# taz.de -- Sozialgerichts-Urteil wird angefochten: Hartz IV für arbeitslose Rumänen
       
       > Der Leistungsausschluss erwerbsloser Rumänen verletzt das
       > Gleichbehandlungsgebot, urteilt das Sozialgericht NRW. Ein Jobcenter geht
       > in Berufung.
       
 (IMG) Bild: Der Fall wird bald das Bundessozialgericht beschäftigen
       
       BERLIN taz | Gelassen reagierte eine Sprecherin der Bundesarbeitsagentur
       auf das neueste Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen. Das
       Gericht hatte Ende vergangener Woche geurteilt, dass erwerbslosen Rumänen
       nicht grundsätzlich das Recht auf Hartz-IV-Leistungen versagt werden könne.
       Gegen das Urteil legt das Jobcenter Berufung beim Bundessozialgericht ein.
       „Die Urteile der Sozialgerichte und Landessozialgerichte fallen
       unterschiedlich aus. Wir warten die höchstrichterliche Rechtsprechung ab“,
       sagte dazu die Sprecherin der Bundesagentur.
       
       Die Kläger, ein rumänisches Ehepaar mit Kind, waren 2009 nach Gelsenkirchen
       gekommen. Sie waren arbeitslos und verkauften Obdachlosenzeitungen. Im
       Herbst 2010 versagte ihnen das Jobcenter Leistungen nach Hartz IV. Das
       Jobcenter berief sich in seiner Ablehnung auf den Paragrafen 7 des
       Sozialgesetzbuchs II. Danach steht Einwanderern aus EU-Ländern kein Recht
       auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zu, wenn sie sich zum „Zweck der
       Arbeitssuche“ in Deutschland aufhalten, also hier noch keinen Job hatten.
       
       Dieser Paragraf im Sozialgesetzbuch steht allerdings dem Europarecht
       entgegen, das ein „Gleichbehandlungsgebot“ der EU-Bürger vorsieht. Es gibt
       zwar die „Unionsbürgerrichtlinie“, die den Mitgliedsstaaten erlaubt,
       einschränkende Regelungen zur Vermeidung von sogenanntem Sozialtourismus zu
       erlassen.
       
       Doch diese Einschränkung sei nicht in der unbedingten und umfassenden Form
       zulässig wie in Paragraf 7 des Sozialgesetzbuchs II, urteilte das Gericht.
       Die Richtlinie verlange eine bestimmte Solidarität des aufnehmenden Staats
       Deutschland mit den anderen Mitgliedsstaaten. (Az.: L 6 AS 130/13) 
       
       Bereits im Oktober hatte das Gericht einer rumänischen Familie (beide
       Familien sind verwandt) einen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen zuerkannt,
       allerdings mit einer anderen Begründung. Das neuere Urteil „könnte auch vor
       dem Bundessozialgericht halten“, sagte Rechtsanwalt Holger Schönfeld, der
       beide Familien vertreten hat.
       
       ## Gesetzliche Grundlage fehlt
       
       Allerdings dürfte dies keineswegs bedeuten, dass dann alle nach Deutschland
       migrierten EU-Ausländer ohne Job hier einen Anspruch auf Hartz
       IV-Leistungen hätten. Käme dieses Urteil beim Bundessozialgericht durch,
       müsste es künftig eine gesetzliche Grundlage geben, die eine Prüfung von
       Einzelfällen zulässt, erklärte Martin Kühl, Sprecher des
       Landessozialgerichts.
       
       Bisher haben Rumänen und Bulgaren in Deutschland nur die Möglichkeit, als
       Selbstständige zu arbeiten. Vom 1. Januar an gilt die
       Arbeitnehmerfreizügigkeit, das heißt, diese EU-Migranten dürfen auch
       sozialversicherungspflichtige Jobs oder Minijobs annehmen.
       
       2 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) EU
 (DIR) Hartz IV
 (DIR) Rumänien
 (DIR) Jobcenter
 (DIR) Hartz IV
 (DIR) CSU
 (DIR) Bundessozialgericht
 (DIR) Soziales
 (DIR) Hartz IV
 (DIR) Koalition
 (DIR) Große Koalition
 (DIR) Lohndumping
 (DIR) Schwerpunkt Armut
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) EU-Freizügigkeitsabkommen: Kein Grund zur Angst vor den Armen
       
       Die CSU warnte jüngst vor Armutsmigration aus Osteuropa. Doch Bulgaren und
       Rumänen, die in Deutschland ohne Job sind, erhalten gar keine Leistungen.
       
 (DIR) CSU gegen Arbeitsmigranten: „Wer betrügt, der fliegt“
       
       Die CSU will einen schärferen Kurs gegen vermeintliche Armutszuwanderer aus
       EU-Staaten beschließen. Ihnen soll der Zugang zum Sozialsystem erschwert
       werden.
       
 (DIR) Hartz-IV-Anspruch für EU-Ausländer: Gerichtsurteil vertagt
       
       Haben arbeitssuchende EU-Ausländer in Deutschland Anspruch auf Hartz IV?
       Das Bundessozialgericht hat ein Grundsatzurteil dazu ausgesetzt.
       
 (DIR) Notübernachtung für Frauen: Hier öffnet sich eine Tür
       
       Die Hilfseinrichtung in Mitte feiert zehnjähriges Bestehen. Die Zahl
       obdachloser Frauen in Berlin steigt.
       
 (DIR) Kommentar: EU-Freizügigkeit: Europa schiebt Paranoia
       
       Ab 2014 steht Rumänen und Bulgaren der europäische Arbeitsmarkt offen.
       Zudem haben sie ein Recht auf Hartz-IV-Leistungen. Das schürt Ängste.
       
 (DIR) Koalitionsvertrag und Generationen: Verfrühstückte Zukunft
       
       Alte statt Junge stärken und Schwache gegen Schwache ausspielen: Darauf
       haben sich CDU und SPD geeinigt. Ob sie so harte Konflikte umgehen können?
       
 (DIR) Kommentar Große Koalition: Merkel plus Betriebsrat
       
       Es sagt sich leicht, dass die Große Koalition keine große Idee hat. Aber
       das stimmt nicht. Ihr Geist ist die Wiederherstellung des Korporatismus.
       
 (DIR) Jobcenter klagen gegen Lohndumping: Geschäftsmodell Ausbeutung
       
       Arbeitsagenturen prangern Unternehmern an, die ihre Angestellten mit
       Hungerlöhnen abspeisen. Der Mindestlohn würde ihnen entgegenkommen.
       
 (DIR) Armut in Deutschland: Der Suppenküchenstaat wächst
       
       Der Armutsforscher Christoph Butterwegge erzählt von der Umwandlung des
       Sozialstaats. Er malt ein beunruhigendes Bild unserer gespaltenen
       Gesellschaft.