# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Leben nach dem Stromplan
       
       > Russische Angriffe auf die Energieversorgung zwingen ganze Städte zu
       > stundenlangen Abschaltungen und improvisierten Überlebensstrategien.
       
 (IMG) Bild: Stromausfall in Odessa nach russischen Angriffen. Jetzt brummen die Generatoren
       
       Im Oktober und November hat Russland seine Angriffe auf die ukrainische
       Infrastruktur intensiviert. Eines der erklärten Ziele ist es, die die
       Ukrainer im Winter von der Energieversorgung abzuschneiden.
       
       Nach Angaben des Stromversorgers [1][„Odesskiye Elektromerezhi“] wurden in
       den letzten anderthalb Monaten allein im Gebiet Odessa 12 Umspannwerke
       durch russische Angriffe beschädigt. Weil deshalb jetzt gespart werden
       muss, wurden Stromabschaltpläne eingeführt. Die gibt es allerdings nicht
       nur in Odessa, sondern in der gesamten Ukraine.
       
       Wenn ich jetzt durch Odessa laufe, ist das wie ein Déjà-vu: dunkle Fenster,
       ausgeschaltete Straßenlaternen, das laute Rattern von Generatoren,
       Dieselgeruch, Menschen, die in Supermärkten ihre Telefone aufzuladen.
       [2][All das war auch schon 2022 so].
       
       Können Sie sich überhaupt vorstellen, wie es ist, im 21. Jahrhundert ohne
       Strom zu leben? Gut ist es schon, wenn es zwölf Stunden am Tag Strom gibt.
       Es kommt aber auch vor, dass wir nur vier bis sechs Stunden welchen haben.
       Manchmal tagsüber, manchmal nachts. Die Menschen organisieren ihr Leben
       nach den Stromabschaltpläne und planen danach: heute Nacht können wir die
       Waschmaschine anmachen, die Räume heizen und schon mal auf Vorrat kochen.
       
       Als erstes wird immer die Energieversorung für die kritische Infrastruktur
       wieder hergestellt: für Krankenhäuser, Pumpstationen, Heizkraftwerke. Im
       Anschluss sind mehrgeschossige Wohnhäuser dran. Da die Folgen der
       Zerstörung aber als „enorm“ eingestuft werden, dauert die Reparatur. Was
       bedeutet das für Wohnhäuser?
       
       ## Und dann auch noch die fehlende Wasserversorgung
       
       Da ist zuerst mal der Fahrstuhl. Man kann sich leicht darüber freuen, dass
       gerade im Haus wieder der Strom eingeschaltet wurde, nur um kurz darauf im
       Fahrstuhl stecken zu bleiben. Man muss vermutlich nicht erklären, warum
       viele Ukrainer sich jetzt für den „gesunden“ Lebensstil entscheiden und in
       den fünften, zehnten, zwanzigsten oder noch höheren Stock laufen.
       
       Als Zweites wäre da die fehlende Wasserversorgung. In modernen Häusern wird
       das Wasser elektrisch in höhere Etagen gepumpt. Und auch die
       Hauptwasserleitungen können von Pumpen abhängig sein. Ohne Strom gibt es
       also oft auch kein Wasser. Man muss sich also einen Wasservorrat in
       Plastikflaschen anlegen, einfach um zum Beispiel die eigenen
       Hinterlassenschaften im Klo wegspülen zu können. Ganz zu schweigen davon,
       das Geschirr abzuspülen oder gar sich selbst zu waschen.
       
       Zum Dritten das Gas: Gut, wenn die Wohnung einen Gasanschluss hat. Dann
       kann man nämlich Essen kochen oder Wasser erhitzen. Ist aber Ihr Gaskessel
       stromgebunden, gibt es Probleme. Ja, und vergessen Sie nicht, dass auch die
       Gas-Infrastruktur durch russische Angriffe bedroht ist. Auch die greifen
       sie erfolgreich an. Deshalb ist der Gasdruck in unseren Häusern niedrig.
       Also, generell ist es gut, Gas zu haben. Leider ist das in vielen Häusern
       der Ukraine, vor allem in Odessa, nicht der Fall.
       
