# taz.de -- Vorratsdatenspeicherung: Der dritte Versuch
       
       > Justizministerin Hubig schlägt eine neue Vorratsdatenspeicherung vor.
       > Ähnliche Vorhaben scheiterten bereits. Die wichtigsten Fragen und
       > Antworten.
       
 (IMG) Bild: Horten für jeden Biss und Byte: Ganz so flauschig wäre die Vorratsdatenspeicherung des Staates wohl nicht
       
       Was ist eine Vorratsdatenspeicherung? 
       
       Darunter versteht man die anlasslose Pflicht, Daten zu speichern, damit die
       Polizei bei Bedarf später darauf zugreifen kann. In Deutschland und Europa
       wird seit 20 Jahren vor allem über die Speicherung von Telefon- und
       Internet-Verbindungsdaten diskutiert („wer ruft wen an“, „wer ist wann im
       Internet“).
       
       Was verspricht sich die Bundesregierung von einer Vorratsdatenspeicherung? 
       
       Bei Straftaten im Internet hinterlassen Täter:innen oft nur eine
       [1][IP-Adresse] (z. B. 142.250.186.46). Typische Fälle sind der Besuch von
       Tauschbörsen für Kinderpornografie oder der Betrieb betrügerischer
       Onlineshops. Die Polizei will dann wissen, wer hinter der IP-Adresse
       steckt, um Ermittlungen einzuleiten.
       
       Wie ist die Rechtslage derzeit? 
       
       In Deutschland wurde 2015 eine zehnwöchige Vorratsdatenspeicherung für
       Internet-und Telefondaten gesetzlich eingeführt, sie wurde jedoch nie
       umgesetzt, da rechtliche Bedenken bestanden. 2022 erklärte der Europäische
       Gerichtshof (EuGH) die Regelung für unzulässig, da sie gegen EU-Recht
       verstößt.
       
       Derzeit können Internetprovider auf Anfrage der Polizei mitteilen, wem eine
       IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnet war. Diese Daten
       speichern sie jedoch nur wenige Tage. Danach ist eine Zuordnung nicht mehr
       möglich.
       
       Was soll gespeichert werden? 
       
       Ministerin Hubig will, dass Provider neben den IP-Adressen auch die
       Portnummern speichern. Eine IP-Adresse wird Nutzer:innen bei jeder
       Interneteinwahl neu zugewiesen und ist daher kein festes Merkmal wie eine
       Telefonnummer. Die Portnummer dient zur genaueren Identifizierung. Die
       IP-Adresse ist dann wie die Adresse eines Hotels und die Portnummer
       entspricht der Zimmernummer im Hotel. Diese soll erstmals gespeichert
       werden.
       
       Im Unterschied zu früheren Anläufen soll diesmal nicht anlasslos
       gespeichert werden, wer wen anruft, anmailt oder ansimst. Auch
       Standortdaten von Mobiltelefonen bleiben unberührt. Der EuGH hatte solche
       Maßnahmen als unverhältnismäßig eingestuft und nur die Speicherung von
       IP-Adressen erlaubt.
       
       Die Inhalte der Kommunikation („was wurde gesprochen“, „was wurde gemailt“
       „welche Web-Seiten werden aufgesucht“) sollten noch nie vorsorglich
       gespeichert werden.
       
       Wer soll speichern? 
       
       Nur die Internetprovider sollen die zugeordneten IP-Adressen und
       Portnummern ihrer Kund:innen speichern. Die Polizei muss bei Bedarf die
       Herausgabe beantragen. Eine Vorratsdatenspeicherung der IP-Adressen beim
       Staat ist nicht vorgesehen.
       
       Wie lange wird gespeichert? 
       
       Die Speicherfrist soll diesmal drei Monate betragen. Das ist halb so lang
       wie bei der ersten deutschen Vorratsdatenspeicherung ab 2008, aber länger
       als die zehn Wochen, die 2015 vorgesehen waren.
       
       Wer darf auf die vorsorglich gespeicherten IP-Adressen zugreifen? 
       
       Die Polizei soll zur Aufklärung von Straftaten auf die Daten zugreifen
       können. Ein Beschränkung auf bestimmte Straftaten ist dabei nicht
       vorgesehen. In Landesgesetzen kann künftig zudem vorgesehen werden, dass
       die Polizei auch zur Gefahrenabwehr die Daten nutzen kann. In weiteren
       Bundes- und Landesgesetzen könnte zudem eine Nutzung der Daten durch
       Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst erlaubt werden.
       
       Was gilt für Telefon- und E-Mail-Verbindungsdaten sowie Standortdaten? 
       
       Diese sollen nicht mehr vorsorglich gespeichert werden. Ein Gericht kann
       aber auf Antrag der Staatsanwaltschaft anordnen, dass die Daten bei
       Vorliegen eines Verdachts vorsorglich gesichert werden. Sie dürfen dann
       nicht mehr gelöscht werden. Diese Sicherungsanordnung entspricht ungefähr
       dem „[2][Quick-Freeze“-Verfahren, das die Ampel-Koalition (auch für
       IP-Adressen) einführen wollte]. Entsteht der Verdacht jedoch erst lange
       nach der Tat, sind die Daten oft bereits gelöscht.
       
       Wird es gegen die neue Vorratsdatenspeicherung wieder Klagen geben? 
       
       Damit ist zu rechnen. Vor allem die Internetprovider befürchten Kosten in
       Höhe von „hunderten von Millionen Euro“ für die ausgedehnte Speicherung und
       Sicherung der IP-Adressen, so der Branchenverband eco. Die Provider können
       auch direkt gegen die Speicherpflicht klagen, weil sie nach Inkrafttreten
       des Gesetzes von der Bundesnetzagentur zur Speicherung aufgefordert werden.
       Sie müssten zunächst bei einem Verwaltungsgericht klagen, das den Fall dann
       dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof vorlegen
       kann.
       
       Privatpersonen können zwar theoretisch als Betroffene auch klagen, die
       Vorratsdatenspeicherung von 2015 wurde jedoch durch Klagen von Providern zu
       Fall gebracht.
       
       Sind solche Klagen erfolgsversprechend? 
       
       Eher nicht. Das Justizministerium hat sich sehr an den Vorgaben des EuGH
       orientiert und sieht eine Vorratsdatenspeicherung nur für IP-Adressen vor –
       [3][was der EuGH ausdrücklich zugelassen hat].
       
       Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung nie
       grundsätzlich abgelehnt, sondern 2010 vor allem die unzureichende Sicherung
       der gespeicherten Daten kritisiert.
       
       Wie ist die Lage in anderen EU-Staaten? 
       
       In vielen EU-Staaten gibt es weitergehende Vorratsdatenspeicherungen,
       insbesondere mit längerer Speicherfrist für die IP-Adressen. Frankreich
       speichert nach wie vor auch Telefon-Verbindungsdaten und beruft sich dabei
       auf einen Anti-Terror-Notstand.
       
       Die EU-Staaten und die EU-Kommission planen, wieder eine einheitliche
       EU-Vorgabe einzuführen. Die frühere EU-Richtlinie zur
       Vorratsdatenspeicherung hatte der EuGH 2014 als unverhältnismäßig
       beanstandet. Seitdem gibt es keine EU-Vorgaben mehr.
       
       22 Dec 2025
       
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