geben als in den
       90er Jahren. Damals folgte auf die rechtsextreme und rechtspopulistische
       Stimmung im Land eine Asylrechtsverschärfung.
       
       Das jetzt zur Abstimmung stehende Abschiebegesetz ist dabei eine ähnliche
       Kapitulationserklärung: Während die Geflüchteten mit ihren unsicheren
       Aufenthaltsperspektiven gerade in diesen Tagen Halt und Zuspruch benötigen,
       signalisiert ihnen der Staat: Vor uns seid ihr nicht sicher.
       
       2 Jul 2015
       
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