# taz.de -- Personal der großen Koalition: Ein kompliziertes Mosaik
       
       > Union und SPD halten sich vorerst bedeckt. Doch das Ringen um die
       > Ministerämter in der großen Koalition hat längst begonnen.
       
 (IMG) Bild: Eieiei, was seh ich da? Ein verliebtes Ehepaar.
       
       BERLIN taz | Wenn Journalisten die P-Frage stellten, ernteten sie zuletzt
       nur noch ein müdes Lächeln. Und bekamen ausweichende Antworten von den
       Chefverhandlern der Großen Koalition in spe. Wer wird Minister? Welche
       Partei bekommt welche Ressorts? Auf solche Fragen antwortete Sigmar
       Gabriel, Andrea Nahles oder Hermann Gröhe immer dasselbe: Erst mal seien
       die Inhalte wichtig, über das Personal werde am Ende entschieden.
       Chefsache.
       
       Das ist nur die halbe Wahrheit. Richtig ist, dass viele
       Personalentscheidungen tatsächlich noch fallen. Am Dienstag steht der
       Endspurt der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD an. Ab 12
       Uhr tagt die kleine Runde der Partei- und Fraktionschefs mit wenigen
       Vertrauten im Willy-Brandt-Haus. Am Abend schließt sich eine große Runde
       mit diversen Landespolitikern an. Wenn es hakt, hieß es am Montag, würden
       sich Angela Merkel, Horst Seehofer und Gabriel zu Sechsaugengesprächen
       zurückziehen.
       
       Und in der Tat: Wer welches Ministerium bekommt, wird endgültig erst danach
       entschieden. Allerdings ist das Desinteresse von Gabriel und Co. an
       P-Fragen vorgetäuscht. Strategen aller drei Partner sitzen längst an
       Ministertableaus, über nichts wird in den Fluren der Parteizentralen lieber
       geredet als über die Karrierewünsche der Beteiligten. Dieses Interesse ist
       berechtigt, der Erfolg in einer Koalition hängt auch davon ab, die
       richtigen Themen – mithin: die strahlkräftigen Jobs – zu besetzen.
       
       Die Kanzlerin, der die Verfassung die Richtlinienkompetenz zuschreibt, ist
       bei den Personalia weniger mächtig, als man denkt. Jede Partei entscheidet
       selbst über ihre Spitzenposten im Kabinett, entscheidend dabei sind das
       Gewicht der Interessenten, regionaler Proporz nach Landesverbänden, aber
       auch die Quotierung nach Mann und Frau.
       
       ## Machtkonzentrationen vermeiden
       
       Oft hört man, es könnte im künftigen Kabinett auf eine „6+3+6“-Regelung
       hinauslaufen. Die CDU bekäme also 6 Ressorts, die CSU 3, die SPD ebenfalls
       6. Merkels CDU würde also verzichten, um dem Bedeutungszuwachs der CSU
       gerecht zu werden, die auf ihr starkes Ergebnis in Bayern pocht. Auch die
       SPD kann bei ihrem Wahlergebnis von knapp 26 Prozent mehr Ressorts
       verlangen als die FDP 2009.
       
       Innerhalb dieser Zahlenspielerei ist keine Partei völlig frei in ihrer
       Auswahl. Eine Kabinettsaufstellung gleicht einem Mosaik, das diverse
       Bedürfnisse und Eitelkeiten befriedigen muss. Zwei Regeln sind wichtig:
       Weil die Union die Kanzlerin stellt, hat der kleinere Partner – also die
       SPD – einen Freischuss: Sie darf ein wichtiges Ressort ihrer Wahl
       beanspruchen.
       
       Außerdem gilt eine bundesrepublikanische Tradition. In den vergangenen
       Jahrzehnten achteten die Regierungspartner darauf, dass bestimmte Ressorts
       nicht in einer Hand liegen, um Machtkonzentrationen zu vermeiden.
       
       ## Gabriel ist die Nummer 1
       
       Bekam die Union beispielsweise traditionsgemäß das Finanzministerium, so
       erhielt die FDP das Wirtschaftsressort. Das Innen- wurde durch das
       Justizministerium gekontert, das Auswärtige Amt durch das
       Verteidigungsministerium. Es existieren also Spiegelressorts. Auch die
       künftige Große Koalition will sich dem Vernehmen nach an diese alte Regel
       halten.
       
