# taz.de -- Nach dem Anschlag an Chanukka: Zusammen sind wir ein starkes Licht
       
       > Terroristen wie die vom australischen Bondi Beach morden aus Hass und
       > wollen Hass schüren. In dunklen Zeiten wie diesen ist jeder Funke
       > Solidarität notwendig.
       
 (IMG) Bild: Mahnwache in Jerusalem für die Opfer des Anschlags in Sydney, 15. Dezember
       
       Wir sind gekommen, die Dunkelheit zu vertreiben.
       
       באנו חושך לגרש
       
       In unseren Händen Licht und Feuer.
       
       בידינו אור ואש
       
       So beginnt eines der vielen Lieder zu Chanukka. Der jüdische Feiertag ist
       ein Fest der Wunder. Der Resilienz. Des Lichts, welches das Dunkel
       durchdringt. Und Dunkelheit, davon gab es in den vergangenen Jahren allzu
       viel.
       
       Acht Tage lang zündet man an Chanukka Kerzen, jeden Abend eine mehr.
       Lichter, die daran erinnern, wie nach der Zerstörung des Zweiten Tempels
       gerade noch genug Öl übrig war für einen Tag – doch dann brannte das Licht
       ganze acht Tage lang.
       
       Als wir vor zwei Jahren zu Hause die erste Kerze zündeten, war der [1][7.
       Oktober] gerade ein paar Wochen her. Ich wünschte mir hellere Zeiten.
       Weniger Leid, weniger Krieg, weniger Hass. Ein Jahr später tobte der Krieg
       in Gaza noch immer, starben täglich Menschen, waren noch immer Menschen als
       Geiseln in den Tunneln der Hamas gefangen. Wieder hoffte ich, es möge
       endlich heller werden.
       
       ## Uralter antisemitischer Hass
       
       Dieses Jahr dann die Nachrichten aus Australien: Zwei Männer, Vater und
       Sohn, haben mit Langwaffen eine Chanukka-Feier am Bondi Beach angegriffen.
       15 Menschen sind tot. Nicht alle Namen sind bisher bekannt, und weitere
       Menschen kämpfen im Krankenhaus um ihr Leben. Ermordet, „weil sie Juden
       waren“, lese ich dieser Tage oft. Ich würde sagen: Ermordet, weil die Täter
       Juden hassen. Die Verantwortung für diese Taten liegt bei den beiden
       Männern, die entschieden haben, Menschen ihr Leben zu nehmen – nicht im
       Sein der Opfer.
       
       Es ist ein Schock. Aber es ist keine Überraschung. Dass Jüdinnen und Juden
       an jüdischen Feiertagen angegriffen werden, hat eine lange Tradition. Um
       nur ein paar Beispiele der jüngsten Vergangenheit zu nennen: Manchester, an
       Yom Kippur dieses Jahr. Das Hamas-Massaker am 7. Oktober, am Morgen von
       Simchat Thora. Der [2][Anschlag von Halle 2019, an Yom Kippur.] Dazu kommen
       all die antisemitischen Angriffe an jedem anderen Tag.
       
       Es ist uralter antisemitischer Hass, der sich aber in den vergangenen
       Jahren ungezügelt Bahn gebrochen hat. „Globalize the Intifada“, rufen
       Menschen auf Demonstrationen, und meinen, dass sie damit den gerechten
       Kampf für die Rechte von Palästinenser*innen kämpfen.
       
       Ich will glauben, dass die meisten von ihnen sich dabei keinen tödlichen
       Terror wie den in Sydney wünschen. Doch sie rufen im Chor mit denen, die es
       tun, verbreiten wissentlich deren antisemitische Botschaft – und ermutigen
       jene, die am Ende morden. Die Täter von Sydney beriefen sich offenbar auf
       den IS. Aber sie handeln in einem Klima, in dem Antisemitismus normalisiert
       ist.
       
       Die vergangenen Jahre haben mehr als deutlich gezeigt, wie bereitwillig
       viele Menschen sich der Spirale des Hasses hingeben. Antisemitische Gewalt
       ist allgegenwärtig. Und sie wird instrumentalisiert: von jenen, die eine
       rassistische Agenda durchsetzen wollen, und sich nicht schämen, das als
       Kampf gegen Antisemitismus zu bezeichnen.
       
       ## Je dunkler die Zeiten, umso mehr brauchen wir das Licht
       
       Gleichzeitig wird diese Instrumentalisierung selbst instrumentalisiert – um
       ganz reale Gefahr für ganz reale jüdische Leben kleinzureden, zu
       bagatellisieren, als „lediglich antizionistisch“ zu legitimieren. Und auch
       diese Menschen erdreisten sich, das als Kampf für die Rechte der
       Palästinenser*innen zu bezeichnen.
       
