# taz.de -- Angela Merkel, die CDU und Homoehe: Doch nur eine Konservative
       
       > Ausgerechnet bei der Gleichstellung von Homosexuellen fährt Angela Merkel
       > einen reaktionären Kurs. Was treibt sie dabei um?
       
 (IMG) Bild: Albtraum für die Stammklientel: Version des Modedesigners Karl Lagerfeld
       
       BERLIN taz | Der produktivste Beitrag kam von der CDU Sachsen. Der
       Landesverband kündigte an, via Facebook eine Umfrage zur Homo-Ehe zu
       starten. „Wir wollen uns so ein Bild über die Stimmungslage unserer
       Mitglieder machen“, begründete Generalsekretär Michael Kretschmer das am
       Montag. Im Übrigen sei ihm nichts bekannt über Parteiaustritte in Sachsen
       wegen der Debatte über steuerliche Gleichstellung homosexueller Paare.
       
       Herausfinden, ob die CDU-Mitglieder tatsächlich die Diskriminierung von
       schwulen und lesbischen Paaren gutheißen? An einem Montag, an dem die CDU
       ihre rückschrittliche Seite präsentierte, war die Idee aus Sachsen nicht
       die schlechteste. Doch Bundeskanzlerin und Parteichefin Angela Merkel schuf
       lieber anders lautende Fakten: Das CDU-Präsidium, dem Merkel vorsteht,
       beschloss in Berlin, homosexuellen Paaren auch in Zukunft eine
       Gleichstellung beim Steuerrecht und beim Adoptionsrecht zu verwehren.
       
       Was treibt Merkel um? Ob Energiewende, Wehrpflicht oder Mindestlohn – die
       Kanzlerin warf mehrfach traditionelle CDU-Positionen über Bord, wenn es der
       Zeitgeist forderte. Ausgerechnet bei der Gleichstellung von Schwulen und
       Lesben fährt sie einen reaktionären Kurs.
       
       Offiziell begründen musste ihn Generalsekretär Hermann Gröhe. Das Präsidium
       habe „nach intensiver Diskussion noch einmal einmütig bekräftigt, dass für
       uns der Beschluss des CDU-Bundesparteitags gilt“, sagte er nach den
       Gremiensitzungen. Die CDU halte an der „besonderen steuerlichen Förderung
       der Ehe fest“, so Gröhe, setze aber natürlich das jüngste
       Verfassungsgerichtsurteil zum Adoptionsrecht um.
       
       ## Untypische Festlegung
       
       Nach Merkels Intervention ist klar: Die CDU tut nur das Nötigste. Das
       Verfassungsgericht hatte vor zwei Wochen entschieden, dass Homosexuelle
       ebenso wie Heteros die Adoptivtöchter und -söhne ihrer Partner adoptieren
       dürfen. Die Vorgabe, diese Sukzessivadoptionen zu erlauben, akzeptiert die
       CDU nun zähneknirschend. Doch die Debatte über weitere Schritte, etwa eine
       Gleichstellung beim Ehegattensplitting, stoppt Merkel.
       
       Offenbar will sie sich lieber vom Gericht dazu zwingen lassen, statt sich
       den Vorwurf einzuhandeln, ein konservatives Herzensanliegen abzuräumen.
       Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Watsche aus Karlsruhe
       droht: Bis Mitte des Jahres, kurz vor Beginn der heißen Wahlkampfphase,
       will das Gericht zum Ehegattensplitting urteilen. Und es hat in ähnlich
       gelagerten Fällen bisher immer auf die Gleichstellung gepocht.
       
       Die Kanzlerin, die oft dafür gelobt wird, die Dinge vom Ende her zu denken,
       machte bei der offenen Schlacht in ihrer Partei keine gute Figur. Ihr
       Lavieren begann vor dem Bundesparteitag der CDU im Dezember. Damals schlug
       sie sich klar auf die Seite der Traditionalisten, brav folgte daraufhin der
       Parteitag der Linie der unangefochtenen Chefin. Er lehnte eine steuerliche
       Gleichstellung von Homosexuellen beim Ehegattensplitting mit Verweis auf
       die Besonderheit der Ehe und Familie mit Kindern ab. Die klare Festlegung
       war untypisch für die sich gern modern gebende Kanzlerin. Und den Dissens
       in ihrer Partei beendete sie damit ebenfalls nur scheinbar.
       
       ## Die modernen Stimmen der CDU
       
       Vor gut einer Woche flammte er erneut auf, durch den Vorstoß eines Trios,
       das sich üblicherweise mit Merkel abspricht. CDU-Fraktionsgeschäftsführer
       Michael Grosse-Brömer legte seiner Partei nahe, sie müsse „in Sachen
       Gleichstellung beweglicher“ werden. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble
       und Fraktionschef Volker Kauder plädierten für mehr Offenheit.
       
       Eine konzertierte Aktion? Viele in der CDU können sich jedenfalls nicht
       vorstellen, dass die Kanzlerin von diesen Vorstößen nichts wusste. Die
       Vermutung liegt nahe, dass die Kanzlerin einen Testlauf starten ließ. Um
       doch noch eine Position abzuräumen, die auf Dauer sowieso unhaltbar ist.
       Als am Dienstag die Unions-Fraktion tagte und sich gleich mehrere
       Abgeordnete aufregten, erbat sie sich „zehn Tage Zeit“, um in Ruhe zu
       beraten.
       
       Seither durfte sich jeder nach seiner Fasson äußern: Schäuble mahnte am
       Wochenende im Tagesspiegel altväterlich, wenn die CDU Volkspartei bleiben
       wolle, müsse sie veränderte Realitäten zur Kenntnis nehmen. CSU-Chef Horst
       Seehofer pochte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auf die
       Werte die Ehe – die Landtagswahl in Bayern immer fest im Blick. Eine
       Neuordnung des Ehegattensplittings werde es in dieser Legislaturperiode mit
       der CSU „ganz sicher“ nicht geben. Und FDP-Chef Philipp Rösler hoffte im
       Focus auf „ein starkes Signal für eine freie und tolerante Gesellschaft“.
       
       Mit Merkels Machtwort ist das Konzert vorerst beendet. Sie probt den Spagat
       zwischen konservativen Stammwählern und dem modernen Bürgertum auf ihre
       Art. Die einen dürfen kurzfristig an eine veraltete Politik glauben, die
       schon bald vom Karlsruher Bundesverfassungsgericht kassiert wird. Die
       anderen durften eine Woche lang besichtigen, dass es in der CDU ja auch
       moderne Stimmen gibt.
       
       4 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
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