# taz.de -- Neuer House aus Kalifornien: Warten auf den Bus
       
       > Entschleunigt, verspult, auch melodiös: Die unglaublich seltsame Welt des
       > genialen US-Houseproduzenten SFV Acid.
       
 (IMG) Bild: Zane Reynolds mit seiner Roland Drummachine.
       
       Wie funktioniert Acidhouse im San Fernando Valley? Man lässt Tapes mit
       seiner Musik an Tankstellen liegen und in Bibliotheken. Damit die Finder
       die Fundstücke auch einordnen können, nennt man sich danach, wo man
       herkommt: SFV Acid alias Zane Reynolds hat diese Strategie geholfen.
       
       Dean Spunt, eine Hälfte des kalifornischen Noise-Duos No Age,
       veröffentlichte die Musik von Zane Reynolds auf seinem Label PPM. Und er
       konnte ihn auch ausfindig machen, denn seinen Künstlernamen lässt Reynolds
       mit den Initialen des San Fernando Valley anfangen, der Suburbia, in der
       der 25-Jährige lebt.
       
       Das San Fernando Valley ist ein Talkessel in der Region Los Angeles. Nicht
       die bestbeleumundete Gegend, dort hat die Pornoindustrie ihren Sitz. Auch
       der lokale Dialekt, Valley-Speak, wird belächelt. „Retardierte Poesie“,
       sagt Zane Reynolds dazu und schiebt ein Beispiel hinterher: for realz, echt
       jetzt. SFV Acid spielt mit den Klischees seiner Heimat. „Den Ortsbezug
       verwende ich als Kennzeichen.“ Die Luftwurzeln des Pop, bei SFV Acid sind
       sie wieder geerdet, wobei das Acid im Namen vor allem für den Stil steht,
       dem sich Reynolds verschrieben hat: rhythmusgetriebener House, der klingt
       wie nichts sonst auf dieser Welt. Entschleunigt, verspult, aber auch
       melodiös und treibend.
       
       „Meine Musik entsteht maßgeblich mit der 303-Drummachine von Roland. Das
       Ding spuckt verdammt schöne Zwitschertöne aus. Dazu passt wiederum, dass
       Acid im Wortsinn säuerlich bedeutet: Mein Sound ist Essig. Ich mag diese
       Vorstellung. Und Acid ist auch ein gebräuchlicher Slang für LSD“, erklärt
       der Kalifornier, der zum ersten Mal außerhalb der USA ist und ein Konzert
       im Berliner Club Ohm spielt.
       
       Zum Interview hat er auch seinen Skizzenblock mitgebracht. Wenn er keine
       Musik macht, dann zeichnet Reynolds. Dabei entstehen Figuren und
       comicartige Tableaus, die von Ferne an den Künstler Raymond Pettibon
       erinnern. Auch in Reynolds Zeichnungen kommen Devianz, alltägliche Gewalt,
       religiöse und politische Ideologie in ihrer vorfabrizierten
       massenkulturellen Bildsprache zum Vorschein.
       
       Aber Reynolds unterscheidet sich von Pettibon, der Anfang der Achtziger
       durch seine Gestaltung von Plattencovern kalifornischer Punkbands berühmt
       wurde, in einem entscheidenden Punkt. „Ich habe von der
       Do-it-yourself-Philosophie des Punk genug. Sie verwehrt Künstlern, Geld zu
       verdienen, alles unter der Schutzbehauptung eines diffusen Ethos. Leute in
       meinem Alter sind nur noch auf der Suche nach dem nächsten Gig.“
       
       ## Schmilzende Michelin-Männchen
       
       Für die Modedesigner Hedi Slimane und Yves Saint Laurent kreierte Zane
       Reynolds ungewöhnliche T-Shirt-Motive: Figuren auf dem Gehweg, die aussehen
       wie schmilzende Michelin-Männchen.
       
       Reynolds ist die Antithese zur Autokultur. In dem Dokumentarfilm „New
       American Noise“ wird er beim ziellosen Wandern auf Straßen gefilmt. Wie
       eine Skulptur liegt er reglos auf dem Mittelstreifen vierspuriger Straßen.
       Er sei durchs Busfahren zum Zeichnen gekommen. „Das ewige Warten hat mir
       dabei geholfen, ein eigenes Zeitgefühl zu entwickeln“, erklärt er.
       
       Acid-House ist in den USA wieder en vogue. Fast drei Jahrzehnte nachdem es
       von den schwarzen Innenstädten Chicagos und Detroits aus als Blaupause für
       elektronische Tanzmusik um die Welt ging. Reynolds erzählt, wie eine
       US-Tour des französischen Rave-Duos Justice 2009 den Gebrauch
       elektronischer Musikinstrumente in Kalifornien hip werden ließ.
       
       ## Der Zwitschersound der Drummachine Roland TB 303
       
       Zu jener Zeit hatte Reynolds seine 303-Drummachine längst in Gebrauch. Sein
       Vater, ein Jazzgitarrist, der im Stile Django Reinhardts spielt, brachte
       ihm die elektronische Musik der Prankster The Residents nahe. „Ich bin von
       klein auf mit ihren verrückten Melodien aufgewachsen. Technologie ist ja
       schön und gut, Melodien berühren mich viel mehr“, sagt Reynolds.
       
       Das hört man auf den bisher erschienenen Alben und Maxisingles. Von Anfang
       an war da eine Masterplanlosigkeit erkennbar. Gerade im Vagabundierenden
       liegt die Schönheit von SFV Acid. Er ist ein Eigenbrötler, der es schafft,
       den Erwartungsbündeln des Mainstreams etwas entgegenzusetzen.
       
       Sein zweites Album, „The Dwell“, ist in der Filiale einer Kaffeehauskette
       entstanden. Über Monate ist SFV Acid jeden Tag zum Komponieren eingekehrt,
       hat sich von der eintönigen Atmosphäre inspirieren lassen. Sein neues
       Album, „Amber’s Stuff“, verhandelt eine in die Brüche gegangene
       Liebesbeziehung, alle Songs sind nach den Habseligkeiten der Ex benannt.
       „Ich bin gegen jede Art von Stringenz. Ob meine Musik eher zum Tanzen oder
       zum Anhören taugt, ist einerlei. Bei solchen Fragen geht das Gefühl
       verloren, was es überhaupt bedeutet, einen Track zu komponieren.“
       
       Reynolds fühlt sich der Clubkultur nicht zugehörig. Wie in Berlin damit
       Tourismus angekurbelt wird, lässt ihn erschaudern. „Es ist einfach nur
       hässliche Marktwirtschaft, auch wenn sie noch so freundlich rüberkommt. Ich
       mache lieber Kunst, ohne zu wissen, wofür.“ Und dann reißt er eine Seite
       mit einer Zeichnung aus seinem Block und schenkt sie her.
       
       5 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Weber
       
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