# taz.de -- Terror am Bondi-Beach: Ein Anschlag, der jeden einzelnen Juden trifft
       
       > Parolen wie „Globalize the Intifada“ sind nicht Auslöser konkreter Taten.
       > Aber sie schaffen ein Klima, in dem Gewalt gegen Juden legitim erscheint.
       
 (IMG) Bild: Gedenkort für die Opfer des Terroranschlags am Bondi Beach
       
       Bondi Beach. Das klingt fast niedlich. Nach Sommer, Freiheit, Meeresluft.
       Nach Unbeschwertheit und Füßen im Sand. Ich schaue mir Bilder an: ein
       Postkartenmotiv in Sydney. Und ich lese, [1][Bondi Beach] stehe für
       Gelassenheit, für Weltoffenheit.
       
       Jetzt ist Bondi Beach ein anderes Wort geworden. Ein Code. Für einen
       antisemitischen Terroranschlag auf ein Chanukka-Fest, für Morde und
       Judenhass, ein Massengrab. Die meisten Namen kennen wir mittlerweile:
       Matilda Britvan, Rabbi Eli Schlanger, Alex Kleytman, Dan Elkayam, Rabbi
       Yaakov Levitan, Reuven Morrison, Marika Pogany, Tibor Weitzen, Edith
       Brutman, [2][Boris Gurman, Sofia Gurman,] Peter Meagher.
       
       Australien, da möchte ich niemals hin, habe ich oft gesagt. Wegen der
       Tiere, der Spinnen, so groß wie meine Hand, Schlangen, die es sich in
       Toiletten gemütlich machen. Viel zu gefährlich sei das, habe ich gesagt.
       Und viel zu weit weg. Dieses Viel-zu-weit-weg hat die Familie der
       ermordeten zehnjährigen Matilda Britvan an Australien gereizt. So stark,
       dass sie sich von der Ukraine aufmachten, an den Bondi Beach.
       Viel-zu-weit-weg, das sollte schließlich Sicherheit garantieren. Wer
       vermutet Terroristen mit Langfeuerwaffen, Vater und Sohn, auf einem
       Postkartenmotiv?
       
       Einst verließen Juden das Schtetl, um in Sicherheit zu leben. In der
       Assimilation wurden sie dennoch gejagt und vernichtet. Kann man seine
       Herkunft hinter sich lassen? Gibt es für Juden ein sicheres Leben? Die
       Antwort lautete lange: Wehrhaftigkeit helfe, ein eigener Staat. Seit dem 7.
       Oktober ist auch diese Gewissheit erschüttert. Das Pogrom, das Massaker –
       es haftet am Juden, es scheint ihn zu verfolgen, gleichgültig, wo auf der
       Welt er lebt. Deshalb lässt sich nicht sagen: Das betrifft mich nicht. Ein
       Anschlag – selbst viel zu weit weg – trifft jeden einzelnen Juden.
       
       ## Nach Sydney ist vor der nächsten Katastrophe
       
       Wie oft kann das Versprechen auf Sicherheit also gebrochen werden? In
       Manchester, Washington, Amsterdam, Halle, in Israel – überall eigentlich.
       Tippen Sie einfach einen beliebigen Städtenamen in die Suchmaschine und
       setzen Sie „Anschlag“, „Pogrom“ und „Juden“ dahinter. Nach Sydney ist vor
       der nächsten Katastrophe. So nüchtern lässt sich die Bedrohungslage für
       Juden beschreiben. Der Terrorismusexperte Peter Neumann [3][schätzt], dass
       mindestens 40 Prozent der versuchten und vollendeten Anschläge der letzten
       zwei Jahre in Europa jüdischen oder israelischen Zielen galten. Sie kommen
       aus zwei Richtungen: vom sogenannten Islamischen Staat und von Iran sowie
       seinen Proxys.
       
       Doch Terror entsteht nicht im luftleeren Raum. Er braucht einen Nährboden.
       Parolen wie „Globalize the Intifada“ sind nicht der Auslöser konkreter
       Taten, aber sie schaffen das Klima, in der Gewalt legitim erscheint; in der
       Juden nicht mehr als Menschen wahrgenommen werden, sondern als Schuldige,
       als Bedrohung. Terroristen denken diese Erzählung zu Ende – und handeln.
       
       Ahmed al-Ahmed überwältigte in Sydney einen der Täter. Dafür wird er zu
       Recht gefeiert. Dass er Muslim ist, wird betont, als müsse damit etwas
       bewiesen werden. Vermutlich war es für sein Handeln nicht entscheidend.
       Gleichzeitig heißt es, wie so oft nach solchen Taten, die Gewalt habe
       nichts mit dem Islam zu tun. Das greift zu kurz.
       
       Terrorismus, der sich religiös legitimiert, verschwindet nicht, indem man
       ihm jede Verbindung zum Islam abspricht. Auch wenn viele Muslime diese
       Gewalt entschieden ablehnen, bleibt die Frage, warum solche Deutungen immer
       wieder anschlussfähig sind. Darüber zu sprechen bedeutet keine
       Kollektivschuld, sondern den Versuch, Ursachen ernst zu nehmen.
       
       Viel-zu-weit-weg ist eine Illusion. Betroffenheit wird keine Leben retten.
       Der grundlegendste Schritt sind Debatten – selbstkritisch, ehrlich. Aber
       diesen Schritt muss man gehen.
       
       20 Dec 2025
       
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