# taz.de -- Volker Beck über Käuflichkeit von Politik: „Das ist Heuchelei“
       
       > Parlamentarier sollen Jobs in Euro und Cent offenlegen, fordert der Grüne
       > Volker Beck. Doch Union und FDP „fürchten bei zu vielen Nebeneinkünften
       > die Kritik“.
       
 (IMG) Bild: Sind schwarze Schafe Einzelfälle oder gibt es doch mehr?
       
       taz: Herr Beck, wie viel Geld verdienen Sie neben Ihrem Job als
       Parlamentarier? 
       
       Volker Beck: Ich bekomme eine Funktionszulage von 37,5 Prozent der Diät als
       Erster Parlamentarischer Geschäftsführer von meiner Fraktion. Wenn ich
       einmal ein Honorar extra erhalte, spende ich das in der Regel an die
       Hirschfeld-Eddy-Stiftung.
       
       Kennen Sie einen Parlamentarier, der von einem Auftraggeber gekauft wurde?
       Oder reden wir bei Nebenjobs nur über die Theorie? 
       
       Na ja, bei Korruption wäre ich vorsichtig. Es gibt aber problematische
       Fälle wie Friedrich Merz, der für die Ruhrkohle AG unterwegs war und ganz
       offen in Sitzungen die Hüte gewechselt hat und mal als Abgeordneter, mal
       als Lobbyist der Ruhrkohle AG auftrat. Es ist ein Problem für die
       Demokratie, wenn Abgeordnete als Lobbyisten arbeiten und ihren Einfluss als
       Abgeordneter dafür nutzen. Auch wenn man das nicht Korruption nennen kann.
       
       Ist Merz ein Einzelfall? 
       
       Ja, wir reden über Einzelfälle. Aber wir brauchen Transparenz, damit dies
       nie die Regel wird.
       
       In Großbritannien und den USA müssen Parlamentarier Einkommen inklusive
       Aktienbesitz offenlegen. Doch zu einer weniger von Interessengruppen
       abhängigen Politik führt das nicht. Ist die Offenlegungsdebatte ein Popanz? 
       
       Das ist kein Popanz. Es geht auch nicht um den durchsichtigen Abgeordneten,
       sondern darum, mögliche wirtschaftliche Abhängigkeiten sichtbar zu machen.
       Es geht nicht um Voyeurismus oder Sozialneid, sondern darum, beurteilen zu
       können, ob ein Abgeordneter im Sinne seiner Wähler handelt oder im Sinne
       von Interessengruppen.
       
       Und Parlamentarier sind weniger beeinflussbar, wenn sie auf Euro und Cent
       sagen, was sie nebenbei bekommen? 
       
       Dann wäre die Beeinflussung sichtbar und weitgehend unwirksam. Wenn ein
       Abgeordneter eine fulminante Rede für die Abschaffung der Branntweinsteuer
       hält und bekannt ist, dass er 300.000 Euro bei der Spirituosenindustrie
       verdient, dann wird diese Rede wenige beeindrucken.
       
       In den USA sind die Nebeneinkünfte von Abgeordneten begrenzt. Ein Fall
       Steinbrück, der 700.000 Euro mit Vorträgen verdient hat, wäre dort nicht
       möglich. Brauchen wir eine Grenze nach oben? 
       
       Nein. Das wäre ein Eingriff in die Berufsfreiheit des Abgeordneten, der
       Entschädigungsansprüche nach sich ziehen würde. Die will der Steuerzahler
       wohl nicht auch noch bezahlen. Transparenz reicht aus. Wenn es heißt, ein
       Politiker macht etwas für einen Auftraggeber, ist der Einfluss wirkungslos.
       Wer sein Abgeordnetenmandat als Nebentätigkeit betreibt, den kann man
       abwählen.
       
       Werden Sie sich mit Schwarz-Gelb einigen? 
       
       Wir sind noch weit auseinander.
       
       Die Union will, wie SPD und Grüne bis vor Kurzem, die Nebeneinkünfte in
       mehreren Stufen erfassen. Offenlegung auf Euro und Cent ist ja eine neue
       Forderung von SPD und Grünen. Warum akzeptieren Sie das Stufenmodell nicht? 
       
