# taz.de -- Ökonom über Seltene Erden: „Es ist eine Frage des Marktes“
       
       > Der Staat sollte Abnahmegarantien für Seltene Erden aus Recycling geben,
       > sagt Michael Gornig. Das ist eine Strategie für mehr Unabhängigkeit.
       
 (IMG) Bild: „Niemand will das dreckige Geschäft von den Chinesen übernehmen“: Mine in Nancheng, Provinz Jiangxi, China, 2012
       
       taz: Herr Gornig, Außenminister Johann Wadephul bemüht sich um
       Generallizenzen für den Export Seltener Erden nach Europa. Ist das der
       richtige Ansatz zur Versorgungssicherheit? 
       
       Martin Gornig: Es ist ein guter Ansatz, um die Versorgung für die nächsten
       Jahre sicherzustellen. Es gibt gerade gar keine andere Möglichkeit als
       diese, vor allem müssen wir Zeit gewinnen. Das funktioniert allerdings nur
       dann, wenn die Regierung parallel an einer neuen Strategie arbeitet. Europa
       darf nicht noch einmal in eine solche Situation der Abhängigkeit kommen.
       Wir müssen die Lieferketten kurzfristig sichern, gleichzeitig aber
       Resilienz hineinbekommen.
       
       taz: Wie schnell wäre mehr Resilienz denn möglich? 
       
       Gornig: Ich bin da optimistisch, innerhalb von fünf Jahren müsste das
       machbar sein. Die Maßnahme, die am ehesten umsetzbar wäre, ist die
       Lagerhaltung, das machen ja auch schon einige Unternehmen. [1][Alle anderen
       Strategien – mehr Recycling, Substitution von Seltenen Erden,
       Bergbaualternativen – dauern länger.]
       
       taz: Das Problem ist doch seit 15 Jahren bekannt, bisher ist nicht viel
       passiert. Sind da f ünf Jahre nicht zu optimistisch? 
       
       Gornig: Es ist ja weder eine Frage der Vorkommen an Seltenen Erden noch der
       Technologien ihrer Verarbeitung, sondern schlicht eine des Marktes. Die
       Strategie Chinas ist, den Marktpreis so niedrig zu halten, dass sich
       Alternativen nicht mehr lohnen. Irgendwann sind alle Wettbewerber weg.
       
       taz: Das ist aber eine durchschaubare Strategie … 
       
       Gornig: Natürlich ist sie das, aber für die anderen ist sie so bequem. Sie
       werden billig beliefert. Das machen doch alle Monopolisten sehr
       erfolgreich, nehmen sie doch mal Microsoft. Wir nutzen alle gerne Windows.
       Es ist billig, es ist bequem. Aber wenn Microsoft nicht wollte, könnten wir
       beide hier jetzt nicht mehr telefonieren. Die Welt ist zufrieden damit. Und
       bei den Seltenen Erden wollte niemand das dreckige Geschäft von den
       Chinesen übernehmen, die riesigen Abwassermengen, der radioaktive
       Sondermüll, der dabei entsteht. Dazu kommt noch, das Seltene Erden ja nur
       in geringen Margen gehandelt werden, da steckt kein großes Geschäft hinter.
       
       taz: Was müsste denn jetzt als Erstes passieren? 
       
       Gornig: [2][Regierung, Wissenschaft und Unternehmen müssten gemeinsam
       handeln]. Im vergangenen Jahrzehnt ist auch deshalb nicht viel passiert,
       weil der Leidensdruck nicht groß war. Jetzt gibt es aber eine Veränderung.
       Üblicherweise nutzen Monopolisten ihre Stellung aus, um Gewinne zu machen.
       Damit kommt eine Marktwirtschaft ganz gut zurecht. Aber jetzt nutzt China
       seine Marktmacht nicht dazu, um Gewinne zu machen, sondern Politik. China
       und die USA sind ja gar nicht interessiert daran, dass die EU sich
       emanzipiert. Deshalb wird China, sobald Europa sich engagiert, die Preise
       wieder heruntersetzen, die Verfügbarkeit erhöhen – und so alle Bemühungen
       wieder zunichtemachen.
       
       taz: Der Ausweg? 
       
       Gornig: Erstens sollte der Staat Abnahmegarantien für Seltene Erden
       übernehmen, die durch Recycling oder aus nachhaltigerer Produktion in
       anderen Ländern entstanden sind. Wenn der Weltmarktpreis bestimmte
       Schwellen unterschreitet, erhalten die Unternehmen eine Kompensation.
       Zweitens sind Recyclingquoten zentral. Gerade bei Seltenen Erden, die nicht
       umweltverträglich produziert werden können, ist Recycling nicht nur
       politisch-strategisch, sondern auch umweltpolitisch sinnvoll.
       
       taz: Die Unternehmen adressieren den Staat, beklagen aber gleichzeitig
       Bürokratie und staatliche Eingriffe wie das Lieferkettengesetz. Ist das ein
       Widerspruch? 
       
       Gornig: Das ist ein permanenter Konflikt. Moderne Volkswirtschaften
       funktionieren nur mit dem Staat, er muss regulieren, und Regulierung
       funktioniert nur mit Bürokratie. Wir können die Schmerzen der Bürokratie
       aber senken, zum Beispiel durch Digitalisierung. Dafür brauchen wir aber
       natürlich auch Seltene Erden.
       
       31 Oct 2025
       
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