# taz.de -- Verfassungsgericht und Gleichstellung: Antreiber der Union
       
       > Das Bundesverfassungsgericht treibt die Politik in Sachen Gleichstellung
       > vor sich her. In der Sache hat es recht. Dass es diese Rolle übernimmt,
       > ist neu.
       
 (IMG) Bild: Die roten Robenträger nerven die Union mit ihren fortschrittlichen Urteilen
       
       FREIBURG taz | Am Wochenende haben Unionspolitiker in ungewohnt heftiger
       Form das Bundesverfassungsgericht und dessen Präsidenten Andreas Voßkuhle
       kritisiert. Vordergründig geht es um Stilfragen. Anlass ist aber die
       Rechtsprechung des Gerichts zur Homo-Ehe.
       
       Mitte letzter Woche sprach Andreas Voßkuhle mit Journalisten der
       Bundespressekonferenz in Berlin über Aufgaben und Rechtsprechung des
       Bundesverfassungsgerichts. Eigentlich nichts besonderes. In Karlsruhe
       sprechen die Verfassungsrichter immer wieder ganz offiziell mit
       Journalisten, zum Beispiel beim jährlichen Presseempfang. Da lag es nahe,
       auch einmal mit den politischen Korrespondenten in der Hauptstadt zu
       diskutieren.
       
       Volker Kauder, der Fraktionschef der CDU/CSU, sah darin jedoch einen
       „Vorgang, den es so noch nicht gab“. Auch Innenminister Hans-Peter
       Friedrich (CSU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) äußerten sich
       laut Spiegel verstimmt.
       
       Die Reaktionen zeigen die Nervosität der Union, die nicht recht weiß, wie
       sie mit homosexuellen Partnerschaften umgehen soll. Im Zweifel wird jetzt
       das Bundesverfassungsgericht als Buhmann ausgegeben, das als politisches
       Gericht zu viel Wind mache und möglicherweise sogar falsche Urteile treffe.
       So kritisierte Kauder, es sei eine „ziemlich gewagte Aussage“, dass das
       Kindeswohl in gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht negativ betroffen
       sei.
       
       ## Gut abgesicherte Erkenntnis
       
       Tatsächlich hat sich das Verfassungsgericht bei dieser Aussage gut
       abgesichert. Als im Dezember über das Adoptionsrecht von Homosexuellen
       verhandelt wurde, waren elf Sachverständige und Fachverbände geladen – und
       immerhin zehn von ihnen sprachen sich eindeutig für ein erweitertes
       Adoptionsrecht für Homosexuelle aus. Zwar gibt es in Deutschland nur eine
       Studie, die die Situation sogenannter Regenbogenfamilien untersucht hat.
       
       Aber diese Expertise im Auftrag des Bundesjustizministeriums wird von
       ähnlichen Untersuchungen aus anderen Ländern bestätigt, so dass keineswegs
       von einer dünnen Faktenlage gesprochen werden kann. In der Sache können die
       Angriffe auf das Bundesverfassungsgericht also nicht überzeugen.
       
       Allerdings ist das Karlsruher Gericht nicht immer Antreiber für die Rechte
       der Homosexuellen gewesen. In den 1950er Jahren hielt es sogar noch die
       Strafbarkeit männlicher Homosexualität für verfassungskonform. Und als die
       rot-grüne Koalition die eingetragene Partnerschaft einführte, hätte eine
       Verfassungsklage von Bayern, Sachsen und Thüringen fast Erfolg gehabt, sie
       wurde 2002 nur mit 5 zu 3 Richterstimmen abgelehnt.
       
       Immerhin wurde damals der Weg für eine Gleichstellung von Ehe und
       eingetragener Partnerschaft freigemacht. Es gebe kein „Abstandsgebot“
       zwischen Ehe und anderen Lebensformen, urteilte die Richtermehrheit. Die
       Pflicht zur Förderung der Ehe zwinge den Bundestag nicht zur
       Benachteiligung anderer Arten des Zusammenlebens.
       
       ## Gewandeltes Bild
       
       Ob der Bundestag die Partnerschaft weiter gleichstellen will, wurde damals
       noch der Politik überlassen. So scheiterten in der Folgezeit mehrere
       Klagen, die forderten, die Gleichstellung selbst durchzusetzen.
       
       Erst 2009 wandelte sich das Bild, als Karlsruhe erstmals entschied, dass
       die Ungleichbehandlung von eingetragenen Partnern sachlich nicht
       gerechtfertigt sei. Die Homo-Partner übernähmen genauso Verantwortung
       füreinander wie Ehegatten. Damals ging es um die betriebliche
       Altersversorgung im öffentlichen Dienst, es folgten Urteile zur
       Erbschaftssteuer, zum Beamtenrecht, zur Grunderwerbssteuer und jetzt zum
       Adoptionsrecht.
       
       Dass Karlsruhe Mitte des Jahres auch eine Gleichstellung beim
       Ehegattensplitting fordern wird, ist da völlig erwartbar. Voßkuhle nennt
       das die „Pfadabhängigkeit der Rechtsprechung“. Wenn einmal eine bestimmte
       Grundentscheidung getroffen wurde, dann bleibe Karlsruhe in der Regel
       dieser Linie treu. Das weiß eigentlich auch die Union.
       
       5 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
 (DIR) Christian Rath
       
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