       Terroristen morden aus Hass, und sie wollen mehr Hass. Ihr Ziel ist es, zu
       spalten, Menschen auseinanderzubringen, jede Aussicht auf ein friedvolles
       Miteinander zu zerstören. Und sie haben Erfolg. Es liegt an uns allen,
       ihnen diesen Erfolg nicht bereitwillig zu geben. Indem wir uns weigern zu
       hassen. Indem wir verstehen, dass der Kampf für Leben, Gerechtigkeit und
       Selbstbestimmung immer einer sein muss, der diese Dinge für alle anstrebt –
       und nicht nur für manche.
       
       Chanukka ist auch eine Geschichte darüber, wie aus einem kleinen Licht ein
       großes werden kann. Was ein Funken Hoffnung bewirken kann. In Sydney warf
       sich ein Mann auf einen der Schützen, selbst unbewaffnet, und entwand ihm
       die Waffe: [3][Ahmed al-Ahmad, ein Gemüseladenbesitzer aus der
       Nachbarschaft.] „Wer ein einzelnes Leben rettet, rettet die ganze Welt“,
       heißt es im Talmud.
       
       „Chanukka lehrt uns, dass Licht nicht passiv ist“, schreiben die Rabbis for
       Human Rights nach dem Attentat von Sydney. In den vergangenen Wochen haben
       Mitglieder der Organisation immer wieder solidarisch an der Seite von
       palästinensischer Olivenbauern im Westjordanland gestanden, die von
       jüdischen Siedlern angegriffen wurden. „Es ist ein Akt des Mutes. In
       Momenten der Angst, Gewalt und Ungerechtigkeit sind wir aufgerufen, uns
       nicht in die Stille zurückzuziehen, sondern das Licht zu vergrößern durch
       unser Mitgefühl, unsere Solidarität und ein unumstößliches Bekenntnis zur
       Menschenwürde und der Heiligkeit eines jeden Lebens.“
       
       Wir leben in dunklen Zeiten. Wir zünden trotzdem Kerzen. Trotzdem, und erst
       recht. Je dunkler die Zeiten, umso mehr brauchen wir das Licht.
       
       כל אחד הוא אור קטן וכולנו אור איתן
       
       Jeder Einzelne ist ein kleines Licht. Und zusammen sind wir ein starkes
       Licht.
       
       16 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Zwei-Jahre-Nahost-Krieg/!6114874
 (DIR) [2] /Fuenf-Jahre-nach-dem-Anschlag-in-Halle/!6038335
 (DIR) [3] /Der-Held-von-Bondi-Beach/!6138671
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Feiertag
 (DIR) Intifada
 (DIR) Australien
 (DIR) Judentum
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Kolumne Grauzone
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Terrorismus
 (DIR) Australien
 (DIR) Nahost-Debatten
 (DIR) Sydney
 (DIR) Australien
 (DIR) Sydney
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Terror am Bondi-Beach: Ein Anschlag, der jeden einzelnen Juden trifft
       
       Parolen wie „Globalize the Intifada“ sind nicht Auslöser konkreter Taten.
       Aber sie schaffen ein Klima, in dem Gewalt gegen Juden legitim erscheint.
       
 (DIR) Nach Chanukka-Anschlag in Sydney: Ein Jahr des antisemitischen Terrors
       
       Das Massaker am Bondi Beach in Australien war der tragische Höhepunkt. Doch
       2025 grassierte der antisemitische Terrorismus weltweit.
       
 (DIR) Terrorangriff auf Chanukka-Fest: Sydney-Attentäter des 15-fachen Mordes angeklagt
       
       Der Angriff galt Juden und Jüdinnen beim Chanukka-Fest. Der Schütze wurde
       in insgesamt 59 Fällen angeklagt. Der Inlandsgeheimdienst steht in der
       Kritik.
       
 (DIR) Trauer in Australien: Tränen am schwarzen Sarg
       
       Rabbi Eli Schlanger, der erste Tote des Terroranschlags von Bondi Beach,
       wird beigesetzt. Der überlebende Attentäter verweigert die Aussage.
       
 (DIR) Netanjahu kritisiert Australiens Premier: Eine unverschämte Intervention
       
       Israels Ministerpräsident wirft Australiens Premierminister vor, an dem
       Bondi-Beach-Attentat mitschuldig zu sein – wegen dessen Unterstützung
       Palästinas.
       
 (DIR) Anschlag in Sydney: Mutmaßliche Täter reisten wohl auf die Philippinen
       
       Die Schützen von Bondi Beach waren offenbar vom „IS“ inspiriert. Auf den
       Philippinen sollen sie eine Region besucht haben, in der es öfter zu
       Anschlägen kommt.
       
 (DIR) Der Held von Bondi Beach: Er wollte nur einen Kaffee trinken
       
       Um den Obstverkäufer, der einen der Angreifer von Sydney überwältigte,
       rankten sich zunächst Verschwörungstheorien. Spenden bescheren ihm nun mehr
       als 550.000 Dollar.
       
 (DIR) Terroranschlag am Bondi Beach: Attacke auf jüdisches Leben
       
       Amokläufer erschießen mindestens zwölf Menschen während des jüdischen
       Chanukka-Fests. Premierminister Albanese spricht von antisemitischem
       Terror.