# taz.de -- Flucht aus Afghanistan nach Deutschland: Dem Druck standhalten
       
       > Nilab Langar musste 2015 nach einer Recherche zum IS aus Afghanistan
       > fliehen. In Deutschland riet man ihr, ihren erlernten Beruf aufzugeben.
       
 (IMG) Bild: Proteste gegen die Taliban im Jahr 2015 in Kabul. Wer konnte, entkam dem Terror
       
       „Die Spuren des IS in den Straßen der Hauptstadt“ – das war der letzte
       Bericht, den ich aus Afghanistan schrieb. An einem Nachmittag im Frühsommer
       2015 war mein Blick auf der Außenmauer der Universität Kabul haften
       geblieben: In schwarzer Farbe hatte dort jemand an die Wand geschmiert: „Es
       lebe der IS“. Wie konnte ein solcher Slogan an der Wand einer Universität
       in Kabul stehen?
       
       [1][Damals machten in Afghanistan erste Berichte über die Präsenz des IS
       die Runde.] Ich begann zu recherchieren, führte Interviews und sammelte
       Informationen. Nie hätte ich dabei gedacht, dass dies mein letzter Beitrag
       aus Afghanistan sein würde – doch genau so kam es.
       
       Ich war damals 24 Jahre alt, hatte Journalismus an der Universität Balkh
       studiert. Drei Jahre hatte ich als Reporterin und Redakteurin in Kabul
       gearbeitet, unter anderem für die Wochenzeitung „Howaida“. Kurz nach der
       Veröffentlichung des IS-Berichts und angesichts massiver Drohungen blieb
       mir keine andere Wahl, als mein Heimatland zu verlassen.
       
       In Deutschland war meine berufliche Laufbahn abrupt unterbrochen. Von einer
       Journalistin mit direktem Zugang zu Quellen wurde ich zu einer Migrantin,
       der Sprache, Kultur und Medienlandschaft des neuen Landes unbekannt waren –
       eine Erfahrung, die viele Kolleg: innen im Exil teilen.
       
       ## Erstmal Deutsch lernen
       
       In den ersten Jahren nach der Flucht lag mein Fokus nicht auf der
       Fortsetzung der journalistischen Arbeit, sondern auf dem Aufbau eines
       stabilen Lebens. Als Geflüchtete musste ich zunächst den
       Anerkennungsprozess durchlaufen, mich in das deutsche System integrieren.
       [2][Für afghanische Geflüchtete ist dies deutlich schwieriger als für
       andere Gruppen.]
       
       Syrische Geflüchtete besuchten relativ schnell Sprach- und
       Integrationskurse, über ihre Aufenthaltserlaubnisse wurde zügig
       entschieden. Viele Afghan:innen hingegen verbrachten lange Monate in
       Erstaufnahme-Einrichtungen mit hoher Belegung, mangelnder Ausstattung und
       großer Unsicherheit. Erst nach einer positiven Asyl-Entscheidung war die
       Teilnahme an Sprachkursen möglich.
       
       Mich erkannte das Bundesamt bald als schutzberechtigt an. Doch der Zugang
       zu Sprachkursen und Integrationsmaßnahmen zog sich hin. Während ich Deutsch
       lernte und versuchte, mich auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, empfahlen
       mir die Berater:innen der Jobcenter immer wieder Berufe mit
       vermeintlicher Sicherheit, wie etwa die Kranken- und Altenpflege.
       
       Diese Ratschläge standen im Widerspruch zu meiner Qualifikation und
       Erfahrung: Ich hatte mein Studium mit Bestnoten abgeschlossen und über drei
       Jahre professionelle Medienarbeit in Afghanistan vorzuweisen. Trotz aller
       Schwierigkeiten liebte ich meinen Beruf, und ein Abbruch bedeutete für mich
       den Verzicht auf den Lohn all dieser Mühen und letztlich den Grund meiner
       Flucht.
       
       ## Vom Journalismus nicht abbringen lassen
       
       Trotz des Drucks ließ ich meine Abschlüsse anerkennen und bestand bei allen
       Gesprächen darauf, ausschließlich im journalistischen Bereich arbeiten zu
       wollen. Schließlich wurde ich von einer Beraterin an das neunmonatige
       Programm der Hamburg Media School für geflüchtete Journalist:innen
       vermittelt. Dieser Kurs umfasste neben der Weiterbildung im digitalen
       Journalismus auch ein Praktikum bei deutschen Medien.
       
       So konnte ich mein Netzwerk erweitern und Kontakte knüpfen. 2018 lernte ich
       über die Körber-Stiftung das Projekt Amal kennen – ein Medium, das
       geflüchtete Journalist:innen beschäftigt. Kurz nach meinem Abschluss
       [3][eröffnete Amal eine Redaktion in Hamburg]. Im April 2019 fing ich dort
       als Praktikantin an, wurde feste Mitarbeiterin, bis heute.
       
       Der berufliche Wiedereinstieg für geflüchtete Journalist:innen hängt
       nicht nur von individuellen Fähigkeiten ab, sondern auch von der
       Integrationspolitik, Zugang zu Weiterbildung und der Haltung der
       Medienbranche. Lange Asylverfahren, Verzögerungen beim Spracherwerb und
       fehlende Programme zur Nutzung der Kompetenzen von Geflüchteten stellen
       große Hürden dar.
       
       In den vergangenen zehn Jahren habe ich gelernt, dass Ausdauer und
       Engagement vieles überwinden können, aber nicht alles. Gesellschaft und
       Medienhäuser müssen das Potenzial geflüchteter Journalist:innen
       erkennen und sich für neue Perspektiven im Journalismus öffnen.
       
       Ein Projekt der [4][taz Panter Stiftung.]
       
       15 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Zwei-Jahre-nach-dem-Machtwechsel-in-Kabul/!5949796
 (DIR) [2] /Zwei-Jahre-Machtuebernahme-in-Afghanistan/!5949937
 (DIR) [3] https://amalhamburg.de/de/
 (DIR) [4] /taz-panter-stiftung/die-taz-panter-stiftung/!v=e4eb8635-98d1-4a5d-b035-a82efb835967/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nilab Langar
       
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