# taz.de -- Harter Neuanfang in Deutschland: Mut für die nächsten Schritte
       
       > Wer flieht, muss oft aus dem Nichts ein neues Leben aufbauen. Unsere
       > Autorin lernte: in schwierigsten Zeiten lohnt es sich, immer wieder
       > aufzustehen.
       
 (IMG) Bild: Tolo TV in Kabul im Jahr 2021, von den Taliban übernommen. Unsere Autorin berichtet aus dem Exil für die Frauen in Afghanistan
       
       Als ich 2016 mit drei Kindern nach Deutschland kam, war ich erschöpft,
       verängstigt und voller Sorge. Die Grenzen waren geschlossen, Flüchtlinge
       kaum noch willkommen. Der Weg war lang, gefährlich und voller Unsicherheit.
       
       Wir schliefen unterwegs auf engstem Raum, durchquerten mehrere Länder und
       mussten ständig wachsam sein, um Gewalt oder Ablehnung zu entgehen. Aber
       ich musste weitergehen – für meine Kinder, für ihre Sicherheit und für die
       Chance auf ein neues Leben.
       
       Im Flüchtlingsheim teilten wir ein Zimmer mit drei weiteren Familien. Lärm,
       Enge und Unruhe prägten den Alltag dort. Jeder Tag hier war eine
       Herausforderung – aber kleine Fortschritte im Alltag gaben ihr die Kraft,
       weiterzumachen.
       
       Denn als ich selbst in Afghanistan ein Kind war, war der Schulbesuch für
       mich verboten. Täglich hoffte ich auf die Öffnung der Schulen – vergeblich.
       Mit 17 Jahren wurde ich zur Ehe gezwungen. Ich war schwanger mit dem
       dritten Kind, als mein Mann getötet wurde. Ich zog zurück zu meinen Eltern.
       Ich hatte den Wunsch, die Stimmen derer hörbar zu machen, die sonst niemand
       hört.
       
       ## Journalismus studieren in Kabul
       
       Ich schrieb mich an der Journalistenschule der Universität Kabul ein und
       begann, bei Tolo TV und Tolo News zu arbeiten. Trotz ständiger Bedrohungen
       durch die Taliban und Widerständen der konservativen Gesellschaft
       Afghanistans setzte ich meine Arbeit fort.
       
       Im Januar 2016 aber änderte sich alles: Ein Anschlag auf das Auto meiner
       Kollegen tötete sieben von ihnen und verletzte über zwanzig weitere. Danach
       konnte ich nicht mehr arbeiten – und entschied mich, mit meinen Kindern zu
       fliehen.
       
       Das Leben in der Migration war alles andere als leicht. In Deutschland
       begann ich [1][mit einem Sprachkurs]. Meine Kinder waren da 13, 14 und 15
       Jahre alt. Nach einigen Monaten Schulbesuch für die Kinder und
       Deutschkursen für mich selbst konnte ich langsam Fuß fassen. Die fremde
       Umgebung, die Sprache, die bürokratischen Hürden – all das war [2][eine
       tägliche Herausforderung, die viel Kraft kostete.]
       
       Eine deutsche Lehrerin unterstützte mich beim Deutschlernen und informierte
       mich über ein Sprachprogramm an der TU Darmstadt für Menschen mit
       Fluchthintergrund – ein Lichtblick in einer schwierigen Zeit. Nach einem
       Jahr erhielt ich zunächst ein befristetes Aufenthaltsrecht, schließlich
       wurde mein Antrag auf Asyl wegen politischer Verfolgung anerkannt. Diese
       Stabilität ermöglichte es mir, wieder nach vorne zu blicken und den Mut für
       den nächsten Schritt zu sammeln.
       
       ## Wer will, der kann
       
       Bei der Deutschen Welle bewarb ich mich für ein Praktikum. Die Entfernung
       Darmstadt–Bonn war eine Herausforderung. Ein freundliches deutsches Ehepaar
       unterstützte mich.
       
       Das Praktikum dauerte zunächst drei Monate, wurde dann verlängert – von
       August 2018 bis Dezember 2019. Jeden Tag pendelte ich mehrere Stunden hin
       und zurück, lernte neue Abläufe, traf Kollegen aus unterschiedlichen
       Kulturen und meisterte die Balance zwischen Beruf und Familie. Am Ende
       erhielt ich einen Arbeitsvertrag und begann, im Afghanistan-Programm der
       Deutschen Welle zu arbeiten.
       
       Bis heute bin ich so in Deutschland als Journalistin tätig. Meine Kinder
       sind sicher, in meinem Beruf konnte ich weitermachen, meine Stimme wird
       gehört.
       
       Und nach der erneuten Machtübernahme der Taliban wurde ich so auch zu einer
       [3][Stimme der Mädchen und Frauen, denen der Schulbesuch verwehrt bleibt].
       Ich kämpfe weiter dafür, dass ihre Geschichten gehört werden. Ich habe
       gelernt: Hinter jeder Dunkelheit gibt es Licht. Für mich gilt: Wer will,
       der kann. Man kann wieder aufstehen, neu beginnen und für das kämpfen, was
       richtig ist – selbst in den schwierigsten Zeiten.
       
       Ein Projekt der [4][taz Panter Stiftung.]
       
       7 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [4] /taz-panter-stiftung/die-taz-panter-stiftung/!v=e4eb8635-98d1-4a5d-b035-a82efb835967/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Shakila Ebrahimkhil
       
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