# taz.de -- Ohne Aufarbeitung: Ein Ort der Ausgrenzung
       
       > Das Oldenburger Freifeld Festival muss abgesagt werden, weil sich die
       > Veranstalter mit dem Eigentümer nicht über die Ausrichtung einigen
       > konnten
       
 (IMG) Bild: Ein Festivalvergnügen, auf das die Oldenburger in diesem Jahr verzichten müssen: Workshops beim Oldenburger Freifeld 2014.
       
       Oldenburg taz | Heil- und Pflegeanstalt, Langzeitpsychiatrie, Unterkunft
       für Asylsuchende: Das ehemalige Kloster Blankenburg am Rande der Stadt
       Oldenburg war schon immer ein Ort der Ausgrenzung. Das sollte sich mit der
       dritten Ausgabe des Freifeld Festivals ändern. Der Trägerverein wollte der
       bedrückenden Geschichte kreativ begegnen. Programm- und Geländeplanung
       standen, Künstler und Bands waren eingeladen. Nun ist das Festival
       überraschend abgesagt, weil sich die Organisatoren und die Oldenburger
       Immobilien-Firma Schwerdt als Eigentümer nicht über die Ausrichtung einigen
       konnten.
       
       Die Bedenken seien Anfang des Monats während der regulären
       Organisationsgespräche aufgetaucht, so Festival-Sprecherin Katharina
       Wisotzki „Der Eigner bekam Angst, dass das Festival das Gelände in ein
       schlechtes Licht rückt.“ Geplant war, die belastende Geschichte des
       Geländes in Teilen des Programms zu thematisieren.
       
       Im 13. Jahrhundert als Dominikanerinnenkloster gegründet, waren dort ab
       1786 psychisch kranke, behinderte, aber auch pflegebedürftige und
       gebrechliche Menschen untergebracht. Nach Blankenburg seien diejenigen
       gekommen, deren Anblick und Umgang man den Bürgern der Stadt nicht zumuten
       wollte, schreibt Autor Ingo Harms in seinem 2011 erschienenen Buch
       „Biologismus“. Isolation statt Inklusion. Und noch mehr, denn viele
       Bewohner starben an Vernachlässigung, Misshandlung und an Hunger.
       
       Im Herbst 1941 wurden 220 der damals 285 Bewohner deportiert und der
       Euthanasie zugeführt, darunter auch Kinder und Jugendliche. Wie viele
       überlebten, konnte laut Harms nicht geklärt werden. 1956 pachtete die
       städtische Nervenklinik Bremen das Gelände und richtete eine
       Langzeitpsychiatrie mit Isolierstation ein.
       
       ## Lebendige Bibliothek
       
       Ein großer Teil der Patienten wurde zwangseingewiesen und entmündigt. Erst
       1988 sind die letzten Bewohner im Zuge der Psychiatriereform ausquartiert
       und in betreuten Wohngemeinschaften in Bremen untergebracht worden. Von
       1990 bis 2011 lebten im Kloster schließlich asylsuchende Migranten. Eine
       Zeit, in der die Unterkunft in der Kritik stand, weil die Menschen dort
       schlecht untergebracht und versorgt worden sein sollen.
       
       „Das alles wollten wir sichtbar machen“, erzählt Max Wolfs vom Pro
       gramm-Team. So sollten die Besucher in der „lebendigen Bibliothek“ mit
       Menschen sprechen können, die schon einmal auf dem Klostergelände gelebt
       haben. In der Installation „Black Box“ des Dokumentarfilmers Ralf Jesse
       sollten außerdem Filme zu sehen sein, die Menschen nach ihrer Abschiebung
       selbst gedreht haben.
       
       „Wir wollten einen Impuls setzen, auch weil die Themen Inklusion und
       Ausgrenzung aktuell diskutiert werden“, sagt Vivien Schmidt, zuständig für
       die Workshop-Planung. Diese Form der Auseinandersetzung war für den
       Eigentümer wohl doch zu offensiv. Beide Seiten versuchten noch zu retten,
       trafen sich zum Gespräch.
       
       Doch zeitgleich wurde öffentlich, dass das ehemalige Kloster wieder als
       Flüchtlingsunterkunft dienen könnte. Laut niedersächsischem
       Innenministerium laufen die Verhandlungen für eine Erstaufnahmestelle für
       600 Flüchtlinge. Das hätte der Ausrichtung des Festivals noch mehr
       Aktualität verliehen. Das war ein Grund für das Team, umso mehr am Programm
       festzuhalten.
       
       Den Eigentümer habe die Nachricht aber wohl unter Druck gesetzt, vermutet
       Katharina Wisotzki. Er habe zwar weiterhin das Festival gewollt, aber nicht
       in der geplanten Form. Vor diesem Hintergrund ließ sich keine Lösung mehr
       finden. „Für uns ist so eine Veranstaltung nur möglich, wenn wir unser
       Programm unabhängig kuratieren können”, sagt Katrin Windheuser von der
       Festivalleitung. „In diesem Punkt können wir als soziokulturelles Festival
       nicht kompromissbereit sein und einzelne Programmpunkte streichen.
       
       ## „Einige Künstler sind solidarisch“
       
       Nun müssen die Ehrenamtlichen die Absage organisieren und sich einen
       Überblick über die finanziellen Verluste verschaffen. Der Verein muss durch
       den Wegfall von Ticketverkäufen und Fördergeldern erst einmal haushalten.
       Nach Angaben von Katharina Wisotzki wird er das aber wohl abfangen können:
       „Wir hatten noch nicht alle Verträge geschlossen und einige Künstler sind
       solidarisch und wollen kein Ausfallhonorar.“
       
       Unklar ist nun, wie die Zukunft des Freifeld Festivals aussieht. Sind erst
       einmal die Wogen geglättet, will das Team einzelne Programmpunkte trotzdem
       in Oldenburg realisieren. Dafür will der Verein sein Netzwerk aktivieren
       und mit anderen Oldenburger Veranstaltern zusammenarbeiten. Parallel dazu
       muss für das Freifeld 2016 eine neue Heimat her. „Das ist eine
       Herausforderung, weil wir neben freiem Gelände auch Gebäude brauchen“, sagt
       Lars Kaempf von der Festivalleitung.
       
       „Außerdem wollen wir Orte erschließen, die sonst unzugänglich sind. Wir
       werden sehen, wo wir in Oldenburg noch solche Freiräume finden.“
       
       30 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manuela Sies
       
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