       Für die SPD ist dieses Puzzlespiel vor dem Mitgliederentscheid besonders
       knifflig. Bisher hat Gabriel zu Personalfragen geschwiegen. Er ist die
       Nummer 1 in der Partei, er hat den Erstzugriff auf ein Ministerium, nach
       ihm sortiert sich alles Weitere. Doch die Genossen rätseln: Will er
       Finanz-, Arbeits- oder Energieminister werden?
       
       Intern hat sich Gabriel noch nicht klar über seine Ambitionen geäußert. Er
       zögert. Das Finanzressort wäre wohl das mächtigste, weil es überall
       mitentscheidet. Doch die SPD müsste auf viele andere Zugeständnisse
       verzichten, um dieses Ministerium zu erkämpfen. Hinzu kommt, dass der Job
       des obersten Sparkommissars wenig werbeträchtig ist. Und dass Merkel gerne
       den ausgefuchsten Vollprofi Wolfgang Schäuble (CDU) im Amt belassen würde.
       
       ## Arbeit und Soziales für die SPD
       
       Als sicher gilt, dass die Sozialdemokraten Arbeit und Soziales für sich
       beanspruchen werden – das Traditionsressort der SPD. Es verfügt über einen
       der größten Finanztöpfe im Kabinett. Allerdings werden die Erwartungen der
       SPD-Basis an ihren künftigen Minister enorm sein. Ein Arbeitsminister
       Gabriel stünde unter dem permanenten Druck, gegen die unwillige Union
       Vorstöße unternehmen zu müssen – mit geringen Erfolgsaussichten.
       Entscheidet er sich dagegen, steht Andrea Nahles bereit. Die
       SPD-Generalsekretärin kennt sich in den Details des Sozialgesetzbuches gut
       aus, ihr wird intern ebenfalls der Zugriff auf ein wichtiges Amt
       zugestanden.
       
       Ein maßgeschneidertes Energie- und Wirtschaftsressort gilt vielen Genossen
       als wahrscheinliche Variante für Gabriel. Er ist ein schneller Denker, hat
       ein sicheres Gefühl für Themen und spielt sie geschickt auf die Agenda.
       Manchmal hat er sie nur schon wieder vergessen, wenn sein Referent noch die
       Thesenpapiere kopiert. Die Energiewende ist ein Zukunftsthema, bei dem
       vieles noch offen ist.
       
       Auch das Wirtschaftsressort lebt eher von der guten Idee des Amtsinhabers,
       weil er traditionell wenig Geld zum Verteilen hat. All das passt zu
       Gabriel. „Sigmar hat ja ein Trüffelschwein-Gen“, sagt ein Genosse. „Ein
       Energie- und Wirtschaftsministerium böte viel Freiraum für seine
       Qualitäten.“
       
       ## Was will Gabriel?
       
       Mit seinem Zögern bringt Gabriel die gesamte SPD-Spitze in die Bredouille.
       Denn die Zeit drängt: Anfang Dezember sollen die rund 470.000 Mitglieder
       per Briefwahl über die Große Koalition entscheiden, Anfang kommender Woche
       soll der Koalitionsvertrag im Vorwärts verbreitet werden.
       
       Bisher ist unklar, bis wann sich Gabriel entscheidet – und
       Personalvorschläge macht. Manche sagen, schon diesen Mittwoch. Andere
       sagen, nächste Woche reiche auch. Ein SPDler fasst zusammen, was viele
       denken: „Die Basis ohne Personalvorschlag über eine Koalition abstimmen zu
       lassen ist unseriös.“
       
       Auf Gabriels Liste stehen jedenfalls vor allem bekannte Gesichter. Neben
       Nahles gilt der bisherige parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann
       als gesetzt. Er wäre gern Innenminister. Wenn die Union das Ressort behält,
       müsste er sich etwa mit Justiz begnügen. Manuela Schwesig wird als
       Anwärterin auf das Familienressort gehandelt, die 39-Jährige ist eines der
       wenigen jungen Gesichter der SPD. Auch Frank-Walter Steinmeier könnte
       wieder eine Rolle spielen. Sein Umfeld lanciert, er habe erneut Interesse
       am Job des Außenministers, den er schon in der Großen Koalition von 2005
       bis 2009 innehatte.
       
       26 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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