# taz.de -- Schwarz-grüne Koalitionsverhandlungen: Hessen als Praxistest
       
       > Bei den Grünen mischen sich Freude und Skepsis über die
       > Koalitionsverhandlungen in Hessen. Alle sind sich einig: Schwarz-Grün
       > wäre ein Signal.
       
 (IMG) Bild: Wollen's miteinander versuchen: Der Grüne Tarek al-Wazir und CDU-Mann Volker Bouffier
       
       BERLIN taz | Als sich Cem Özdemir auf dem Bundesparteitag im Oktober an die
       „lieben Freunde in Hessen“ wandte, war er voll des Lobes für den
       Landesverband. „Ich bin mir sicher“, rief der Parteichef, „dass ihr
       selbständig weise entscheidet, ob und mit wem ihr gegebenenfalls regieren
       wollt.“ Die Berliner Zentrale, so die Botschaft, mischt sich auf keinen
       Fall ein.
       
       Diese Regel gilt generell bei den Grünen, die selbstbewussten
       Landesverbände entscheiden autonom über Koalitionen. Doch in Özdemirs Gruß
       an die verhandelnden Parteifreunde steckte mehr: viel Respekt.
       
       Hessen gilt vielen Grünen als geschlossen agierender und straff
       organisierter Landesverband mit einer starken Führungsfigur. Tarek
       Al-Wazir, der sowohl Landes- als auch Fraktionschef ist, agierte in den
       Sondierungen klug und nüchtern, seine Autorität ist unangefochten. „Wenn
       einer in der Lage ist, mit dieser CDU etwas hinzubekommen, dann ist es
       Tarek“, hieß es am Freitag in Berlin.
       
       Offiziell äußerte sich der Bundesvorstand zurückhaltend, niemand will der
       Entscheidung der Hessen vorgreifen, deren Gremien sich erst am Samstag mit
       dem Angebot der CDU befassen. Al-Wazir habe mit SPD, Linken und CDU „sehr
       sorgfältig“ sondiert, sagte die Grünen-Vorsitzende Simone Peter am Freitag
       der taz.
       
       „Leitfaden war und ist, wie grüne Inhalte wirkungsvoll in
       Regierungsverantwortung umgesetzt werden könnten.“ Sie sei sicher, so Peter
       weiter, dass Hessens Grüne zu einer fundierten Entscheidung kämen. „Diese
       Entscheidung für Hessen können unsere Grünen vor Ort auch am besten
       beurteilen.“
       
       ## Keine Vorbilder für Schwarz-Grün
       
       Bei den internen Einschätzungen mischen sich Freude, Stolz und Skepsis in
       Berlin. Sollten die CDU von Ministerpräsident Volker Bouffier und Al-Wazirs
       Grüne über ein Bündnis einig werden, hätte dies eine große Bedeutung für
       die Aussichten der Grünen im Bund. Bisher gab es nur zwei Versuche, mit der
       CDU in Bundesländern zu regieren. Die Koalition in Hamburg scheiterte
       schnell an einem Volksbegehren zur Schulpolitik, die Jamaika-Koalition im
       Saarland zerbrach wegen einer wirr agierenden FDP.
       
       Beide Bündnisse taugen nicht als Folie für die Machtoption im Bund. Sie
       fuhren politisch zu wenig Erfolge ein, auch sind die Verhältnisse eines
       Stadtstaates oder eines Mini-Bundeslandes speziell, also kaum übertragbar
       aufs große Ganze. Bei Hessen, einem wichtigen westdeutschen Flächenland,
       wäre das anders. Klappt Schwarz-Grün hier, zumal mit einer erzkonservativen
       CDU, wäre das der Beweis: Schwarz-Grün ist machbar, wenn hier, dann
       überall.
       
       „Natürlich ist das ein Signal, das Wirkung entfalten wird“, drückte ein
       Bundestagsabgeordneter das Offensichtliche aus. Die letzte öffentliche
       Debatte über Schwarz-Grün fand vor wenigen Wochen statt. Verhandler von
       Grünen, CDU und CSU trafen sich zwei Mal zu Sondierungsgesprächen. Die
       „gute und konstruktive Stimmung“ wurde hinterher allseits gelobt, dies war
       jedoch nur eine Momentaufnahme. Schwarz-Grün in Hessen wäre dagegen ein
       lang angelegter Praxistest. In einer Phase, in der alle Parteien im Bund
       neue Partner brauchen.
       
       ## Al-Wazir braucht nun Erfolge
       
       Auch der Bundesrat wird oft erwähnt, wenn man mit Berliner Grünen über
       Hessen spricht. Ein schwarz-grünes Land, das wäre eine Verstärkung der
       sechs rot-grünen Landesregierungen. Gerade weil die CDU beteiligt wäre,
       heißt es, könnten die Grünen der Großen Koalition im Bund mehr Kompromisse
       abringen.
       
       Allerdings gibt es intern auch skeptische Einschätzungen. Der Versuch in
       Hessen ist nicht ohne Risiko, er könnte der Partei auch schaden.
       Schwarz-Grün ist in der Grünen-Wählerschaft extrem unbeliebt, in diversen
       Umfragen kündigt stets eine Mehrheit an, lieber SPD zu wählen, sollten die
       Grünen untreu werden.
       
       Al-Wazir braucht in den Koalitionsverhandlungen eindeutige Erfolge, die er
       vorzeigen kann. Sonst droht den Grünen generell ein
       Glaubwürdigkeitsverlust, fürchten manche. „Schwarz-Grün in Hessen ist kein
       Automatismus für Schwarz-Grün im Bund“, sagt ein Parteiinsider.
       
       Gerade linke Grüne befürchten, dass ihrer Partei 2017 nur die Option
       Schwarz-Grün bleiben könne – und dass sie dann mit der SPD um die Gunst der
       Union kämpfen müssten. Rot-Rot-Grün, sagen sie, müsse ebenfalls möglich
       sein. Schon allein, um die Balance zu wahren und Wähler nicht zu
       verschrecken.
       
       22 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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