# taz.de -- Shanzai meets Pop: Frisch aus der Szechuan-Küche
       
       > Was für ein Debüt: „Asiatisch“, das Konzeptalbum der kuwaitischen
       > Künstlerin Fatima Al Qadiri, beschäftigt sich mit China als westlicher
       > Vorstellungswelt.
       
 (IMG) Bild: Superidee: Der Expander als Verschluss von Fatima Al Qadiris Kleid.
       
       „Ich war noch nie in China. Das, was ich über das Land weiß, ist bei mir
       über westliche Vorstellungswelten von China angekommen“, erklärt Fatima Al
       Qadiri. Das scheinbar Eindeutige in weiter Ferne und das Naheliegende, das
       nur über Umwege zu erreichen ist, disparate Einflüsse und Bezüge werden
       auch in der Biografie der bildenden Künstlerin und Musikerin erkennbar, die
       im senegalesischen Dakar geboren wurde, aber in Kuwait aufgewachsen ist und
       heute in Brooklyn, New York, lebt.
       
       Al Qadiris Kindheit in Kuwait sei von Sinneseindrücken geprägt gewesen, die
       sie mit ihrer Schwester beim Hören von Programmen internationaler
       Piratensender gemacht hat. Ob sie schon seit damals ein Faible für
       britische Bassmusik hat? Nach mehreren EPs veröffentlicht die 33-Jährige
       nun ihr Debütalbum.
       
       Wie sie darauf traditionelle chinesische Klangmuster, klischierte Sounds
       und zeitgenössischen R&B zu einer Erzählung verwebt, muss man gehört haben.
       „I got a Dragon Tattoo on my arm / I sing chinese“, singt Al Qadiri in dem
       Song „Dragon Tattoo“ auf Englisch.
       
       Stereotypenbildung ist eine wichtige Form der Wahrnehmungsverzerrung, wie
       der Sozialpsychologe Thomas F. Pettigrew in seinem Essay „Das Vorurteil“
       schreibt: „Stereotype entstehen unmittelbar aus der Gewohnheit des
       Menschen, seine Sinneswahrnehmungen zu vereinfachen.“ Neben Vereinfachung
       stiften sie auch Ordnung und Sinnhaftigkeit. „Warum war ich all die Jahre
       Vorstellungswelten des Chinesischen ausgesetzt, ohne dass es mir bewusst
       war?“, hat sich Fatima Al Qadiri gefragt.
       
       ## Imaginärer Roadtrip
       
       Viel Stoff für ein konzeptuell ausgerichtetes Debütalbum, das folgerichtig
       beim Londoner Spezialisten für Konzeptalben mit Anschluss an bildende
       Kunst, diasporischen Soul und visionärer Elektronik, dem unabhängigen Label
       Hyperdub erscheint. Al Qadiri nennt ihr Werk „Asiatisch“, in deutscher
       Sprache. Auf dem Cover ist eine Frau abgebildet, stark geschminkt und
       bekleidet in einem roten Kleid auf dem chinesische Schriftzeichen zu sehen
       sind, sie trägt asiatische Gesichtszüge. Ist es Fatima Al Qadiri? „Meine
       Musik handelt davon, wie fernöstliche Motive in der Kultur des Westens
       verbreitet sind, sei es in Zeichentrickfilmen, im HipHop oder in der
       Werbung. Jedenfalls bin ich mit diesen Mustern schon seit Langem
       konfrontiert und habe sie stark verinnerlicht. Also habe ich mein Album als
       imaginären Roadtrip durch China gestaltet“, sagte sie dem
       US-Online-Musikmagazin Pitchfork.
       
       Flötensounds, synthetische Klänge – wie man sie auch von Computerspielen
       kennt, Halleffekte – auch auf ihrer Stimme, aber auch Samples asiatischer
       Saiteninstrumente, subsonische Bässe, Beckengeschepper und dröhnende Gongs
       kommen in ihrer Musik zum Vorschein. Auch kolonial geformte Schreibweisen
       übernimmt Al Qadiri, nennt einen Titel „Szechuan“ (statt Sichuan), weil in
       der Szechuan-Küche rund um die Welt diese Schreibweise benutzt wird. „Mein
       Restaurant-Track“, kommentiert sie den Song.
       
       Andere Songtitel: „Wudang“ nach der Bergregion der chinesischen Provinz
       Hubei, von der auch der Wu-Tang-Clan seinen Namen hat, „Shenzen“, der nach
       der Boomtown nahe Hongkong benannt ist. „Jade Stairs“, Treppen aus dem im
       Westen auch esoterisch aufgeladenem Edelstein Jade dürfen da auch nicht
       fehlen.
       
       „Asiatisch“ hat zudem deutliche Bezüge zur britischen HipHop-Spielart
       Grime. Was Grime-Produzenten von Videospiel-Hörspuren oder aus B-Movies
       fernöstlicher Herkunft gesampelt haben, wird von Al Qadiri weitergesponnen
       zu einer Art „Sinogrime“.
       
       ## Nothing compares to you
       
       Gleich zum Auftakt covert Al Qadiri Sinead O’Connors „Nothing compares to
       you“, ganz ohne religiöse Anklänge, gesungen von der chinesischen Sängerin
       Helen Fung. Al Qadiri nennt ihre Version „Shanzhai“, nach der
       weitverbreiteten Methode, Markenartikel täuschend echt zu fälschen.
       Gewidmet ist der Track dem Shanzhai Biennial, das ist keine Kunstmesse,
       sondern der Namen eines hippen chinesischen Modelabels.
       
       Was ist echt? Was ist Fälschung? Verwirrt? Gut so, denn das verstärkt den
       Eindruck mutwillig beigefügter Gebrauchsspuren. Und Kunstfälschung ist im
       Pop allemal erlaubt. Auch die Sounds und Songs von Al Qadiri hat man
       vielfach schon mal irgendwo gehört, nur in einem völlig anderen
       Zusammenhang und mit ganz anderen Intentionen.
       
       Diese künstlerische Freiheit tut gut. Al Qadiri trägt ihren
       anspielungsreichen Sound nonchalant vor, als sei sie unterwegs auf
       Shoppingtour. Wie Plastiktüten nimmt sie ihre Sounds auf und setzt sie
       wieder ab, wann und wo sie es will. Es macht großen Spaß, ihr bei dieser
       fast körperlos vorgetragenen Anstrengung zuzuhören.
       
       9 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Weber
       
       ## TAGS
       
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