       Viertens: die Heizung. Da gibt es in ukrainischen Wohnhäusern
       unterschiedliche Systeme. Wenn Sie ans Fernwärmenetz angeschlossen sind,
       ist es in Ihrer Wohnung vermutlich sogar während der Stromsperren warm.
       Läuft Ihr Heizkessel jedoch mit Strom, riskieren Sie zu frieren. Nein, wir
       haben in der Ukraine kein extremes Klima. In Odessa sind gerade um die
       zehn, in Kyjiw fünf und in Tschernihiw ein Grad plus. Aber jetzt wird es
       Winter, es kann bis zu 15 Grad Frost geben.
       
       ## Wenigstens das Internet läuft besser als in der EU
       
       Fünftens: das Internet. Das vielleicht unproblematischste Segment. Mehr als
       90 Prozent der ukrainischen Internetnutzer haben Zugang zum
       Glasfaser-Internet. Das funktioniert auch bei Stromausfall. Die Anbieter
       bieten in der Regel Komplettlösungen an. Und ja, unser Internet ist
       deutlich besser und billiger als in der EU. Irgendwelche Vorteile müssen
       wir schließlich auch haben, oder?
       
       Bei gezielten schweren russischen Angriffen ist es praktisch unmöglich, die
       Infrastruktur vollständig vor Beschädigung zu schützen. Unterirdische
       Bunker für Umspannwerke bauen? Das halten Energieversorger für
       „unrealistisch“, da es mit extrem langen Bauzeiten und hohen Kosten
       verbunden wäre. Bisher haben die Reparaturteams einen Vorrat an Material
       und Ausrüstung, mit der sie Notfälle schnellstmöglich beheben können.
       
       Während die Einwohner Odessas warme Kleidung, Akkus und Balkonkraftwerke
       anschaffen. Viele denken darüber nach, für den Winter in Einfamilienhäuser
       und Datschen außerhalb der Stadt zu ziehen. Zwar wird auch dort der Strom
       abgeschaltet, doch im Gegensatz zu Stadtwohnungen kann man dort kleine
       Generatoren aufstellen oder einen Holzofen nutzen. Zumindest, wenn es in
       unserer Steppe genügend Brennholz für alle gibt, die es brauchen.
       
       Aus dem Russischen von Gaby Coldewey
       
       8 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] ttps://www.dtek-oem.com.ua/ua
 (DIR) [2] /Kritische-Infrastruktur-in-der-Ukraine/!5891528
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Artem Perfilov
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Odessa
 (DIR) Russland
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gipfeltreffen in London: Vier Freunde für Europa
       
       Großbritannien, Frankreich und Deutschland demonstrieren bei einem Treffen
       mit Selenskyj Zusammenhalt – eine Reaktion auf die US-Sicherheitsstrategie.
       
 (DIR) Situation in der Ostukraine: Vorboten russischer Besetzung
       
       Im ostukrainischen Donbas wird die Lage für die verbliebenen Bewohner immer
       gefährlicher. Die russische Armee rückt näher, die Luftangriffe nehmen zu.
       
 (DIR) Krieg in der Ukraine: Zahlreiche Tote und Verletzte
       
       Die Ukraine meldet landesweit Angriffe mit Drohnen und Raketen. Auch die
       Infrastruktur der Atomwirtschaft ist betroffen. IAEA warnt vor
       Sicherheitsrisiko.
       
 (DIR) Krieg in der Ostukraine: Der erbitterte Kampf um Pokrowsk und Myrnohrad
       
       Russlands Präsident Putin spricht von Einkesselung der beiden Nachbarstädte
       im Donbass. Ukrainische Militärs halten mit allen Mitteln dagegen – noch.