       2005 hatten wir das schon gefordert, aber haben auch das 13-Stufen-Modell
       als Kompromiss entwickelt. Dieses engmaschige Modell bringt in der Tat fast
       die gleiche Transparenz wie Euro und Cent. Ob ein Abgeordneter angibt
       zwischen 7.000 und 10.000 Euro oder 8254,12 Euro erhalten zu haben, macht
       keinen großen Unterschied. Aber warum will die Koalition bei Steinbrück
       alles genau wissen, lehnt das aber als Regel ab? Das ist Heuchelei.
       
       Euro und Cent könnte vom Verfassungsgericht kassiert werden. Warum also
       nicht die sichere Konsenslösung? 
       
       Wenn die Koalition bei unseren 13 Stufen mitmacht, schlagen wir ein.
       
       Und wenn nicht? 
       
       Dann werden wir im Bundestag über die Offenlegung auf Euro und Cent
       abstimmen lassen, auch namentlich. Wir verhandeln seit drei Jahren in der
       Rechtsstellungskommission ohne Ergebnis. Wenn Schwarz-Gelb sich nicht
       bewegt, zwingen wir sie zur Entscheidung.
       
       Warum sind Union und FDP so halsstarrig bei dem Thema? 
       
       Offenbar fürchten sie bei manchen Abgeordneten mit vielen Nebeneinkünften
       öffentliche Kritik. Ein Grund mehr, endlich Transparenz zu schaffen.
       
       Die Debatte ist durch Steinbrück fokussiert auf Nebenjobs. Ist es nicht
       wichtiger, mit Karenzzeiten zu verhindern, dass Politiker in Branchen
       wechseln, bei denen sie vorher Entscheider waren? Oder Parteispenden zu
       begrenzen? 
       
       Ich denke, Nebenjobs, Karenzzeit und Neuregelung bei Parteispenden sind
       gleich wichtig. Das sind verschiedene Situationen, aber es geht immer um
       den gleichen Konflikt. Es darf nicht sein, dass ein Minister mit Blick auf
       lukrative Anschlussjobs eine bestimmt Entscheidung fällt.
       
       Zum Beispiel? 
       
       In Brüssel der Fall Martin Bangemann, der für die Regulierung des
       Telekommunikationsmarktes in der EU zuständig war und danach zu einem
       spanischen Kommunikationsunternehmen wechselte. Da liegt der Verdacht nahe,
       dass im Amt erworbenes Wissen gekauft wurde. Wir brauchen für Deutschland
       ein Gremium, das prüft, ob Missbrauch vorliegt, und Jobs untersagen kann.
       
       Wolfgang Clement hat als Minister im rot-grünen Kabinett Leiharbeit
       gefördert und als Exminister Geld von einer Zeitarbeitsfirma bekommen.
       Finden Sie das in Ordnung? 
       
       Das müsste diese Kommission entscheiden. Ich will nicht Karenzkommission
       spielen, ohne alle Unterlagen zu kennen. Sonst wird aus
       Transparenzforderungen schnell eine Denunziationsinitiative.
       
       Warum so zögerlich? Auch ohne Korruptionsverdacht – die Firmen kaufen immer
       das Telefonbuch und die Netzwerke des Expolitikers. 
       
       Das muss man im Einzelfall rechtlich prüfen. Das Ziel kann nicht sein, dass
       Expolitiker nicht mehr arbeiten dürfen. Dann müssten wir sie nach dem
       Ausscheiden finanzieren. Das wird sehr teuer.
       
       Wie steht es mit Parteispenden? 
       
       Da sind drei Dinge nötig: Es dürfen nur natürliche Personen und keine
       Institutionen an Parteien spenden. Und nicht mehr als 100.000 Euro im Jahr.
       Und es darf nicht sein, dass Sponsoring eine Grauzone bleibt, in der
       verdeckte Parteispenden fließen.
       
       Gibt es Chancen auf Umsetzung? 
       
       Nur mit einem neuen Parteispendenskandal. Das war immer so: Ohne Skandal
       keine Reform, sonst bleibt alles wie es ist.
       
       23 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
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