# taz.de -- Antiterrordatei rechtlich übergeprüft: Keine „Geheimpolizei“
       
       > Die Verfassungsrichter billigen die Zusammenarbeit von Polizei und
       > Nachrichtendiensten. Aber nur wenn der Bundestag nachbessert.
       
 (IMG) Bild: Karlsruhe hat erklärt: Ein „informationelles Trennungsprinzip“ bezüglich Polizei und Nachrichtendiensten ergebe sich aus den Grundrechten.
       
       KARLSRUHE taz | Die Antiterrordatei ist [1][in vielen Punkten
       verfassungswidrig]. Das entschied am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht.
       Der Bundestag muss das Gesetz nun bis Ende 2014 nachbessern.
       
       Zugleich nutzte das Gericht den Fall, um grundsätzliche Maßstäbe
       aufzustellen. [2][So dürfe die Terrorbekämpfung nicht „als Krieg oder als
       Ausnahmezustand“ gesehen werden]. Außerdem wurde eine grundsätzliche
       „informationelle Trennung“ zwischen Polizei und Nachrichtendiensten
       postuliert – die zur Terrorbekämpfung allerdings durchbrochen werden darf.
       
       Die Antiterrordatei wurde 2007 von der großen Koalition eingerichtet. Sie
       enthält Informationen über rund 18.000 Islamisten. Dafür wurden keine neuen
       Daten erhoben; vielmehr soll der Informationsaustausch zwischen Polizeien
       und Diensten erleichtert werden, indem Ermittler dort nachsehen können,
       welche Behörde Informationen über eine bestimmte Person hat.
       
       Geklagt hatte der pensionierte Richter Robert Suermann aus Oldenburg. Er
       wollte verhindern, dass die Polizei auf diesem Wege Zugriff auf Daten des
       Verfassungsschutzes bekommt. Ob das Grundgesetz ein Gebot zur Trennung von
       Polizei und Nachrichtendiensten enthält, wie Suermann meint, ist seit
       Jahrzehnten umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat dies bisher immer
       offengelassen.
       
       ## „Informelles Trennungsprinzip“
       
       Jetzt hat Karlsruhe geklärt: Ein „informationelles Trennungsprinzip“
       bezüglich Polizei und Nachrichtendiensten ergebe sich aus den Grundrechten,
       vor allem aus dem auf informationelle Selbstbestimmung. Danach sei es ein
       schwerer Eingriff in die „Zweckbindung“ von Daten, wenn sie etwa von der
       Polizei an den Verfassungsschutz geliefert werden und umgekehrt.
       
       Beide Behörden seien nach derzeitigem Recht strikt zu unterscheiden: hier
       die offen ermittelnde Polizei, dort der verdeckt arbeitende
       Verfassungsschutz, der vor allem die Politik berate. „Eine Geheimpolizei
       ist nicht vorgesehen“, betonte Senatsvorsitzender Ferdinand Kirchhof.
       
       Ein Datenaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten sei nur
       möglich, wenn er einem „herausragenden öffentlichen Interesse“ diene. Dabei
       habe die Terrorbekämpfung „erhebliches Gewicht“. Allerdings, so betonten
       die Richter, dürfe die Auseinandersetzung mit dem Terror „nicht als Krieg
       oder als Ausnahmezustand“ betrachtet werden, an die rechtstaatliche
       Anforderungen nicht mehr gelten.
       
       Gemessen an diesem Maßstab sei die Datei „in ihren Grundstrukturen
       verfassungsgemäß“. Es würden eben nicht alle Informationsgrenzen zwischen
       Polizei und Nachrichtendiensten abgebaut – was unzulässig wäre –, vielmehr
       werde nur die „Informationsanbahnung“ ermöglicht. Die Weitergabe folge wie
       bisher den Fachrechten von Polizei und Nachrichtendiensten.
       
       ## Kritik an zahlreichen Einzelpunkten
       
       Kritik üben die Richter aber an zahlreichen Einzelpunkten. So genüge es für
       die Aufnahme in die Antiterrordatei nicht, dass jemand Gewalt nur
       „befürwortet“. Auch die Unterstützung einer terrorunterstützenden
       Organisation sei als Merkmal zu unbestimmt. Sonst könnten auch arglose
       Eltern in der Datei landen, weil sie den Kindergarten eines Moscheevereins
       unterstützen, der wiederum verdächtigt wird, Terrorgruppen zu unterstützen.
       Kontaktpersonen sollen künftig nicht mehr als eigene Gruppe gespeichert
       werden, sondern nur als verdeckte Zusatzinformation bei echten
       Verdächtigen.
       
       Weitere Vorgaben betreffen Kontrolle und Transparenz: Die
       Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern sollen die Antiterrordatei
       mindestens alle zwei Jahre prüfen. Das Bundeskriminalamt, bei dem die Datei
       geführt wird, soll der Öffentlichkeit „regelmäßig“ über Datenbestand und
       Nutzung berichten.
       
       Die Verfassungsrichter waren trotz der insgesamt rund zehn Beanstandungen
       mit den Sicherheitsbehörden gnädig. Die Antiterrordatei kann mit kleineren
       Einschränkungen weiterarbeiten und muss bis zur Neuregelung nicht
       abgeschaltet werden.
       
       Der Bundestag hat für die Reparaturen nun Zeit bis Silvester 2014. Die
       relativ lange Frist begründeten die Richter damit, dass der Gesetzgeber bei
       dieser Gelegenheit auch „ähnliche“ Gesetze prüfen soll. Gemeint ist
       offensichtlich die Neonazi-Datei, die nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie
       im vorigen Jahr eingerichtet wurde. 
       
       ## „Urteil gegen den Überwachungsstaat“
       
       „Das ist ein großes Urteil gegen den Überwachungsstaat“, sagte Maximilian
       Suermann nach der Urteilsverkündung. Der Sohn des Klägers hatte diesen als
       Anwalt in Karlsruhe vertreten. Vater Robert Suermann war weniger
       euphorisch: „Letztlich ist es nur ein Etappensieg in einem
       Rückzugsgefecht.“
       
       Die Karlsruhe Richter nutzten das Urteil auch, um zugleich dem Europäischen
       Gerichtshof (EuGH) den Fehdehandschuh hinzuwerfen. [3][Dieser hatte
       kürzlich] im Fall eines schwedischen Fischers zur Überraschung von ganz
       Europa erklärt, dass der EuGH auch im nationalen Strafrecht europäische
       Grundrechte prüfen können, wenn es um die Verteidigung von irgendwie
       EU-geregelten Interessen gehe. 
       
       Verfassungsrichter Kirchhof betonte nun im Namen des ganzen Karlsruher
       Senats, dass der EuGH sich bei der Grundrechtsprüfung auf europäisches
       Recht beschränken solle. Das Bundesverfassungsgericht werde Luxemburger
       Urteile für nicht anwendbar erklären, wenn sie „die Identität der durch das
       Grundgesetz errichteten Verfassungsordnung in Frage stellten“.
       
       Az.: 1 BvR 1215/07*a
       
       24 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
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       Das Bundesverfassungsgericht hat die umstrittene Antiterrordatei
       grundsätzlich gebilligt. Es seien jedoch Nachbesserungen bis 2015
       erforderlich.