# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Niedersachsen: Todkrank, aber reisefähig
       
       > Zwei Mal im Jahr muss die Roma-Familie Memisevic um ihr Bleiberecht
       > fürchten – obwohl Tochter Anita schwer erkrankt ist, droht die Ausweisung
       > nach Serbien.
       
 (IMG) Bild: Die Mitarbeiter von Innenminister Pistorius wollen die Duldungen der Memisevics regelmäßig prüfen.
       
       HANNOVER taz | Trotz einer schweren Herzkrankheit soll die neun Jahre alte,
       in Serbien geborene Anita Memisevic in Deutschland kein dauerhaftes
       Aufenthaltsrecht bekommen. Das geht aus einem Schreiben des
       niedersächsischen Innenministeriums hervor, das der taz vorliegt.
       
       Geplant sei, die „Duldungen“ für Anita und ihre Eltern und Geschwister
       „vorerst in sechsmonatigen Abständen“ zu verlängern, schreiben die
       Mitarbeiter von Innenminister Boris Pistorius (SPD) unter Berufung auf „die
       zuständige Ausländerbehörde“ darin. Durch diese „Kettenduldung“ schwebt
       mindestens zwei Mal im Jahr die Angst vor Abschiebung über der
       Roma-Familie.
       
       Die in Seesen bei Goslar lebende Anita Memisevic leidet unter einem
       inoperablen Herzklappenfehler. Das Mädchen brauche deshalb eine „ständige
       hochqualifizierte medizinische Überwachung“, argumentiert der Arzt Till
       Liebau vom Verein „Leben in der Fremde“. Aufgrund des „labilen
       Gesundheitszustands“ der Neunjährigen könnten selbst „kleine Infekte“ bei
       der Neunjährigen eine „lebensbedrohliche Krise“ auslösen.
       
       Unterstützer kämpfen deshalb bereits seit mehr als drei Jahren um ein
       dauerhaftes Bleiberecht für Anita und ihre Angehörigen. „Anita kann in
       Deutschland überleben – aber nicht auf einer Müllhalde in Serbien“, sagt
       Uta Liebau, die sich wie ihr Mann Till für die Familie engagiert –
       schließlich sei bekannt, dass gerade Roma in Südosteuropa massiv
       diskriminiert werden: Die Minderheit hat kaum Zugang zu Bildung und
       Gesundheitsversorgung, bekommt keine Jobs.
       
       Ein Asylantrag der Familie wurde trotzdem abgelehnt – Serbien gilt seit
       November 2014 als sogenannter „sicherer Drittstaat“. Auch Anträge an die
       Härtefallkommission des Landtags in Hannover scheiterten: Die mittellosen
       Eltern waren mit Kaufhausdiebstählen aufgefallen.
       
       Strittig ist jetzt, ob Anita überhaupt als „reisefähig“ gelten kann. Das
       Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat dies bei Ablehnung des
       Asylantrages bejaht. Mediziner des Gesundheitsamts der Stadt Salzgitter
       warnen dagegen: „Eine Ausreise des Kindes in das Heimatland“ sei „aufgrund
       des dort bestehenden geringen medizinischen Versorgungs- und
       Förderstandards nicht empfehlenswert“.
       
       Auch im Landtag wird weiter über die Zukunft der Familie debattiert: Über
       eine weitere Petition soll im April entschieden werden. „Wir Grüne haben
       uns als Fraktion immer wieder für ein Bleiberecht ausgesprochen“, sagt
       deren flüchtlingspolitische Sprecherin Filiz Polat – und bekommt
       Unterstützung selbst von der FDP, die in der bis Anfang 2013 amtierenden
       schwarz-gelben Vorgängerregierung die harte Abschiebungspraxis von
       Pistorius’ CDU-Vorgänger Uwe Schünemann faktisch mitgetragen hat.
       
       „Wenn Menschen in ihrem Land nicht behandelt werden können“, sagt der
       FDP-Innenpolitiker Jan-Christoph Oetjen, „müssen wir weg vom System der
       Kettenduldung“.
       
       3 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
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